Große Wienerinnen
Margarete Schütte-Lihotzky wurde fast 103 Jahre alt – fünf Tage vor ihrem Geburtstag starb sie an einer Grippe. Dieses über ein Jahrhundert lange Leben birgt eine Fülle von Erlebnissen und Errungenschaften und war geprägt von großem Engagement.
Die am 23. Jänner 1897 in Wien geborene Margarete Lihotzky war die erste Frau, die an der k. k. Kunstgewerbeschule, der heutigen Universität für angewandte Kunst, Architektur studierte und ihren Beruf ausübte. Neben Ella Briggs war Lihotzky die einzige Frau, die im Wohnbauprogramm des Roten Wien Bauaufträge erhielt. Mit dem sozialen Wohnbau kam sie durch die Teilnahme an einem Wettbewerb in Kontakt, zu der sie ihr Professor Oskar Strnad anhielt. Ab 1920 war sie bei der Wiener Siedlerbewegung (für genossenschaftlich organisierte Gartensiedlungen) tätig. Ernst May berief sie 1926 an das Hochbauamt in Frankfurt, wo sie in der Abteilung für Typisierung arbeitete. Lihotzky entwarf dort die sogenannte „Frankfurter Küche“, die erste in Serie hergestellte moderne Einbauküche, die mit ihren 6,5 Quadratmetern höchst funktional gestaltet und ausgestattet war. Über 10.000 solcher Küchen wurden in Häusern von Siedlungen in Frankfurt eingebaut und dieser Typ diente als Vorbild für die ab den 1950er-Jahren weltweit verbreitete Schwedenküche.
Im Jahr 1927 heiratete Lihotzky ihren Kollegen Wilhelm Schütte. Nach einem mehrjährigen Arbeitsaufenthalt in der Sowjetunion, wo sie gemeinsam mit ihrem Frankfurter Team mit der Planung neuer Wohnstädte beauftragt wurden, zog das Ehepaar 1937 nach Paris und ein Jahr darauf nach Istanbul. Hier lehrten und arbeiteten sie. Margarete Schütte-Lihotzky reiste 1940 nach Wien, um sich am antifaschistischen Widerstand zu beteiligen, wurde verraten, festgenommen, zu 15 Jahren Haft verurteilt und bis zur Befreiung im April 1945 im Frauenzuchthaus Aichach in Bayern inhaftiert.
Als Kommunistin (sie war 1939 der KPÖ beigetreten) bekam sie im Nachkriegs-Wien, wo sie ab 1947 wieder lebte, fast keine öffentlichen Aufträge. Dennoch arbeitete sie bis 1969 als selbständige Architektin, hielt als Expertin Vorträge und war in der Frauen- und Friedensbewegung äußerst aktiv. Für ihr Werk wie auch für ihr großes Engagement wurde sie (erst ab Ende der 1970er-Jahre) vielfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich. In der Unteren Weißgerberstraße 41 im 3. Bezirk wurde ein Margarete Schütte-Lihotzky Raum eingerichtet, in dem Ausstellungen zu ihrem Leben, politischen Engagement und Werk sowie Veranstaltungen stattfinden.
Mehr Informationen über Margarete Schütte-Lihotzky gibt es im Margarete Schütte-Lihotzky Raum
Startbild aufgenommen von Ulrike Wieser