10. September 2015

Wien anders im Gespräch

Stephansdom Wienblick (c) STADTBEKANNT

Alles anders bei Wien anders?

Günther Hopfgartner für Wien anders über bedingungsloses Grundeinkommen, Flüchtlingspolitik und Gratis-Öffis.

Wir haben Günther Hopfgartner im Kulturzentrum 7*Stern getroffen und den ehemaligen Spitzenkandidat der KPÖ zur Allianzpartnerschaft „Wien anders“ bestehend aus: KPÖ, Piratenpartei, Plattform der Unabhängigen und Echt Grün, befragt.

STADTBEKANNT: Herr Hopfgartner, warum hat sich die KPÖ entschieden diesen Herbst bei der Wienwahl im Kollektiv unter “Wien anders” anzutreten?

Hopfgartner: Das ist die Folge eines langjährigen Diskussionsprozesses. Die KPÖ war bis in die 90er Jahre hinein einem marxistisch-lenistischen Dogma verpflichtet und hat geglaubt, sie wäre die stärkste der Parteien. So hat sie den Rest der Linken aufgefordert, ihr entweder beizutreten oder zu folgen. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass sie doch nicht die stärkste der Parteien ist und in Wirklichkeit weder gesamtgesellschaftlich eine Repräsentanz darstellen kann, noch für die Linke repräsentativ ist. Dann ergibt es Sinn mit anderen zusammen etwas zu bewegen. Da war es dann lange Zeit so, dass für eine größere äußere linke Kraft, im Sinne einer Organisation oder Wahlpattform, die Bündnispartner gefehlt haben. Aufgrund dieser extremen rechten, neoliberalen Hegemonie der letzten 30 Jahre, ist bei vielen Linken, Linksliberalen bzw. überhaupt fortschrittlich denkenden Menschen die Idee gereift, dass man tatsächlich etwas Vernünftiges entgegensetzen muss.

Also eine Alternative zu Grün?

Klar ist natürlich, dass wir immer links von den Grünen bzw. von Rot-Grün reden. Es mag schon sein, dass die Grünen, vor allem in ihrer Anfangszeit einen starken linken Flügel hatten, aber der ist im Zuge der Verbürgerlichung der Grünen eigentlich völlig weg. Was ich hier auch ganz wertfrei sage. Also, die Grünen vertreten ein bestimmtes Klientel, das vertreten sie gut oder schlecht, das müssen die Grünen mit eben dieser Klientel diskutieren. Jedenfalls gibt es ganz große Teile der Gesellschaft, die nicht repräsentiert sind und deren Interessen über die Grünen nicht artikuliert werden. Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Ein Teil davon, der an Politik weniger Interessierte oder mehr Verzweifelte, je nachdem, geht zur FPÖ und der Rest ist im Grunde zum großen Teil Nichtwähler. Da ist es, glaube ich, ein wesentlicher Punkt zu sagen, dass hier ein Bezugspunkt notwendig ist, oder irgendeine Organisation, in der die Interessen vertreten und artikuliert werden. Das war einer der wesentlichsten Punkte, warum wir diese Plattform, die wir ja schon bei der Europaparlamentswahl probiert haben, kreiert haben.

Das heißt dementsprechend auch progressiver und lauter als die Grünen?

Momentan noch nicht so laut wie wir wollen. Im Prinzip ist es ja auch eine kulturelle Frage. Die Verbürgerlichung der Grünen bedeutet ja auch, dass die ganze Kultur auch auf Machterhalt und Verwaltung dessen was sie schon haben abzielt. Also wenn man noch was zu wollen hat, was zu machen hat, muss man auch etwas lauter und schriller auftreten. Das ist halt notwendig. Dazu kommt noch, dass so Typen wie wir von vornherein eher laut und schrill sind.

Wie funktioniert eigentlich die Kooperation zwischen den Allianzmitgliedern?

Zuerst einmal: überraschend gut. Weil es ja doch völlig unterschiedliche Zugänge waren, nicht nur vom Inhaltlichen her, sondern auch von der Art, wie man Politik an sich angeht. Zum Beispiel bei den Piraten mit ihrer extrem-basisdemokratischen Herangehensweise, mit einem gewissen Verdacht jeglicher Politik gegenüber, Machtpolitik zu sein. Also das war bei den Piraten ein Gründungselement, welches interessant ist. Da sie sich als Partner eine Partei aussuchen, die lange Zeit als Inbegriff von Bürokratismus und Zentralismus galt (KPÖ). Die Tatsache, dass wir uns so gefunden haben, spiegelt auch die Entwicklung wieder. Die KPÖ hat ja meiner Meinung nach nichts mehr damit zu tun, was in den 80er und 90er Jahren der Status Quo war. Die Piraten haben zumindest die Erfahrung gemacht, zumindest in Österreich, dass sie alleine die Interessen ihres Klientels nicht durchsetzen können. Deswegen sind sie ja auch zu uns gekommen. Am Anfang waren viele skeptisch und es war auch etwas problematisch sich da einzufinden, aber es hat extrem gut funktioniert. Das ist auch kein Gehabe, das etwas mit dem Wahlkampf zu tun hat. Aber wir sind auch draufgekommen, dass die ähnlich wahnsinnig sind wie wir, also in der Art und im Umgang miteinander. Also alles, was wir schon in der KPÖ diskutiert haben, haben wir auch in diesen Parteien wiedergefunden.

Also viele Parallelen?

Viele Parallelen vor allem in der Kultur und in der Interessenslage. Also das sind alles Parteien, die von der sozialen Schicht her, eine ähnliche Interessenslage ansprechen wie wir. Das ist schon ein interessanter Punkt, diese Erfahrung, dass diese proletarischen/sub-proletarischen Schichten (die klassische KPÖ) gemeinsame Interessen auch mit Leuten aus der Kreativwirtschaft haben. Der gemeinsame Nenner ist die Präkarität, also dass die Arbeitsverhältnisse sowohl für Web-Designer als auch für Hackler immer problematischer werden. Also, dass die “Normalbürger” fehlen, wo man mit 15 in den Betrieb einstieg und mit 65 in den Herzinfarkt verabschiedet wurde. Dazwischen wurden eben die Arbeitsverhältnisse immer präkerer, weil die Schutzbestimmungen immer mehr abgebaut worden sind. Das betrifft eben eine viel breitere Bevölkerungsschicht als noch vor 30 Jahren.

Welche Schwerpunkte haben sie gemeinsam mit den Allianzpartnern ausgehandelt?

Der größte gemeinsame Nenner war, dass es ein populistischer Wahlkampf ist, nämlich in jenem Sinn, dass populistisch von popular kommt. Also wenn so eine Scherzpartie wie der Mitterlehner wieder verzapft, dass die Arbeitslosen deswegen Arbeitslos werden, weil das Arbeitslosengeld zu hoch ist, ist das ein Diskurs den wir die letzten 30 Jahre erleben und der immer gleich blieb. Es gibt halt einfach zu viele Leute die rechnen können, die dann draufkommen, dass die offenen Stellen nicht mit den Arbeitslosen zusammenpassen. Dann weiß man, dass das ein Schwachsinn ist was Mitterlehner und Leitner verzapfen. Da macht dann die SPÖ auch gar nichts dagegen, obwohl das klassisches sozialdemokratisches Terrain wäre, wo man sich profilieren könnte gegenüber der ÖVP. Aber das ist eine Einheitspartei. In Wien lassen sich die Grünen da auch immer mehr hineinziehen. So wie es halt weitgehend eine Einheitspresse gibt, gibts es halt auch eine Einheitspartei. Deswegen sprechen wir, vor allem auch in Wien, soziale Themen, wie Arbeitslosigkeit und Lebenserhaltungskosten an.

Wie würdet ihr das Problem der Arbeitslosigkeit angehen?

Da gibt es natürlich unterschiedliche Zugänge. Also zum einen den klassischen KPÖ- Gewerkschafts-Zugang, also auf Wachstum setzen und Arbeitsplätze schaffen. Es gibt aber auch die anderen Gruppierungen, die andere Formen des Arbeitslebens fordern, die nichts mit einer klassischen 40-Stunden Fabriksarbeit anfangen können. Da ist das bedingungslose Grundeinkommen auch ein zentraler Punkt, wobei der Reichtum, der ja tatsächlich in Österreich geschaffen wird, umverteilt wird…

Also ihr setzt euch auch für eine Vermögenssteuer ein?

Jedenfalls, Vermögenssteuern sind ein Muss. Die Besteuerung insgesamt muss sich verändern. Eine uralte Idee, die der Kollege Dallinger in den 70ern oder 80ern hatte, wäre die Wertschöpfungsabgabe. Bei einem Betrieb,in dem weit weniger wert-geschöpft wird, also Arbeit hineingesteckt wird um zu einem Ergebnis zu kommen, könnte man so etwas einführen. Arbeit wird aber extrem besteuert in Österreich. Warum sollten dann Banken, die mit viel weniger Arbeit, weit mehr Geld wert-schöpfen im selben Maße besteuert werden? Das ist natürlich ein völliger Blödsinn, denn es geht ja darum wer wie Geld macht, diesen Wert sollte man abschöpfen.

Arbeit wird ja besteuert im Maß von bis zu 40% oder 50%. Wie soll Kapital besteuert werden?

Jedenfalls höher als Arbeit. Das ist ein wesentlicher Punkt. Das ist aber auch die KPÖ unter “Wien anders”. Unsere Allianzpartner sind auch dafür, dass Vermögen besteuert wird, aber natürlich gibt es immer unterschiedliche Aspekte, weswegen wir uns auch auf unser 12 Punkte Programm geeinigt haben. Erbschaften sind ja auch ein wesentlicher Punkt um die reiche Klasse reich zu halten.

Sie sprechen sich ja für ein bedingungsloses Grundeinkommen und eine Erhöhung des Mindestlohns aus. Wie genau stellen Sie sich die Umsetzung dessen vor?

Hier geht es primär um die Existenzsicherung. Für jeden, der hier seinen Wohnsitz hat. Da liegt das Minimum bei 1000 Euro. Das wäre dann zusätzlich zum Arbeiten – auch von der Steuerprogression her. Bei der Finanzierung gibt es verschiedene Modelle. Zum Beispiel würde ein großer Teil der Verwaltung wegfallen – das ganze AMS im Endeffekt, das ja nur dazu dient um die Leute zu beschäftigen und aus der Statistik herauszunehmen. Notstandshilfe würde auch entfallen. Bestimmte andere Sachen, wie zum Beispiel Karenzgeld würden dann auch wegfallen.

Also jegliche Form von Beihilfen würde gestrichen werden?

Nein, da müsste man genau schauen. Aber generell würde ein großer Teil der Beihilfen wegfallen, das ist klar.

Nun zu einem anderen Thema. Transparenz wird in Ihrem Wahlprogramm groß geschrieben, wie stellt man sich das bei “Wien anders” konkret vor?

Es muss eine ganz andere Art von Kommunikation geben. In Wien gibt es ja ein unglaubliches Verwaltungssystem, mit den Bezirken, da gibt es einen Vorsteher, zwei Stellvertreter, einen Bezirksrat – also insgesamt immer so 38 bis 60 Mitglieder. Da gibt es in Wien sicher insgesamt Tausend Bezirksräte. Da sind ja sehr viele Leute eingebunden in die Politik. Gleichzeitig bekommt niemand im Bezirk mit, was im Bezirksrat überhaupt passiert. Da gibt es dann auch wieder diese Fördergeschichten. Das muss sich jedenfalls etwas ändern. Wir gehen davon aus, dass wir in alle Bezirksräte reinkommen. Da ist es uns dann wichtig, einerseits zu kommunizieren, was da drinnen überhaupt passiert und was da getrieben wird, andererseits wollen wir dann dort unsere eigenen Punkte einbringen. Es muss klar sein, was da drinnen vorgeht. In Wien wäre ich für die sofortige Abschaffung der Bezirksvorsteherstellvertretungen. Die verdienen 6.000 Euro im Monat und haben genau Null Funktion, außer, dass irgendeine Partei, die nicht die Regierungspartei ist, auch Kohle bekommt. Das ist lachhaft. Ich bin immer gegen die Verkleinerung von politischen Instanzen, aber da wird einfach Geld rausgehauen. Persönlich bin ich auch für die Abschaffung der Länder in Österreich. Dieser Föderalismus ist einfach lachhaft. In einem Land wie Österreich braucht man sich keine neun Bundesländer leisten, vor allem nicht mit diesem Verwaltungsapparat. Das kann auch auf Bundes- oder Gemeindeebene geregelt werden.

Im 12-Punkte-Programm steht, dass ihr den Null-Tarif für öffentliche Verkehrsmittel fordert. Wie wollt ihr das finanzieren?

Das ist auch eine größere Diskussion. Welchen Stellenwert haben zum Beispiel Öffis im Verkehrskonzept der Stadt Wien. Die momentane Diskussion dreht sich vor allem darum, dass irgendwo eine Fussgängerzone gemacht wird oder ein paar mehr Radwege gebaut werden. Das ist aber kein Verkehrskonzept. Die Frage ist, was für eine Rolle spielt der öffentliche Verkehr in der Stadt Wien und welchen Stellenwert hat der. Diesbezüglich gibt es ja Versuche, wie etwa in Riga, wo es freien öffentlichen Verkehr gibt. Dann hat man hier dasselbe Spiel wie beim bedingungslosen Grundeinkommen, denn es fallen wesentliche Kosten weg. Die ganze Kontrolle und der Verwaltungsapparat würden obsolet werden. Eine andere Möglichkeit wäre es, das ganze über Steuern zu finanzieren. Es muss hier das Anrecht zu einer sozialen Infrastruktur geben.

Jetzt zu einer ganz anderen Frage. Sowohl österreichweit als auch europaweit ist die Flüchtlingskrise ein Thema. Wie würde “Wien anders” mit dieser Problematik umgehen?

Man kann mit dem was in der Welt passiert, nur umgehen, wenn man die Grenzen öffnet. Man kann Fluchtbewegungen nicht an den Grenzen regeln, denn sonst kommt es genau zu diesen Szenen. Tausende ertrinken im Mittelmeer, Tausende bleiben in irgendwelchen Zäunen hängen und werden abgewehrt. Dass zum Beispiel nur bestimmte Leute, wie Männer kommen ist ja auch klar. Wenn bestimmte körperliche Vorraussetzungen gegeben sind um überhaupt anzukommen, kommen auch nur die an, die es schaffen. Zu der Gegenfrage “Wir können ja nicht alle aufnehmen?” kann ich nur fragen “Wer sind überhaupt alle?”. Ich habe jetzt eine Schlagzeile gelesen im Standard: 250.000 Flüchtlinge kommen nach Europa. Das ist lächerlich, das ist gar nichts, das sind nicht einmal 0,1% der EU-Bevölkerung. Das ist lachhaft. Die Menge an Leuten, die da kommen, gleichen nicht einmal unsere sinkende Geburtenrate aus. Da geht es um Panikmache. Der Großteil der Leute,die flüchten, flüchten von einem Ort zum anderen oder ins Nachbarland. Jordanien hat zehn mal so viele Flüchtlinge aufgenommen wie Europa. Ein viel kleineres Land, ein viel ärmeres Land, mit ganz anderen Möglichkeiten. Hier in Österreich bricht der Notstand aus.

Zum Abschluss: Wieviele Prozentpunkte erhofft ihr euch bei der Wienwahl?

Das ist meine Lieblingsfrage, weil wenn man sagt drei oder vier Prozent sagen immer alle “Warum wählen ma euch denn dann?” und wenn ich sage sechs oder sieben Prozent glauben immer alle ich erzähle einen Schmäh. Aber ehrlich, ich kann es nicht sagen. Meine Strategie für Wien anders ist, die ganze Geschichte einfach wirklich von unten aufzubauen. Ganz wichtig ist es in den Bezirken aktiv zu sein. Wir werden nicht gewählt werden, wenn wir nichts tun und nur laut sind und dann nichts rüberbringen. Ich glaube wir haben gute Chancen, in den Gemeinderat einzuziehen. Was für Österreich ein politischer Bruch wäre, dass es eine Opposition links von den Grünen oder der SPÖ gäbe.

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