10. September 2015

Qual der Wahl

Ausblick Stephansdom (c) STADTBEKANNT

„Es ist alles sehr kompliziert“ (Alfred Sinowatz, Bundeskanzler a.D.)

Der Sommer ist um. In Ottakring gibt’s beim Heurigen schon Sturm und die Kinder müssen wieder in die Schule.

Dieser Sommer 2015 war ein besonderer Sommer. Wir erlebten und erleben eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität, die über das Land hinwegschwappt. Und es war der erste Sommer seit langem ohne Sommerhit. Es war ein guter Sommer!

„Na gut, diesmal geh ich schon wählen!“

Je näher die Wahlen in Oberösterreich und Wien rücken, desto öfter taucht eine Frage auf: Wird die Flüchtlingsfrage Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Ich glaube, jein. Dahinter liegen zwei Gedanken: einerseits, dass mehr MigrantInnen mehr Rassismus erzeugen, andererseits, dass die Menschen, die jetzt für Flüchtlinge engagiert und durch sie politisiert sind, kein Angebot am Wahlzettel finden. Ersteres verkehrt die Tatsachen, weil eine Zunahme an Rassismus den Migrantinnen angelastet wird. „Alle Tschuschen hackeln nix, außer der Ali. Der muaß die Krot in der Bude schluckn.“ Zweiteres stimmt vielleicht noch, aber höchstens noch so lange, bis die Parteien erkennen, dass man sich als eine glaubwürdige Alternative zu den Freiheitlichen positionieren und obendrein Menschenrechte verwirklichen kann.

„Wer fremd ist, bestimmen wir!“

Ich glaube, die Wahlen entscheiden sich im 7. Jahr der Krise an den immer gleichen Themen: Arbeit, Wohnen und Gesundheit. Und die sollen MigrantInnen bedrohen. Aber wie? Durch ihre Existenz? Eben. Rassismus ist falsch, das heißt auch, dass er nicht taugt, Fragen zu beantworten und widersprüchlich ist. Es gelingt ihm allerdings, Menschen, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben, sich sorgen, ob sie noch eine staatliche Pension erhalten, von der sie im Alter leben können, und nicht wissen, ob sie sich eine schwere Krankheit noch leisten können, zu bewegen. Gegen Menschen, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben, sich sorgen, ob sie noch eine staatliche Pension erhalten, von der sie im Alter leben können, und nicht wissen, ob sie sich eine schwere Krankheit noch leisten können und eine andere Hautfarbe, Religion, oder Seife haben.

“Diktatur des Proletariats?”

Die Auseinandersetzung um ein gutes Leben für alle ist nicht mehr an den Menschenrechten orientiert. Sie ist ein Verteilungskampf um öffentliche Güter wie Wohlstand, Sicherheit und Bildung. Irgendwie komisch dabei ist, dass im gleichen Maße wie die Ungleichheit natürlich genannt wird, von Flüchtlingen als Naturkatastroph gesprochen wird: Flüchtlingswellen, Ströme von SyrerInnen, Völkerwanderung und so weiter und so anstrengend. Vor dieser Bedrohung lässt sich Hass kultivieren. Wenn die ProletarierInnen nichts zu verlieren haben als ihre Ketten, gibt es zumindest immer noch eine Partei, an die sie ihren Glauben verlieren können.

Gelingt es also der FPÖ die Angst vor Verlust zu nutzen? Ja, aber nur, wenn es keine eindeutigen Gegenangebote gibt.

Maximilian Zirkowitsch

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