5. Mai 2023

Wiener Mythen und was es mit dem Gemunkel auf sich hat

Schönlaterngasse 1010 Wien (c) STADTBEKANNT

Wiener Kellner seien hochnäsig, die Wasserversorgung eine Zweiklassenstrategie und überhaupt die Stadt ein teures Pflaster. Diese und andere Vorurteile kursieren jenseits der Stadtgrenzen. Was ist hinter dem Geflüster unter vorgehaltener Hand eigentlich dran?

Kaisermythos um den Wein in Wien

Eine Weinkrone setzen Mythengläubige gerne dem Römerkaiser Marcus Aurelius Probus auf. Er habe als erster den Weinbau für Wien populär gemacht? Nicht ganz! Zu seinen Herrschaftszeiten wurde ein lange vorher bestehendes Weinanbauverbot nördlich der Alpen aufgehoben. Für die Wiener war diese Entscheidung um 250 n. Chr. ein Segen. Immerhin waren – bis dorthin verbotenerweise – schon für gut 500 Jahre Kulturreben gediehen. Für den Kaiser war es ein fataler Vormarsch. Er wurde von kampfeswilligen, aber dem Weinbau gar nicht geneigten Legionären kurzerhand getötet.

Strottermythos um die Wiener Unterwelt

Im mondänen Wien gab es für lange Zeit eine kaum besprochene Armenschicht. Menschen lebten am Rande der Gesellschaft und »strotterten« auf der Jagd nach Geld und Schätzen entlang der städtischen Abwasserkanäle. Reich geworden ist wohl niemand von ihnen. Allerdings entstanden nach der Herrschaft derer von Habsburg zahlreiche Sozialbauten. Heutige Strotterer sind deshalb nur noch geringfügig im Stadtbild anzutreffen, weil sie in der von der Caritas betriebenen Gruft Tagesbetreuung und Notobdach finden.

Wassermythos über Zweiklassenversorgung

Manche Wiener Bezirke werden laut Hörensagen mit Grundwasser versorgt, während in anderen Stadtbezirken Hochquellwasser aus den Hähnen sprudelt. Zunächst gibt es keine nach Bezirken unterschiedliche Versorgungslage. Das Quellwasser von den Alpen genügt fast immer, um die Bevölkerung und sogar die Wiener Parks und Gärten mit ihrem ergiebigen Nass zu versorgen. Wechsel zum Grundwasser betreffen – wenn solche kurzfristigen Änderungen nötig sind – immer solche Regionen, wenn eine der Hochquellleitungen gewartet werden muss oder der gesamte städtische Wasserverbrauch extrem hoch ist.

Traditionsmythos um die ältesten Wiener Wirtshäuser

Nichts lädt so eifrig zum Munkeln ein wie Behauptungen ohne schriftlichen Beweis. Hinsichtlich der Wiener Wirtshäuser schreibt sich »Die 10er Marie« den Ausschank des ältesten Heurigen für das Jahr 1740 auf die Weinstuben-Fahnen. Immerhin ist es denkmalgeschützt seit 1993 und bis heute aktive Anlaufstelle für Besucher. Deutlich älter ist der »Pfarrwirt« in Döbling (erste Ausschanknachweise aus dem 14. Jahrhundert) dokumentiert. Immerhin bis 1447 lassen sich die Spuren des »Griechenbeisl« (Ecke Griechengasse – Fleischmarkt) zurückverfolgen. Hier ließen es sich dereinst schon Strauss, Mozart und Beethoven gut schmecken.

Vampirmythos um den weltberühmten Van Helsing

Könnten Vampire auch in Wien ihr Unwesen treiben? Immerhin glaubte das die mährische Bevölkerung in ihrer Region um 1755. Um den Aberglauben aufzudecken und die schockierten Wiener zu beruhigen, machte sich auf Geheiß der Kaiserin Maria Theresia ihr Leibarzt zum Ort der vermeintlichen Vorfälle auf. Mit sachlicher Wissenschaft versuchte Gerhard van Swieten, die tatsächlichen Ursachen der Todesfälle herauszufinden. Seine Aufzeichnungen wurden 150 Jahre später die Vorlage für Bram Stoker für seinen »Dracula« und der dokumentierende Leibarzt zum Antagonisten Van Helsing.

Fazit:

Wien ist liebenswert, ihre Wirtsleute selbstbewusst und die Stadtgeschichte voll von Mythen und Legenden. Auf Spurensuche erweisen sich manche Behauptungen als vage oder falsch, andere als liebevolle Umschreibungen oder höchstens werbewirksame Übertreibung. Fest steht, dass wie bei allen Gerüchten ein Körnchen Wahrheit in fast jedem Mythos steckt.

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