11. März 2019

Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten!

Sprache Social Media (c) STADTBEKANNT

Social Media und die Sprache

Die Sprache in den sozialen Medien liegt völlig im Argen und treibt einem mitunter die Schamesröte ins Gesicht. Dass es auf Facebook, Twitter & Co. so weit kommen konnte, hat mehrere Gründe. Wer sich am Relaunch der gängigen Sprache beteiligen will, müsste sich in der ernsthaften Auseinandersetzung mit Andersdenkenden versuchen.

„Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten“ ist ein Klassiker. Das lapidare „Du Fotze!“ wird zwar auch einigermaßen regelmäßig platziert – aber vorrangig dann, wenn das Thema „Feminismus“ in den sozialen Netzwerken verhandelt wird. Die vermeintlich sozialen Medien, der ideale Boden für „Rede“ und „Widerrede“, sind inzwischen völlig verkommen und haben uns die Verrohung der Sprache beschert. Der gepflegte Diskurs, der sich in „Face to Face“-Konversationen Kultivierter in der Regel zwischen „Ja“ und „Nein“ breit macht, ist dort erodiert. Die „Hate Speech“ kommt schnell zur Sache.

Den Hatern wird das Spielfeld überlassen

Mit Fremden in Kontakt zu treten, sich mit Unbekannten aus aller Welt in Realtime auszutauschen – eigentlich großartig, welch Privileg unserer Zeit, oder? Hätten Oma und Opa, die einst drei Wochen auf Briefe warten mussten, später immerhin schon auf das „Rauskommen“ beim Vierteltelefon hoffen durften, auch nur die leiseste Ahnung von Facebook, Instagram und Twitter gehabt: Sie würden dem zustimmen. Auch die möglichen Denkpausen etwa, die sich so wunderbar zum Reflektieren nutzen ließen, wären einer Kommunikation via Social Media durchaus zuträglich. Was aber tun wir? Wir werfen im Stakkato-Takt Giftpfeile, schaffen das Arschlecken an und ventilieren unseren Hass. Dass jene, die ernsthaft diskutieren möchten und dazu sogar in der Lage wären, rasch den Hatern das Spielfeld überlassen, leuchtet durchaus ein.

Ursprung allen Übels: das Lancieren von Fake-News

Der Fisch fängt am Kopf zu stinken an, sagt man. Wenn bereits zum drölfzigsten Mal als unwahr entlarvte Meldungen à la „Caritas verschenkt Handys“ mit Kalkül rausgepfeffert werden, stiftet das schlichtweg Unfrieden. Das gezielte Lancieren falscher oder den Empörungsfaschismus bedienender Nachrichten ist eine dieser Perversionen unserer Zeit. Das gesellschaftsfähig gewordene Asoziale, Ausgrenzende und Postfaktische, zu deren Verbreitung auch noch unsägliche Trottelbots ihren Dienst verrichten, wirkt sich nicht nur auf das Miteinander in Gesellschaften aus, sondern sorgt inzwischen auch für Brüche am demokratischen Fundament.

Stichwort „Anti-Establishment“: Wer glaubt, die Wahl Donald Trumps sei vor dem Hintergrund des „Social Media-Wahnsinns ein Zufall, könnte daneben liegen. Aber auch der Blick auf „Social Media“-Accounts anderer, mehr oder weniger Mächtiger, die im Fight um „Likes“ und „Favs“ gern den Vorschlaghammer bemühen, spricht Bände. Argumentation, die auf Fakten fußt? What the fuck? Wir sind im Internetz, Bitch! Und dort zieht prompte Emotionalisierung, sicher nicht die Wahrheit.

Wissen aus der Blase und die oftmals stereotype Linke

Wird dem konstruktiven Diskurs kein Raum gegeben, lauern immer Spaltung und Zerwürfnis um die Ecke. Insbesondere jene, die ihr Wissen ausschließlich über Social Media und darin vorrangig in Filterblasen und Echokammern beziehen, sind, da sie es nicht anders kennen, in der Radikalisierung schlichtweg heimisch. Auf der gmiadlichen Couch der Asozialen Medien hämmert sich ein „Highbrow“-Argument der Marke „Fresse, du Opfer!“ dann schnell einmal in die Tastatur. Eine Unart, die übrigens in allen politischen Lagern zuhause ist, da viele ja der Ansicht sind, Ausgrenzung, Diskreditierung und Verunglimpfung lasse sich so gut wie immer rechts verorten. Auch die links Lozierten verstehen es, gehörig auszuteilen – primär in Richtung Rechte, aber echte Expertise beweisen sie mitunter auch auf dem Gebiet der Selbstzerfleischung. Wagt man es, aus dem linken Meinungskorsett kurzfristig auszuscheren: Furor ohne Ende, fetter Scheißsturm inklusive. Wer dann mit „reaktionär“ befundet wird, darf sich noch glücklich schätzen. Es ist schon erstaunlich, dass es so viele Menschen gibt, die das Zeug zum Denken hätten, ihr eigenes Meinungsportfolio aber Punkt für Punkt aus Parteiprogrammen speisen.

Heftigere Sanktionen und regelmäßige Gesetzeschecks

Um in den sozialen Medien wieder so etwas wie eine Diskussionskultur stattfinden zu lassen, muss man massiv in die Grammatik hineinarbeiten – und zwar an mehreren Stellen. Die Medien zu bitten, wie manche fordern, die positive Berichterstattung stärker zu forcieren, würde aber definitiv ins Leere gehen. Denn jene, die bewusst auf Hass und Fake-News setzen, reüssieren schließlich mit diesem Geschäftsmodell, werden sich also hüten, es zu zerschießen.

Ohne die Meinungsfreiheit darunter leiden zu lassen: Natürlich gilt es, gegen Hassposter strenger vorzugehen, sowohl auf den Plattformen selbst als auch in Form einer Ausweitung des Strafrechts. Angesichts der sich so rasch veränderten Internetlandschaft müssen Gesetze periodisch überprüft und, wenn notwendig, entsprechend adaptiert werden. Betreiber sozialer Netzwerke beziehungsweise von Seiten in diesen müssen natürlich ebenso in die Pflicht genommen werden.

Mit Politik und mehr Eigenverantwortung könnte es klappen

Dass der immer schärfer werdende Ton in der Politik auch den Tumult in den sozialen Medien befeuert, ist logisch. Die Vorbilder sind im Laufe der Jahrzehnte leider ziemlich abhandengekommen, denn: Was heute auf dem politischen Terrain geboten wird, hat mit Vernunft oft nur mehr wenig zu tun. Anstatt sich ständig im Ton zu vergreifen, könnte man durchaus mal die eigenen Verhaltensweisen eingehender überprüfen.

Aber auch wir User sollten uns mal an der Nase nehmen und so was wie Eigenverantwortung übernehmen, anstatt auf Eingriffe und Regulative von oben zu warten. Ähnlich wie im Umweltbereich, muss im Kleinen begonnen werden. Also vielleicht mal mit einem hasserfüllten Nazi, der kleine Kätzchen quält und ständig Gabalier hört, versuchen, ins Gespräch zu kommen, was, zugegeben, eine Herausforderung darstellen könnte. Aber ihr wisst schon: Über den eigenen Schatten springen wäre mal eine Option. Vielleicht braucht das Arschloch ja wirklich einfach nur ein bisschen Zuwendung. Es ist allerorts noch viel zu tun.

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