19. Juni 2010

David Schalko im Gespräch

Auch wenn sich der charmante Herr am Nebentisch ob unserer Fotokamera, in deren Hauptschusslinie er sich zu befinden fühlte und sich, dem Anlass entsprechend ein wenig unproportional echauffierte, so galt unser Linsenfokus weniger seiner (mit Sicherheit auch fotografierenswerten) Person – viel mehr galt unsere Aufmerksamkeit nämlich Regisseur und Autor David Schalko, den wir zum Gespräch ein Kaffeehaus im 6. Bezirk baten.

Mal ehrlich: bei fast allem, was an Serien und TV-Produktionen im ORF in den letzten Jahren wirklich sehenswert war, hatte David Schalko maßgeblich seine Finger im Spiel. Auszug gefällig? „Sendung ohne Namen“, Idee, Regie, Konzept. „Sunshine Airlines“: Konzept, Regie. „Dorfers Donnerstalk“: Regie. „Die 4 Da“: Idee, Regie. „Kupetzky“: Drehbuchkonzept. „Willkommen Österreich“: Konzept. „Das Wunder von Wien“: Idee, Regie. „Der Aufschneider“: Regie, Drehbuch. Et cetera, and then some.

 
Als „Verlegenheitslösung“ hat Schalko früher BWL studiert. Drei Prüfungen hätte er noch gebraucht, die er aber nie gemacht hat – weil es eben anders kam: 1997/98 ergab es sich, dass er für „ZAP“ (mit an Bord: Robert Palfrader), eine Serie auf Wien 1, Regie führte und das Studium somit abbrach.
„Eine laute, schrille Jugendsendung, die meistens ihre Interviewpartner schlecht behandelt hat. Die Sendung hat unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden, war aber sozusagen eine Spielwiese, wo wir das gelernt haben, was wir woanders nicht lernen konnten. Eine zweijährige Spielwiese, wo jeder so ein bisschen seine eigene Handschrift entwickelt hat“.
 
Nachdem die Serie abgesetzt wurde, hielt sich Schalko mit Musikvideos, Werbung und Kolumnen über Wasser, unter anderem als Sexkolumnist für die Wienerin. „Dann hat’s mir aber gereicht, und ich hab mir ein halbes Jahr eine Auszeit genommen“. In dieser Auszeit schrieb er seinen ersten Roman, „Frühstück in Helsinki“, der allerdings damals keinen Verlag fand und erst 2006 erschien.
 
Mit der genialen und langlebigen „Sendung ohne Namen“ stellte sich 2002 der Erfolg ein. Wie kann man sich den kreativen Entwicklungsprozess einer Sendung wie eben der ohne Namen vorstellen?
Schalko: „Der Fred und ich sind über drei Bieren gesessen und haben geredet. Und dann hab ich das in Worte gefasst, was wir beredet haben. Da gibt man dann drei oder vier lose A4 Seiten ab und behauptet etwas, das man eh nicht einhalten kann – und hofft das es der andere glaubt (lacht). Das war ein langer Prozess, wir mussten dann Bücher schreiben, den Ton aufnehmen – bis man es uns geglaubt hat. Es gab noch einen Tag vor der Sendung mit Diskussionen mit dem Sendungsverantwortlichen, der gemeint hat, das ist eh wunderbar, aber das Abschweifungskonzept muss weg. Ich fand das interessant, weil das war ja das Konzept der Sendung. Es ging nicht alles rund, aber es gab auch viele, die daran geglaubt haben“.
 
Das Interessante an der Sendung ohne Namen, erzählt Schalko, sei auch gewesen, dass sich der Falter erstmals mit der Kronen Zeitung einig war. Die Sendung lief fünf Jahre, über neue Folgen wird derzeit verhandelt. Etabliert hat sich das Konzept der „Donnerstag Nacht“ im ORF Ende der Neunziger, damals noch unter der ungustiösen Schwarz-Blau Regierung.
 
„Am Anfang war das halt so, dass um zehn politische Satire läuft – aber in einer Zeit einer schwarz-blauen Regierung, wo politische Satire etwas anderes war als es heute ist, wo man wirklich gegen politische Widerstände Satire gemacht und wo das wirklich einen aufklärerischen Wert gehabt hat: nämlich, dass eine Regierung etwas salonfähig macht, das vorher nicht salonfähig war – und dass man dagegen kämpft. Es war eine Zeit für politische Satire, wo sie wirklich legitim war. Legitim ist sie natürlich immer, aber damals war sie wirklich notwendig. Heute ist die Donnerstalk Nacht ja etwas sehr komödiantisch Besetztes“.
 
Danach haben sich diverse Sachen eben ergeben, unter anderem die Regie bei Dorfers Donnerstalk und Formate wie Sunshine Airlines und Kupetzky.
 
Bei Kupetzky war es so, dass einfach viel zu wenig Geld da war. Es war viel zu aufwändig, für das Budget. Zweitens musste man dreizehn Bücher in zwei Monaten schreiben. Ich hab Bücher in einer Nacht geschrieben, das war absurd (lacht). Meine große Lektion bei Kupetzky war, sich Zeit zu nehmen und Dinge nicht so rauszuscheißen. Seitdem mache ich nur noch ein Projekt pro Jahr, was eine sehr angenehme Rhythmik ist“.
 
2007 gründete Schalko die Filmfirma „Superfilm“, gemeinsam mit Michael Lüftner und Andreas Payer. Im selben Jahr war er auch an der Rekonzipierung von Grissemann/Stermanns „Willkommen Österreich“ kreativ beteiligt.
 
“Das war eine kompliziertere Geschichte. Lorenz hat schon länger eine Arbeitsgruppe daran arbeiten lassen, aus der alten W.Ö.-Deko eine Sendung zu machen. Und wenn viele Leute an einem Tisch sitzen, ist es oft so, dass nichts raus kommt, weil jeder etwas anderes will und man auf keinen Nenner kommt. Irgendwann kam die Idee auf, weil Willkommen Österreich ja eine Wohlfühlsendung war, die alte Leute beruhigt, wo der Moderator ins Telefon schrie „Es ist alles gut ! Frau Meier, verstehen sie mich“? (lacht). Es war eine aggressive Beruhigungssendung Und da fanden es logisch, eine Angst-Sendung zu machen, was aber in die Hose ging. Wobei ich die Idee noch immer sehr gut finde, aber man müsste es viel radikaler machen und wirklich konsequent Angst verbreiten“.
 
2009 erschien Schalkos Roman „Weiße Nacht“, der ihm eine Klage einbrachte, die ihm nicht nur gesteigerte Verkaufszahlen, sondern auch noch Lachen bescherte: Österreichs essentiellster Staatsmann, Stefan Petzner erkannte sich in ohnehin vom ihm selbst öffentlich gemachten Details wieder (unter anderem dem pfiffigen Delphin-Tattoo, dem Lieblingswort „Flocke“ und dem innigen, esoterischen Lebensmensch-Verhältnis zweier Männer).
 
„Der Petzner ist der Richard Lugner des BZÖ. Das ist ja kein Buch über Stefan Petzner sondern über ein Phänomen, und das ist ein schwer greifbares Buch, mit dem viele Leute nichts anfangen können. Es ist ja nicht satirisch, es ist eine poetische Abhandlung die mit Esoterik und Popmythen spielt und die etwas zusammenfügt, das ein Bild übrig lässt. Es geht in dem Buch mehr um Bilder als um Fakten“.
 
Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, Petzner ging in Berufung. Schwer vorzustellen, dass Petzner recht bekommt. Es geht hier schließlich, nicht wie bei Thomas Bernhards Holzfällen, um Privatpersonen sondern ganz im Gegenteil um öffentliche, besser noch Öffentlichkeit suchende Personen. Auf die Klage reagierte Schalko also mehr als gelassen:
 
“Ich habe sehr lachen müssen. Wie blöd kann man sein. Aber ich glaube es ist ihm einfach wichtiger in der Öffentlichkeit zu stehen als nicht in der Öffentlichkeit zu stehen“. „Wenn er recht bekäme, wäre das lächerlich. Das kann ich mir nicht vorstellen. Abgesehen davon, es ist ja keine Lebensgeschichte von ihm, die Details seines Lebens beschreibt, die eh kein Mensch hören will. Erstens ist er Politiker und somit in der Öffentlichkeit. Zweitens ist es kein Buch über ihn, sondern eine Anlehnung über ihn“.
 
2009 arbeitete Schalko gemeinsam mit Josef Hader am Zweiteiler „Der Aufschneider“, der im April 2010 gesendet und ein voller Erfolg wurde. Mit Josef Hader hat Schalko in der Vergangenheit bereits öfters gearbeitet, unter anderem führte Schalko bei der „Hader muss weg“ DVD Regie. Wie die Zusammenarbeit beim „Aufschneider“ entstand?
 
„Das war eine logische Weiterführung aus den Arbeiten vorher. Wir haben beide unsere Zusammenarbeit als etwas Kontinuierliches betrachtet, wo man alle paar Jahre etwas gemeinsam tut. Wir haben angefangen die Figuren zu entwickeln – ich habe die Erstfassung geschrieben, er hat drüber geschrieben – die Schlussfassungen haben wir dann gemeinsam in diversen Hotels in Europa fabriziert. Ich bin meistens dorthin gefahren, wo er spielt.
 
Wie genau läuft eigentlich Schalkos Arbeitsprozess?
 
„Ich gehe relativ lang mit einer Idee schwanger, und wenn der Zeitpunkt kommt, wo das Fass voll mit Wasser ist und überschwappt, setze ich mich hin und schreibe. Dann schreibe ich aber in einem durch, schaue, dass ich mich möglichst ohne Pausen dem widme. Ich schreib sehr gerne in Hotelzimmern, weil das wahnsinnig angenehm ist, weil man nicht abgelenkt ist. Es sind nie tolle Hotels, es soll ja kein magischer Ort sein, der mich dann vielleicht mehr interessiert als das, an was ich arbeiten soll. „Weisse Nacht“ hab ich zum Beispiel in Langenlois geschrieben“.
 
Immer klappt die Hotel-Einsamkeit allerdings nicht:
 
„Einmal ist es mir passiert, dass ich mich in ein Hotel zum Schreiben zurück gezogen habe, und zur Rezeption ging – und der Niavarani steht neben mir. Damit war die Woche natürlich im Arsch (lacht), weil wir nur geplaudert haben“.
 
Derzeit arbeitet Schalko an seinem nächsten Kinofilm, der Verfilmung von Thomas Glavinics „Wie man leben soll“, eine Serie mit Robert Palfrader ist in Planung. „Ich kann nur sagen, dass es im Waldviertel spielt. Mehr will nicht sagen. Es ist eine authentische Sendung über sehr seltsame Menschen“.
 
Wir sind jedenfalls schon sehr gespannt auf David Schalkos nächste Projekte und bedanken uns für das sehr nette Gespräch!

Text: Markus Brandstetter
Gespräch: Markus Brandstetter & Lara Chhatwal

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