21. Februar 2024

Das berüchtigte Kartenspiel Stoß und seine Verbindung zum Wiener Rotlichtmilieu

Kartenspiel (c) STADTBEKANNT

Noch in den 1960er-Jahren wurden Geldspiele sehr häufig mit der Unterwelt assoziiert, vor allem, wenn wir an das Kartenspiel „Stoß“ denken. Wir nehmen dich mit auf eine Reise in eine Welt, die du so noch nicht kanntest. Sie führt dich vom Spieltisch direkt ins Wiener Rotlichtmilieu.

Das Wien der 60er-Jahre

Wien in den 1960er-Jahren war anders als das, was du heute kennst. Heutzutage sind Glücksspiele erlaubt, auch Online-Glücksspiele. Damals wurden Glückspiele im Hinterzimmer gespielt. Die Unterwelt der feinen Stadt war berüchtigt, immer wieder kam es unter Gangstern zu Kämpfen. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch das Kartenspiel „Stoß“, das umgangssprachlich auch als Naschi-Waschi oder meine Tante, deine Tante bezeichnet wurde.
Möchtest du einen authentischen und echten Einblick in eine Welt haben, die dir sonst verborgen bleibt, empfehlen wir den Dokumentarfilm „Aufzeichnungen aus der Unterwelt“. Er nimmt dich nicht nur mit auf die Reise zu den Gangstern, er zeigt dir auch die unverblümte Wahrheit, die Alois Schmutzer und Kurt Girk vor der Kamera auspacken. Beide gehörten zur Szene wie kaum ein anderer und beide verbrachten viele Jahre in Haft, da sie am Spiel „Stoß“ teilnahmen.

Was es mit dem Kartenspiel „Stoß“ auf sich hat

Kartenspiele gibt es wie Sand am Meer, um „Stoß“ ranken sich aber zahlreiche Mythen, was das Spiel in Verruf gebracht hat. Es wird vor allem mit der Unterwelt Wiens und dem dortigen Rotlichtmilieu in Verbindung gebracht, außerdem ist es streng verboten. Und so funktioniert Stoß:

  • Die Spielergemeinde besteht aus einem Banker und den übrigen Spielern.
  • Zwei Bierdeckel werden an den Ecken mit den Zeichen: „A-K-7-8“ (erster Deckel) und „O-U-9-10“ (zweiter Deckel) beschriftet.
  • Der Banker nimmt zwei Karten (Einwender und Schuss).
  • Sobald sich die beiden oder auch nur eine Karte mit den acht Bierdeckelpositionen decken, gehen die Einsätze verloren, die auf die erste Karte gemacht wurden. Mit 1:1 Gewinn werden die Einsätze auf Karte zwei belohnt. Die Spieler können jetzt erhöhen, aber nicht verringern.
  • Gespielt wird bis 14 Abzüge vollzogen sind, dann startet die Runde neu.

Die Regeln sind nicht außergewöhnlich, bei Glücksspielen geht es oft darum, Ergebnisse vorherzusagen. Auch das Spiel „Pharo“ funktioniert auf ähnliche Weise. Allerdings hat Stoß einen erheblichen Bankenvorteil von rund 6,56 %, was die Gewinnchancen für die Spieler stark reduziert.

Die Sprache des Wiens im Rotlichtmilieu

Verglichen mit allen anderen Bundesländern in Österreich, gibt es in Wien heute noch die höchste Anzahl an Rotlichtbetrieben. Geändert hat sich allerdings die Art und Weise, wie diese betrieben werden. Noch in den 60er-Jahren war die Szenerie von Kämpfen, Rivalitäten und oft auch unaufgeklärten Morden geprägt. Heute geht es gesitteter zu. Eine Unterwelt? Gibt es nicht mehr. Wobei das auch in den 60ern gedacht wurde.
Wir wissen also nicht, ob in 30 Jahren nicht ein Film gedreht wird, der die Unterwelt der aktuellen Zeit beleuchtet. Heute braucht es das auch nicht mehr, denn in Wien gibt es genug Beschäftigungsmöglichkeiten und Veranstaltungen, die ganz legal funktionieren. Vergessen ist auch die Sprache der damaligen Zeit, die vor allem von Stoß-Spielern geprägt wurde.
Nicht nur das legendäre „Wienerlied“ war seinerzeit von großer Bedeutung (Volkslieder von Kleinkunstbühnen), auch einige Ausdrücke prägten die Zeit:

  • Das Packl: Spielten zwei Herren zusammen Schrammelharmonika und Kontragitarre und begleiteten damit einen Wienerlied-Sänger, wurden sie als Packl bezeichnet. Der Begriff hat sich bis heute gehalten!
  • Der Schmierer: Er hatte eine wichtige Rolle für die Unterwelt, da er „Schmiere“ stand. Er warnte die Stoß-Spieler, wenn die Polizei im Anmarsch war und sorgte so dafür, dass sie nicht entdeckt werden.
  • Der Saugerl: Dieser Zeitgenosse war ein echter „Blutsauger“, denn er verlieh Geld an Stoß-Spieler, nahm dafür allerdings horrende Zinsen. In der heutigen Zeit würde dieser Typus Mensch als „Kredithai“ bezeichnet werden. Wurden die ausstehenden Schulden nicht beglichen, konnte der Saugerl bzw. die für ihn arbeitenden Schergen sehr unangenehm werden.

Kurt Girk und Alois Schmutzer: Zwei Wiener Gangster im Knast

Schaust du dir den Film über die Wiener Unterwelt an, wirst du diese beiden Personen näher kennenlernen. Sie waren Freunde und sowohl bei der Polizei als auch anderen Gangstern gefürchtet. Kurt Girk widmete sich irgendwann seiner Leidenschaft, dem Wienerlied. Das nötige Kapital dafür erspielte er sich mit „Stoß“.
In den 70er-Jahren war es vorbei mit dem Lebedasein, die beiden wurden wegen Beteiligung an einem Postraub zu vielen Jahren Gefängnis verurteilt. Heute leben beide berühmt-berüchtigte Persönlichkeiten nicht mehr, du kannst sie im Film „Aufzeichnungen aus der Unterwelt“ aber noch einmal sehen.

Fazit: Das Wien der 60er-Jahre hat eine beeindruckende Geschichte

Gefährlich, düster und alles andere als angenehm – die Rotlichtszene Wiens war nicht immer ein Stück Kultur. Dennoch lohnt es sich, zumindest auf der Mattscheibe einmal diese Reise anzutreten und herauszufinden, was damals eigentlich geschah. Wir wissen ja, dass es heute anders ist und da ist es erlaubt, ein Stück düstere Kultur der Stadt zu entdecken.