13. April 2013

Zwischen Azzuro und My Way

Ein Abend in der Karaokebar

Für ein Erlebnis der anderen Art sorgt ein Besuch in der Karaokebar – garantiert. Wir waren bei “Sing your Song” in der Eschenbachgasse und haben mehr als nur Heiserkeit und den einen oder anderen Jägermeister zu viel mit nachhause genommen. 

Jahre ist es her, als ich das letzte mal die Stufen zur Karaokebar in der Eschenbachgasse herabgestiegen bin. Es fühlt sich an wie ein halbes Jahrhundert, ich war bestimmt noch in der Schule, und während ich (halbwegs) erwachsen geworden bin in der Zwischenzeit hat sich “Sing your Song” eigentlich gar nicht verändert. Noch immer stehen die selben Holztische in der kleinen Bar, noch immer ragen zwei große Röhrenbildschirme von der Decke, und noch immer findet sich hier ein illustrer Mix unterschiedlichster Personen. Letzte Woche war ich Bowlen, diese Woche ist die Zeitreise etwas gigantischer, und das in fast jeder Hinsicht.

 

Die “My Way” und die “Girls Just Wanna Have Fun” Fraktion

Bleiben wir kurz beim illustren Mix: auf der einen Seite aufgedrehte Grüppchen, die man oft in Karaokebars findet, die Jungesellinnen, die Sponsionsgesellschaften, die Geburtstagskinder. Und dann wiederum die Stammgäste, die oft schon seit Jahren die selben Lieder trällen, und schon mal mit ziemlich souveränen Performances überraschen. Ich gehöre da eher zur Spaßfraktion, und nach jahrelanger Karaoke-Abstinenz bin ich zugegebenermaßen sogar etwas aufgeregt, während für andere so ein Besuch in der Karaokebar eher zu Unwohlsein führt. Das sind dann die, die in der Ecke sitzen, ihren FreundInnen gelangweilt zusehen, und hoffen, dass der Abend bald vorbei ist. Auch verständlich, muss ja nicht jeder mögen, und manche Auftritte sind wohl für das Publikum ohne einen gewissen Alkoholpegel schwer zu ertragen.

 

Der Pegel 

In der Karaokebar finden tendenziell diejenigen zusammen, die dezidiert zum Feiern gekommen sind, was auch den Effekt hat, dass der durchschnittliche Alkoholpegel eher an Großraumdisco als an Bar erinnert. Manche Auftritte leiden dann doch sehr unter dem Alkoholeinfluss, auf der anderen Seite wird das Publikum auch gnädiger, je später der Abend. Was nüchtern höchstens zu beschämten Wegblicken führt, kann nach zwei, drei Gläsern durchaus unterhaltsam sein, und so wächst man im Laufe des Abends zusammen, brüllt mit Begeisterung die Namen anderer Amateur-SängerInnen und landet schon mal unerwartet als Duett-PartnerIn auf der Bühne.


Pop am Laufband

Es wäre ja kein Artikel über eine Karaokebar, wenn ich nicht das Wichtigste erwähnen würde, den Grund, warum wir heute hier sind: Natürlich wollen wir singen, wenn schon, denn schon. Klingt einfach, ist es aber nicht, denn zwischen dem ersten Spritzer und dem ersten Song liegen Hürden. Beginnen wir bei der Songauswahl: Gefühlte 20kg hat die dicke Mappe, in der die Songauswahl aufgelistet ist, von A bis Z, international und national, DJ Antoine und Frank Sinatra. Währenddessen singt man auf der Bühne Klassiker, große Popsongs, oder lustige, manchmal melancholische, was dann etwas die Stimmung drückt. Zwischen den Auftritten spielt der “DJ” Popmusik, wie man sie sonst nur im Radio hört. Hat man sich dann mal entschieden, für Total Eclipse of the Heart zum Beispiel, dann gleich die nächste Hürde: Die Liste ist geschlossen, wird erst in einer halben Stunde wieder eröffnet, und auch dann dauert es noch ein bisschen, bis man dann wirklich dran ist.

Endlich auf die Bühne geschafft, höchstwahrscheinlich schon mit dem einen oder anderen Promillchen, kennt der Spaß kaum mehr Grenzen. Auch unter starken Alkoholeinfluss weiß man, dass es grauenhaft klingt, und dass der DJ gerade die Originalstimme etwas lauter dreht, und das Mikro etwas leiser. Aber das macht gar nichts – immerhin hat man über Songs hinweg andere SängerInnen angefeuert, und so steht man auch mit krächzender Stimme nicht alleine da, auch dann nicht, wenn man das Publikum mit äußerst vielen Ohhhhs und Uhhhhhs quält.


Nach Hause gehen empfohlen

Es ist leicht, in der Karaokebar Spaß zu haben – immerhin gibt es hier so viele Möglichkeiten! Singen, Mitsingen oder Grölen, Jubeln, Tanzen, Anfeuern. Furchtbare Fotos machen, die dann irgendwie den Weg ins Web 2.0 finden, oder trinken. Die Karaokebar ist so etwas wie ein Paralleluniversum, in der es keine Arbeit am nächsten Tag gibt, hier ist man nicht reserviert, nicht schüchtern – wenn man sich auf die Karaokebar einlässt, dann kann das schon mal zu ziemlich langen Abenden führen. Gut, dass unter der Woche um 2:00 Uhr Schluss ist. Nach Hause gehen ist also empfehlenswert – denn irgendwann muss dann wirklich Schluss sein.

Eine Übersicht über die Wiener Karaokebars haben wir übrigens hier für euch.

Therese Avila Kaiser

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