28. Oktober 2017

Zeitumstellung – weil das Leben sonst zu kurz ist

Sonnenaufgang (c) STADTBEKANNT

Sommerzeit – Winterzeit

Warum wir heute eine Stunde mehr Zeit gegen eine Stunde mehr Dunkelheit eintauschen, was sich mit den gewonnenen sechzig Minuten anfangen lässt und wie hoch der Preis ist, den wir dafür zahlen.

Irgendwann ist es dann jedes Jahr so weit: die Abende werden kürzer, draußen sitzen funktioniert nicht mehr leicht und locker im T-Shirt, stattdessen werden dicke Westen aus hinteren, längst vergessenen Winkeln des Kleiderschrankes hervorgeholt. Es regnet. Eigentlich immer. Und wenn einmal doch nicht, dann ist die Luft trotzdem feucht, und der Wind, diese einst laue Sommerbrise, wurde über Nacht zu einem eisigen Orkan. Dennoch: ab und zu schafft es die Sonne noch, den grauen Nebel am späten Nachmittag zu verdrängen, plötzlich hat es knapp zwanzig Grad, die Hoffnung ist wieder da, die Hoffnung, dass der Winter dieses Mal doch nicht so schlimm werden wird.

 

Eine Stunde kann endlos sein

Knackpunkt ist jedes Mal ein Sonntag irgendwann im Oktober, an dem wir die Uhren wieder auf die sogenannte Normalzeit zurückdrehen. Eine Stunde gewonnene Zeit heißt die Versuchung, und sie verdreht unsere Köpfe, sodass wir den Mini-Jetlag nicht mehr spüren, die drohende Finsternis vergessen, Hauptsache wir haben sechzig Minuten gewonnen, mit denen man so viel machen könnte: länger schlafen. Zum Bäcker radeln und ein schönes Frühstück zubereiten. Den Schweinehund besiegen und laufen gehen. Im Internet einen Sommerurlaub buchen. Mutter und Vater anrufen und ihnen die geschenkte Zeit schenken. Ordnung in den Emailposteingang bringen. Die Steuererklärung machen. Draufkommen, dass man für die Steuererklärung viel länger als eine Stunde benötigt. Die ersten Sätze des Buches schreiben, mit dem man schon so lange beginnen wollte. Wem all das zu anstrengend erscheint: Eine Folge auf Netflix geht sich auf jeden Fall aus. Ob die Serienproduzenten wohl auch an die Zeitumstellung gedacht haben?

 

Finster ist der Mond schien helle

Egal, was wir mit der zusätzlichen Stunde machen, der Preis den wir für sie zahlen ist schrecklich hoch, und wir werden ihn die nächsten Monate abbezahlen. An einem Sonntag ist das ja alles lustig, man muss eh nicht raus und im Schlafzimmer braucht man ohnehin kein Licht. Doch dann kommt der Montag, plötzlich ist es mitten am Tag stockfinster, abends gehen wir aus dem Büro und sehen die Hand vor den Augen nicht mehr. Statt erfrischendem Bier muss ständig klebriger Glühwein gesoffen werden, und zwar innerhalb von Minuten, bevor er auskühlt und endgültig ungenießbar wird. In zwei Monaten ist allen ernstes Weihnachten. Der Winter ist Realität geworden, auch wenn eigentlich noch Herbst ist, doch den gibt es in Wien bekanntlich nicht, sondern nur eine lange, dunkle Ewigkeit. Bis dann in einem halben Jahr auf die Sommerzeit zurückgestellt wird und wir die geborgte Stunde wieder hergeben müssen. Dann aber im Austausch gegen Sonne, Freibad und Bier trinken im Park. Wir freuen uns jetzt schon.

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