29. Juli 2015

Wiens Fiaker, die unbekannten Wesen

Stephansplatz (c) STADTBEKANNT Nohl

Ein Hauch von Nostalgie

Wiens Fiakerfahrer gehören zu den großen Mysterien der Stadt, denn als Nicht-Touristen nimmt man sie meist nur aus respektvoller Ferne wahr.

Schließlich ist der Spaß mit dem Fiaker durch Wien zu gondeln alles andere als billig. Mit 55 Euro für die kleine Stadtrundfahrt muss man schon rechnen und wenn man nicht gerade heiratet oder Kinder im vorschulpflichtigen Alter hat, die gerne mal mit den Pferdis fahren wollen, dann gehören die Fiakerfahrer zu den Gesellschaftsgruppen, die man nur vom Sehen kennt.

Etwas, das man vielleicht aus der Ferne bewundert, für ein Relikt längst vergangener Zeiten hält, oder einfach nur zur Kenntnis nimmt, wie Reiseführer, oder die Menschen in den Mozartkostümen, die ja auch die wenigsten Wiener  näher kennen.

Für uns ein Anlass uns zu fragen: was hat es eigentlich auf sich mit den Wiener Fiakern?

Schon beim Begriff fängt das Mysterium an, denn was ist so ein Fiaker eigentlich? Der Begriff leitet sich von der Rue de Saint Fiacre ab, in der ab dem 17. Jahrhundert Kutschen gegen Entgelt Menschen beförderten. Rasch breitete sich der Begriff auch im deutschen Sprachraum aus und wurde zum Synonym für Lohnkutscherei. Ebenso rasch wurde er jedoch durch die Droschke ersetzt und nur im süddeutschen Raum, in Österreich, aber auch in Serbien und Tschechien hielt sich der Begriff des Fiakers.

Die Fiaker erfreuten sich rasch großer Beliebtheit als Transportmittel im urbanen Raum, welche im 19. Jahrhundert, bevor die Motorisierung um sich Griff, ihren Höhepunkt erreichte. Wir dürfen uns Europas Metropolen damals mit einigem Recht als von Pferdemist vollends zugesch***** vorstellen. In London gab es um 1870 die Prognose, dass, wenn das Bevölkerungs- und Droschkenwachstum weiter anhält, bis zum Jahr 1900 die Stadt einen halben Meter tief im Pferdemist versinken würde. Das Eintreffen dieser Prognose hat die Motorisierung verhindert, wofür wir ihr an dieser Stelle unser aller herzlichsten Dank aussprechen möchten.

Fiaker (c) stadtbekannt.at
Fiaker (c) stadtbekannt.at

Pferdemist heute

Der Mist ist überhaupt ein großes Thema rund um die Wiener Fiaker. Inzwischen sind in Wien die sogenannten „Pooh-Bags“, Windeln für die Pferde, Pflicht. Bislang konnte man sich von der Verpflichtung diese zu installieren freikaufen. Die Wiener Stadtregierung möchte das jedoch zukünftig unterbinden. Zusätzlich erhalten die Fiaker Fahrtenbücher und Nummerntafeln. Die Pferde sollen zumindest eine Stunde Ruhepause pro Arbeitstag erhalten, die auch im Fahrtenbuch zu notieren ist.

Damit soll das wohl größte Ärgernis aus Sicht der meisten Wiener nun der Vergangenheit angehören. Bleiben als weitere Gründe für Unmut noch die Verkehrsbehinderung aus Sicht vieler Autofahrer und der Tierschutz, auf den wir noch zu sprechen kommen werden.

Unter Fiakerfahrern sind vor allem die Standorte heftig umstritten, auch das wird gesetzlich neu geregelt. Alle Gefährte bekommen eine rote oder grüne Karte, mit der einen dürfen Stellplätze an geraden, mit der anderen an ungeraden Tagen angefahren werden. Das entlastet den Streit um die Standplätze und dient auch dem Tierschutz, da damit verhindert werden soll, dass Gefährte und die sie ziehenden Tiere jeden Tag im Einsatz sind. Apropos Einsatz: die Stellplätze dürfen nur in der Zeit zwischen 10:00 und 22:00 Uhr angefahren werden.

 

Berufswunsch Fiakerfahrer

Im Gegensatz zum Berufswunsch Lokomotivführer, träumen nur recht wenige Kinder davon, später einmal Fiakerfahrer zu werden. Einige werden es später aber doch, in Wien zur Zeit etwa rund 100 Personen. Mehr als ein Drittel davon sind inzwischen Frauen.

Wer gerne Fiaker werden möchte, braucht dafür eine Konzession und muss eine Fahrdienstprüfung absolvieren. Auch kann man nicht einfach wie einen der Hipstergott kleidungstechnisch erschuf, einen Fiaker lenken, nein, die traditionelle Kleidung ist Vorschrift und ebenfalls amtlich geregelt. Wer eine Fiakerkonzession haben will braucht Pferd und Kutsche – wie sollte es auch anders sein. Auch ein Stall ist Vorschrift, dazu braucht man nicht nur ein, sondern gleich mindestens zwei Pferde und allerlei Gutachten (zum Beispiel über eine Kotauffangvorrichtung, eine Haftpflichtversicherung und ein Leumundszeugnis).

Strizzi und Fiakerfahrer zu sein, wie es das Klischee nahelegt, geht also nicht so wirklich, höchstens als braver Strizzi erhält man nämlich die Genehmigung zum Fiakerfahren. Zuständig ist übrigens die MA65, falls unsere Leser auf den Geschmack gekommen sein sollten.

 

Fiaker wissenschaftlich untersucht

Die Stadtpsychologie hat die Wiener Fiakerfahrern sogar zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung gemacht . Mit 34 von ihnen führte die Psychologin Cornelia Ehmayer qualitative Interviews durch und erstellte daraus eine Studie.

Die Ergebnisse zeigen eine prekäre Situation der Wiener Fiakerfahrer. Die Anstellungs- und Einkommenssituation bewegt sich häufig auf Tagelöhnerniveau, die Konkurrenz um die lediglich 58 Stellplätze in der Stadt ist massiv und daraus resultierend, das Klima zwischen den Fahrern häufig vergiftet.

Die Touristen schätzen das Angebot zwar sehr, die Wiener aber überhaupt nicht, ihnen täten vor allem die Tiere leid. Wohl auch deshalb wissen viele Fiakerfahrer nicht, ob es ihren Beruf in zwanzig Jahren noch geben wird.

Mit dem neuen Gesetz entspannte sich aber zumindest die Problematik um die Stellplätze.

Fiaker Pferde (c) STADTBEKANNT Nohl
Fiaker Pferde (c) STADTBEKANNT Nohl

Weitere Fakten um die Wiener Fiaker

Wiens Fiakerpreise sind übrigens amtlich geregelt. Wer auf Grund unseres Berichts Lust bekommen hat, selbst ein Mal hoch zur Kutsche Wien zu erkunden, kann zwischen drei Stadtrundfahrten wählen. Um 55 Euro gibt es die kleine Rundfahrt, die 15 bis 20 Minuten dauert. Die zweite Fahrt um 80 Euro ist dann schon 35 bis 40 Minuten lang und umfasst einen größeren Teil des ersten Bezirks. Wer sich etwas gönnen möchte, wählt die einstündige Rundfahrt um 110 Euro, die große Teile des ersten Bezirks und Teile des Rings umfasst. Alle Preise verstehen sich übrigens pro Fiaker und nicht pro Person.

Fiakerfahrer arbeiten oft bis zu 16 Stunden am Tag – auch eine Erkenntnis der Stadtpsychologie – zu Ruhm bringt es heutzutage trotzdem kaum noch einer von ihnen. Früher war das anders, die Fiakerfahrer galten häufig als Originale und etliche von ihnen wurden in Liedern besungen, das bekannteste davon ist wohl das Fiakerlied.

 

Fiaker und Tierschutz

Häufig wird im Zusammenhang mit den Fiakern auf das Leid der Tiere verwiesen. Viele Wiener haben Mitleid mit den Pferden und in der Tat scheint auch einiges nicht zum Besten bestellt zu sein, bei vielen Fiakerbetrieben. Nicht ohne Grund wurde mit dem neuen Gesetz der Tierschutz verstärkt. In Wien kommt es seit Jahren immer wieder zu heftigen Debatten über die Arbeitsbedingungen der Vierbeiner. Forderungen nach Fahrverboten bei Glatteis sowie auch nach kürzeren Stehzeiten an unbeschatteten Standplätzen im Sommer  wurden immer wieder laut. Die Grünen setzten sich deshalb dafür ein, dass die Pferde bei über 30 Grad “hitzefrei” bekommen sollten. Hierzu gibt es mittlerweile aber sehr strenge Auflagen, die unter anderem vorsehen, dass bei hohen Temperaturen jeden Tag ein Amtstierarzt zur Kontrolle vorbeikommen muss.

Aktuelle Missstände bei Fiakerbetrieben zeigt beispielsweise der VGT (Verein gegen Tierfabriken) auf. Die vorgefundenen Missstände betreffen die unsachgemäße Haltung, eine schlechte Behandlung der Tiere, zu wenig Kontrollen und zu geringe Strafen. Vor allem die letzteren beiden Punkte sollen sich mit dem neuen Gesetz ändern.

Fazit

Die Fiaker sind ein Relikt einer untergegangenen Zeit, sie fungieren schon längstens nicht mehr als Nahverkehrsmittel . Zumindest bei Touristen erfreut sich der Beruf, der durchaus ein harter Broterwerb ist, jedoch größter Beliebtheit. Sofern Tierschutzrichtlinien eingehalten werden, sollten vielleicht also auch die Wiener ihr goldenes Herz auch wieder ein bisschen den Fiakerfahrern öffnen. Etliche sind nämlich längst in der modernen Zeit angekommen und geben auf ihren Homepages Einblick in das Leben der Fahrer, Betriebe und Tiere.

 

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