10. November 2016

Wenn Obama zu Trump wird

Amerika USA Mode (c) STADTBEKANNT Hofinger

Ein Kommentar zur amerikanischen Präsidentschaftswahl

Es ist der 4. November 2008, am Campus der University of Connecticut, an der ich ein Semester lang Deutsch unterrichtet habe. Barack Obama ist soeben zum vierundvierzigsten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden. Die Energie seiner Bewegung, ja jedes Wort seiner Siegesrede scheint über dem weitläufigen Campus nachzuhallen. Ein von Freude und Alkohol beschwingter Student reckt seine Bierflasche gen Himmel und schreit mir ein brüderliches „Yes we can“ entgegen. Wir alle sind vereint in dem Bewusstsein, dass der Welt soeben etwas Großartiges passiert ist, und dass Amerika für die nächsten Jahre ein besserer Ort sein wird.

Katernacht

Fast genau acht Jahre später am 9. November 2016, dem Morgen danach: Auch in dieser Wahlnacht ist in Amerika viel getrunken worden, aber der Kater ist einer der richtig üblen Sorte, und er wird zumindest vier Jahre andauern. Diesseits des Atlantik zeigt der erste morgendliche Griff zum Smartphone nicht das erwartete Bild einer lächelnden Präsidentin Hillary Clinton, sondern die Teufelsfratze des triumphierenden Donald Trump. Es muss festgehalten werden, dass Trump bei dieser Wahl der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Auch seine Rhetorik war rückblickend gewählt genau das, was die vom Establishment frustrierte amerikanische Bevölkerung hören wollte. Ganz nach dem Motto: lieber ein frauenverachtender, rassistischer Rüpel im weißen Haus als eine Frau, die es sich seit Jahrzehnten in Washington richtet, eine aalglatte Politikerin, die genau das repräsentiert, was nicht nur die USA, sondern die ganze Welt verachtet. Nachher ist man immer gescheiter, aber das Hillary Clinton zumindest für diese Wahl eine Fehlbesetzung von größtmöglicher Tragweite war, muss spätestens jetzt all ihren millionenschweren Kumpanen bewusst sein, die sie in der Vorausscheidung an Bernie Sanders & Co vorbei getrickst haben. Jeder, der sich für das Amt des amerikanischen Präsidenten realistische Chancen ausrechnet, hat Dreck am Stecken, ansonsten wäre er nicht so weit gekommen. Wenn der Dreck aber schon derart zum Himmel stinkt wie im Fall von Hillary Clinton, dann erscheint eine Nominierung geradezu fahrlässig. Darüber hinaus verzeihen einem Donald Trump seine Wähler jeglichen Skandal, weil sie sich trotzdem von ihm verstanden fühlen, weil er ihnen mit seiner Bierzeltrhetorik aus dem Herzen spricht. Eine Hillary Clinton hingegen kann sich nicht auf ihre Ausstrahlung, ihr Charisma oder ihre Menschennähe verlassen, sie wird genauso kühl und nüchtern evaluiert, wie es die Stimmung ihrer Wahlkampfreden war. In dieser Evaluierung ist sie gnadenlos durchgefallen. Trumps dagegen hat mit seinem einzigen Programmpunkt, dass er es denen in Washington zeigen möchte, dass er ein Außenseiter auf der politischen Landkarte ist, den Sieg gegen einen ausgefuchsten Politprofi eingefahren. Trumps Sieg ist eine Niederlage der Politik, er zeigt uns, dass die wichtigste Demokratie der Welt es in Kauf nimmt, einen Pausenclown zum Präsidenten haben, solange er nur ja kein Politiker ist.

No we can´t

Auch wenn viele seiner Vorhaben schlussendlich gescheitert sind oder Kompromisse gefunden werden mussten, war Barack Obama ein einzigartiger Glücksfall für sein Heimatland und für die ganze Welt. Vielleicht haben wir naiv damit gerechnet, dass das Land der unbegrenzten Möglichkeiten noch viele weitere Obamas zur Verfügung hat, irgendwo da draußen in den Weiten Iowas. Wahrscheinlich gibt es sie sogar, doch sie haben keine Chance, in dem Milliardengeschäft Wahlkampf die nötige Form von Aufmerksamkeit zu generieren. Wer sich jetzt in Europa abputzt und sich sogar in Schadenfreude für die blöden Amis badet, ist genauso ignorant wie alle diejenigen, die Trump tatsächlich gewählt haben. Wir befinden uns inmitten einer weltweiten nationalen Bewegung, die nicht mehr „Yes we can“ lautet, sondern die eine Rückbesinnung auf Nationalstaaten und Isolation im Herzen trägt. Rechtspopulismus ist dieser Tage das erfolgversprechendste politische Programm und es bedarf keiner talentierten Politiker oder großer Rhetoriker, es reichen schon ein Trump, Strache oder Nigel Farage zum Sieg. 2016 war kein gutes Jahr für die Weltpolitik – es bleibt zu hoffen, dass es irgendwo da draußen doch einen neuen Obama gibt, der den Pausenclown ablösen wird.

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