28. Mai 2010

„Wenn du dann noch die ganze Uni-Organisation am Hals hast und dich drum prügeln musst, damit du im Hörsaal sitzt…Also ich finde das schlimm.“

Den ersten Teil des Interviews findet ihr hier.

Stadtbekannt: Nachdem du jetzt auch an der Uni Wien studierst: Wie findest du die Situation an der Uni Wien?
Reez: Ich mache dieses Studium (Anm. d. A. PR-Master), weil die Situation so schlecht ist an der Uni. Ich habe überlegt den normalen Master in Publizistik zu machen und dachte mir dann: Nein. Das ist überfüllt, ich komme nirgends rein, ich studiere dann nicht zwei Jahre für meinen Master sondern wahrscheinlich vier Jahre, muss mich total abmühen. Also ich finde es schlimm. Ich bin froh, dass ich arbeiten gehe und das Geld habe, das ich zahle, dass ich die Uni so leicht wie möglich machen kann, weil es mit dem Studium genug zu kämpfen gibt: Prüfungen und Dinge die du vorbereiten musst. Wenn du dann noch die ganze Uni-Organisation am Hals hast und dich drum prügeln musst, damit du im Hörsaal sitzt…Also ich finde das schlimm.

Stadtbekannt: Sind Studiengebühren für dich auch keine Lösung?
Reez: Wenn man dafür eine Leistung bekommt, dann sind die ca. 360 Euro im Semester leistbar, weil ich denke mir jeder kann irgendwie arbeiten gehen. Wenn man aber zahlt und keine Leistung bekommt, das gibt es nirgendwo anders. Hier zahle ich auch für meinen Tee und bekomme ihn. Momentan ist es wie wenn ich sage ich will einen Tee, zahle drei Euro und krieg nix. Es müsste entsprechende Leistungen geben und wenn es keine Leistungen gibt kann man auch nicht verlangen, dass man dafür zahlt.

Stadtbekannt: Dürften bei höherer Leistung auch die Gebühren höher sein?
Reez: Ich glaube nicht, nein. Die meisten Studenten arbeiten Teilzeit oder wohnen zu Hause. Da kann man nicht verlangen, dass sie so viel Studiengebühren zahlen. Vor allem investieren die Leute ohnehin in ihre Ausbildung, damit sie dann am Markt sinnvoll eingesetzt werden können. Man kann nicht vorher verlangen, dass sie immense Studiengebühren bezahlen.

Reez Wollner kritisiert die Jugendkampagnen der Parteien Stadtbekannt

Stadtbekannt: Österreichische Parteien und Politiken behandeln, mit wenigen Ausnahmen, das Internet recht stiefmütterlich. Glaubst du sie unterschätzen es oder kennen sie sich zu wenig aus?
Reez: Was mich wundert, die ÖVP hat den ganzen Superpraktikantenwahlkampf im Web 2.0 aufgezogen, sie haben gemeint sie haben sehr viel gelernt und sie wollen das auch nutzen, aber bis jetzt haben sie es eigentlich nicht getan. Mich wundert es selbst auch, dass die ganzen Politiker es nicht nutzen. Jede Firma nutzt es, jeder nutzt es für sich persönlich. Warum soll man es als Politiker nicht nutzen. So nah kommst du sonst an die Leute nicht heran wie online.

Stadtbekannt: Würdest du als Werberin den Politikern Tipps für Verbesserungsmöglichkeiten geben.
Reez: Wenn sie an mich herantreten würden. Letztens haben wir auch im Internet sämtliche Parteien und Minister durchgeschaut, was sie so machen. Und da ist nichts bis wenig.

Stadtbekannt: Können Social Network-Profile auch peinlich sein, wenn beispielsweise 60-jährige Politiker sich auf Party-Photos präsentieren.
Reez: So was darf man auf keinen Fall reinstellen. Es muss schon glaubwürdig sein. Dann wenn ein 60-jähriger auch Themen hat, mit denen er die Jugend ansprechen kann oder die Zielgruppen die auf Facebook zu finden sind. Ich habe erst heute wieder gesehen, dass zehn Prozent der über 60-Jährigen auch auf Facebook sind. Ich habe die Statistik leider im Büro.

Stadtbekannt: Wie sieht es mit der politischen Jugendarbeit aus? Viele arrivierte Parteien glauben augenscheinlich diese erschöpfe sich darin auf Parties zu gehen und sich mit vielen Leuten photographieren zu lassen.
Reez: Das hab ich auch während meiner Woche kritisiert. Man muss schon aktiv auf die Jugendlichen zukommen und die Themen präsentieren und sie darauf aufmerksam machen. Weil nur über Partiefotos oder was auch immer, man kommt nicht zu den Leuten, außer es interessiert die wirklich. Aber ich glaube da brauchst du dann schon das politische Umfeld.

Stadtbekannt: Warum dieser Fokussierung auf unpolitische Themen wenn man mit Jugendlichen spricht?
Reez: Das versteh ich auch nicht, weil es beiden Seiten nichts bringt. Den Jugendlichen eigentlich um so weniger. Weil wenn man jugendliche dazu bringt sich für die Themen zu begeistern, dann setzen sich die dafür ein und verbreiten sie weiter. Eigentlich sollte das schon ein Ziel jeder Partei sein.

Stadtbekannt: Halten die Parteien die Jugendlichen, provokant gefragt, für ein bisschen dumm?
Reez: Ich bin mir nicht sicher… Also für dumm darf man eigentlich keinen halten, oder?

Stadtbekannt: sollte man nicht!
Reez: nein sollte man nicht (lacht)

Reez Wollner gründet eine Partei. Hier findet ihr das „Parteiprogramm“.

Stadtbekannt: Du hast ja im Namen der PIPÖ selbst schon einige Forderungen aufgestellt. Gibst du einem Tier ein Zuhause?
Reez: Ja sicher, einer Katze.

Stadtbekannt: Würdest du jetzt auch ein Rhinozeros bei dir aufnehmen, wenn es ein Zuhause braucht?
Reez: Nein, damit sind Haustiere gemeint natürlich. Also ich kümmere mich zum Beispiel auch um die Katzen meiner Nachbarin und hab vor ein paar Monaten einen Hund auf der Mariahilferstraße aufgeklaubt und ihn nach Vösendorf ins Tierheim gebracht. Da ich selbst mit Tieren aufgewachsen bin, denke ich mir es wäre schön, wenn die Tiere nicht im Tierheim sein müssten, sondern ein Zuhause hätten.

Stadtbekannt: Wie findest du in diesem Zusammenhang eigentlich den Wiener Hundeführerschein?
Reez: Ich finde das gut. Denn wer Verantwortung für ein Lebewesen übernimmt sollte dazu bereit sein.

Stadtbekannt: Wie stellst du dir eigentlich den Führerschein für werdende Eltern vor?
Reez: Es gibt für jeden Scheiß einen Führerschein, warum eigentlich nicht für die wichtigste Sache der Welt? Ich denke schon, dass es da eine gewisse erzieherische Vorbereitung geben sollte. Ich wohn im Dreiundzwanzigsten und mein Bruder und ich waren eigentlich die einzigen Kinder die ins Gymnasium gegangen sind und da erlebest du viel mit von den Leuten und die Kinder sind teilweise echt missgeraten durch die Eltern, weil die nicht fähig waren diese Kinder zu erziehen und das ist traurig.

Stadtbekannt: Wie steht’s mit dem 24-Stunden-Supermarkt. Die primäre Frage ist wohl, ob es den MitarbeiterInnen zumutbar ist?
Reez: Nicht jeder Supermarkt sollte so lange offen haben, aber vielleicht gewisse. Weil ich kennen auch viele Leute die bis spät in der Nacht arbeiten und irgendwie ihre Nachbarn dir Freunde anrufen müssen und fragen kannst mir was besorgen? Wegen den Mitarbeitern das kann man nicht per Gesetz beschließen, es sollte eigentlich jeder Supermarkt selbst entscheiden dürfen.

Reez Wollner ist eine begeistere Leserin

Stadtbekannt: In deiner wenigen Freizeit liest du ja offenbar recht gern. Aufgefallen sind uns „Die Physiker“ von Dürrenmatt als Lieblingsbuch in deinem Facebook-Profil. Warum gerade dieses Buch?
Reez: Ich hab’s schon ein paar Mal im Theater gesehen und finde die Vorstellung einfach faszinierend, dass sich normale Menschen freiwillig in die Psychiatrie begeben und vorgeben sie sind gestört.

Stadtbekannt: Stellst du auch Beziehungen zu deinem Leben, oder zur Weltlage insgesamt her.
Reez: Man gibt schon oft vor jemand zu sein, der man nicht ist, um einen Vorteil daraus zu ziehen. Das macht jeder, oft unbewusst oder auch bewusst, je nachdem. Ich denke da an Facebook-Auftritte, von vielen Leuten. Ich nehm mich da jetzt gar nicht aus. Man stellt sich da ja oft so dar wie man gerne wäre und nicht wie man eigentlich ist. Da kann man vielleicht die Parallelen ziehen. Also ich hab mir das Buch schon lange geholt bevor es Facebook gab (lacht).

Stadtbekannt: Was liest du sonst noch gerne?
Reez: Also am liebsten lese ich Krimis, davon hab ich ganze Bibliotheken

Stadtbekannt: Aber Dürrenmatt klingt ein kleines Bisschen besser im Profil?
Reez: Ich merke mir Büchernamen einfach sehr schlecht. Die Bücher bekomme ich immer von meiner Mama und dann lese ich sie meistens in zwei, drei Tagen, weil es mich dann so fesselt. Ich habe ein schlechtes Gedächtnis. (lacht)

Reez Wollner über Wien

Stadtbekannt: Weil wir ein Wiener Stadtmagazin sind: Gibt es Plätze in Wien an denen du dich besonders gerne aufhältst. Irgendwelche Geheimtipps vielleicht?
Reez: Ich habe erst vor kurzem ein neues Lokal entdeckt, „Zur Sopherl“ da war ich letzten Samstag Frühstücken. Schmeckt sehr gut. Und Petzis Fundtruhe, der Flohmarkt im 23. Bezirk. Kennt ihr das? Da hab ich zum Beispiel diese wunderschöne Tasche her (zeigt uns stolz ihre Tasche), der ist wirklich ein Traum. Vor Petzis Fundtruhe gibt es auch Petzis Buffet, da sind lauter Heurigenbänke und alle Leute die dort sind haben eigentlich Dauerstandplätze. Die sitzen auf den Heurigenbänken und du schaust dich um und fragst wem das gehört und die Leute schreien raus wem das gehört. Dann kommen die Leute rein und erzählen dir auch immer irgendwelche Gschichterln. Letzte Woche habe ich zum Beispiel erfahren, dass man in Österreichangeblich Hasen zur Hochzeit schenken. Die dann schön bemalt werden und eben verschenkt. Wusste ich bislang nicht.

Stadtbekannt: Wann hat Petzis Fundtruhe geöffnet?
Reez: Freitag , Samstag, Sonntag plus Petzis Buffet. Letzte Woche gab es zum Beispiel um 5,90 faschierten Braten mit Erdäpfelpüree und Suppe sowie Kontaktgarantie mit älteren Menschen (lacht). Das ganze ist in der Ketzergasse

Stadtbekannt: Was macht man im 23. sonst so?
Reez: Es gibt im 23. leider sonst nicht viel muss ich ehrlich gestehen. Es gibt das Cape Town, oben ist das ein Cafe und unten ist es wie eine Bauerndisco. Aber das kann ich an einer Hand abzählen wie oft ich dort war, weil das ist wirklich schlimm. Es gibt halt Industrie, es gibt ein paar Schulen aber sonst? Es gibt einen Rodelberg, den Draschepark. Sonst gibt es nicht viel. Ich wohn eigentlich nur dort, weil ich halt dort aufgewachsen bin und meine ganzen Freunde dort wohnen.

Stadtbekannt: Wie geht es dir mit dem Leben im Gemeindebau?
Reez: Ich bin im Gemeindebau aufgewachsen und dort kennt man die Leute. In meiner neuen Wohnung, in die ich vor drei Jahren gezogen bin, dort kenn ich eigentlich fast niemanden aus dem Haus. Ich weiß nicht wer da wohnt. Ich würde nicht einmal erkennen, wenn jemand etwas rausträgt, ob das ein Einbrecher ist oder ein Mieter. Man kennt sich nicht. Und bei uns gibt es auch nicht so einen gemeinsamen Aufenthaltsort im Freien wie bei vielen anderen Gemeindebauten, es ist wenig kommunikativ. Es ist in Ordnung. Ich wohne sehr günstig, wohne in der Nähe meiner Freunde mit denen ich aufgewachsen bin, habe alles in der Nähe, aber sonst würde ich da nicht hinziehen.

Stadtbekannt: Wo geht Reez Wollner weg?
Reez: Ins Badeschiff gehe ich sehr gern, 90ies Club ist immer ein Highlight, oder Fluc und Fluc Wanne, Pratersauna. Ich freu mich schon im Sommer auf die Pratersauna. Gürtelbögen mag ich auch ganz gerne, B72, so die Klassiker halt. Ab und zu ins U4.

Stadtbekannt: Gehst du viel weg?
Reez: Heuer war ich, muss ich gestehen, seit der Superpraktikanten Geschichte dauernd fort Freitag, Samstag. Das ist so phasenweise. Davor war ich längere Zeit weniger fort und im Sommer gehe ich natürlich lieber weg wenn’s wärmer ist.

Stadtbekannt: Ist Wien deine Traumstadt oder würdest du lieber wo anders leben?
Reez: Die einzige Stadt, in der ich mir vorstellen könnte länger zu leben ist Stockholm. Da war ich jetzt öfters und ich finde die Stadt und die Menschen dort sehr ansprechend. Die Leute sind sehr freundlich, viel freundlicher als in Wien (lacht). Sie können top Englisch, die Lokale sind nett die Clubs auch. Am Wasser ist es sehr schön, die Leute kleiden sich schön. Eine recht junge Stadt

Stadtbekannt: Aber teuer.
Reez: Ja das essen und der Alkohol in jedem Fall. Ich frag mich ob die wirklich so viel mehr verdienen als bei uns, dass sie sich diese Preise leisten können.

Stadtbekannt: Hast du bemerkt, dass es eine Citymaut in Stockholm gibt.
Reez: Also mir ist das nicht so aufgefallen. In der Gegend wo ich unterwegs war, fahren nicht so viele Autos und es gibt eine große Straße und da fahren sie schon viel herum.

Stadtbekannt: Was wäre dir für Wien ein Anliegen? Was sollte sich an dieser Stadt ändern?
Reez: Kann ich nicht beurteilen. Ich bin eigentlich ziemlich zufrieden (lacht).

Stadtbekannt: was kann Wien besser als andere Städte?
Reez: Hm ich weiß es nicht. Allein dass jetzt die 24-Stunden U-Bahn kommt ist schon einmal ein Traum. Das gibt es ja eigentlich auch nur in zwei anderen Städten. Ich find’s bloß schade, dass es nur am Wochenende die Nacht U-Bahn gibt (lacht).

Stadtbekannt: Warum eigentlich Reez? Nennst du dich selbst Doris oder Reez?
Reez: Das ist während der FH-Zeit entstanden und ich habe jetzt auch eine eigene Homepage eingerichtet www.reez.at auf der eigentlich eh nichts oben ist.

Stadtbekannt: Wie nennen dich deine Freunde?
Reez: Es kommt darauf an, wann sie mich kennen gelernt haben. Die meisten sagen aber Reez. Ich stell mich oft sogar schon so vor (lacht). Ich habe mich auch bei der ÖVP als Reez vorgestellt, weil ich eigentlich nicht wollte, dass die Autofahrergeschichte rauskommt. (Reez’ Teilnahme an der ATV-Sendung „Österreichs schlechteste Autofahrer“ Anm. d. A.) Das hat auch lange gebraucht (lacht).

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