24. April 2020

Was macht eine Füchsin auf Twitter? Elisabeth Klar über ihren Roman Himmelwärts.

Elisabeth Klar (c) Werner Robitza

Auf Buchfühlung – Der erste Literatur Podcast Österreichs

Sylvia, die Protagonistin des Romans „Himmelwärts“, dem erst kürzlich erschienenen Roman von Elisabeth Klar, ist eigentlich eine Füchsin, die sich eine Menschenhaut stibitzt und übergezogen hat. Abends, wenn sie der Trieb zum Jagen und Spielen packt, dann kann sie sich im Himmelwärts, einer Dragbar in der Nähe der Wienzeile, bei Tanz und Trubel austoben. Hier findet sie Anschluss zu den bunten Nachtvögeln der Stadt; unter anderem zu Jonathan, dem Weltverbesserer und Träumer, der es ihr besonders angetan hat, weil er so gut riecht und vermutlich auch gut schmeckt.

Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, ist Sylvia unter anderem als Spendensammlerin für eine internationale NGO namens GlobalCare auf den Straßen Wiens unterwegs. Die Tätigkeit passt zu ihr, erklärt Elisabeth Klar im Gespräch mit Auf Buchfühlung, denn in sich drinnen ist Sylvia eine Jägerin, die sich gerne leichte Beute aussucht. Auf der Suche nach den „Easy Marks“ beweist sie großes Geschickt darin, stets jene Menschen zu finden, die ihr zuhören und sich auf ein Gespräch einlassen. Auf der anderen Seite bleibt Sylvia mit dieser Tätigkeit aber auch unentdeckt, keiner schaut ihr direkt in die Augen, keiner möchte mit ihr sprechen, sich mit ihr abgeben. Füchse sind selbst Beutetiere und daher immer auf der Hut und Sylvia ist sehr bedacht darauf, nicht aufzufallen.

Jägerin und Beutetier zugleich

An der Stelle, wo Sylivia sich versteckt und danach trachtet, unentdeckt zu bleiben, zieht Elisabeth Klar ganz bewusst Parallelen zu Themen unserer alltäglichen Welt. Die Fluchtbewegung von 2015 habe sie in ihrem Roman mitreflektiert, erzählt Elisabeth Klar, denn die Füchsin lebt ohne Papiere in Wien und damit geht es ihr wie der Rattenkönigin vom Resselpark, einer Ratte in Menschenhaut, die als Obdachlose in der U-Bahnstation unter dem Karlsplatz ihr Leben fristet. Aber es geht ihr eben auch wie zahlreichen geflüchteten Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung. Deren Leben ist wie ihres ein ständiges Versteckspiel, ein Leben auf der Flucht.

„Diese ganzen gesellschaftlichen Veränderungen“, erklärt Elisabeth Klar im Gespräch „sind für mich sehr schwierig zu verarbeiten, weil ich ganz einfach merke, wie wenig ein Menschenleben wieder wert ist. Für mich ist das eine sehr belastende gesellschaftliche Dynamik, die sich auch stark auf Himmelwärts ausgewirkt hat.“

Das Himmelwärts

Doch Sylvia hat immerhin den Sprung vom Leben im Wald zum Leben in der Wiener Innenstadt geschafft. Die Metamorphose Sylvias in eine Füchsin ist dabei nicht die einzige, die im Buch stattfindet. Es werden Tiere zu Menschen und Menschen werden zu Tieren. Identitäten sind, zumindest dort, wo Sylvia ihren Lebensmittelpunkt wählt, nicht strikt festgeschrieben. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass jene Bar, die dem Roman seinen Namen gibt, der Lieblingsort Sylvias ist. Im Himmelwärts fühlt sie sich wohl, weil sie sein kann wie sie ist, weil es dort Menschen gibt, die ihre Identität wählen und somit so sind wie Sylvia selbst. Die Drags und die LGBTIQ-Community im Himmelwärts werden zu ihrer Familie.

Ich glaube, dass wir uns wieder mehr auf die Menschenrechte besinnen sollten. Sie sind eine gute Basis für das Zusammenleben. Wenn wir wirklich davon ausgehen, dass jeder Mensch auf der Welt gleich viel Wert ist und jeder genau gleich viel Anrecht auf Glück hat, dann kann man sich auf Regeln des Zusammenlebens.

Und schließlich ist da auch noch die Handlung in Brasilien. Feo, ein Mitarbeiter der NGO Global Care, ist im Roman die Schnittstelle zur Handlung in Südamerika. Über ihn erfahren wir von den Morden an Transpersonen in Belem und vom Staudammprojekt in Altamira, im Norden von Brasilien. Jonathan, von dem Sylvia, seit sie ihn das erste Mal gewittert hat, nicht lassen kann, kommt gerade von einem Jahr aus Brasilien zurück, mit gebrochenen Herzen und einem scheinbaren Tumor am Rücken. Bald stellt sich aber heraus, dass es sich beim Tumor im Rücken jedoch um eine Gewächs ganz anderer Art handelt, und er eine Metamorphose durchlebt, die der von Sylvia sehr ähnlich ist.

Elisabeth Klars Roman Himmelwärts ist im Residenz Verlag erschienen. Auf der Facebook Seite von Auf Buchfühlung könnt ihr bis zum 30. Mai ihren Roman Himmelwärts gewinnen.

Bild: Werner Robitza

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