12. September 2015

Vom Alltag als Flüchtling

Haus Rossauer Lände Diakonie (c) STADTBEKANNT

Zu Besuch im Flüchtlingsheim

Wir waren eingeladen auf Kaffee und Kuchen ins Flüchtlingshaus der Diakonie auf der Rossauer Lände.

Habt ihr euch schon einmal gefragt, wie es ist, allein in einem fremden Land zu sein, fernab von der Familie und ohne Gewissheit, wo und wie man letztlich sein Leben bestreiten wird? So geht derzeit es vielen Flüchtlingen in Österreich, die auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten.

Einrichtungen wie das Flüchtlingshaus der Diakonie auf der Rossauer Lände geben Menschen für die Dauer ihres Verfahrens ein vorläufiges Zuhause. Gleichzeitig wird hier versucht, den BewohnerInnen ein würdiges, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und das dumpfe Warten mit Bildungsangeboten, Gemeinschaft und Freizeitangeboten zu bereichern.

Ein neues Zuhause

Das Flüchtlingshaus der Diakonie beherbergt etwa 170 Menschen, darunter viele Familien. Weil das ehemalige Krankenhaus barrierefrei ist, sind hier auch verstärkt schutzbedürftige Menschen mit körperlichen Erkrankungen untergebracht – RollstuhlfahrerInnen, Blinde, Familien mit kranken Kindern. Einige waren zuvor im überfüllten Lager Traiskirchen, wo man sich nicht adäquat auf ihre Bedürfnisse einstellen konnte.

Die BewohnerInnen kommen aus den unterschiedlichsten Ländern, von Syrien, Somalia und Afghanistan über den nahen Osten bis hin nach China, Ost- oder Westafrika reicht die Palette. Ihre persönlichen Schicksale sind so vielfältig wie ihre Sprachen.

Während manche sich rasch mit ihrer neuen Situation arrangieren können, sich motiviert in Ausbildung und Deutschkurse stürzen, brauchen andere noch Zeit, um ganz anzukommen und wieder zu sich zu finden. Traumatische Erlebnisse in der kriegsgebeutelten Heimat und nicht zuletzt die gefahrvolle Flucht nagen immer noch an ihnen.

Sorge um die Familie

Was fast alle beschäftigt, ist die Sorge um Angehörige, die nach wie vor in Krisenregionen ausharren müssen. Um die Familie legal nachholen zu können, ist nämlich ein positiver Asylbescheid notwendig – und das kann dauern. So chattet und skypt man mit der Familie, versucht wenigstens für eine kurze Weile, die Distanz auszublenden.

Laut Gesetz dürfen anerkannte Flüchtlinge Ehepartner und minderjährige Kinder auf eigene Kosten nachholen. Erwachsene Kinder sind von der Regelung ausgenommen. Manche Familien zerreißen, weil ein Elternteil bei dem erwachsenen Kind in der alten Heimat bleibt.

Das Warten mit Bildung füllen

Solange ihr Asylverfahren läuft, ist es Flüchtlingen bis auf minimale Aushilfstätigkeiten nicht erlaubt, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Sie wissen oft nicht recht, was sie mit der immer länger werdenden Wartezeit anfangen sollen.

Dank zahlreicher Initiativen von NGOs, Vereinen und engagierten Privatleuten wird aber dennoch einiges getan, um das Warten bunter zu gestalten. So gibt es etwa die Möglichkeit, einen Deutschkurs auf der Volkshochschule zu besuchen – eine Chance, die von vielen gerne angenommen wird. Wer schon ausreichend Deutsch beherrscht, kann den Hauptschulabschluss machen und somit den Grundstein für einen späteren Einstieg ins Erwerbsleben legen.

Was viele nicht wissen: Ein Gutteil der Flüchtlinge ist bereits gut ausgebildet, sie brauchen nur noch bessere Deutschkenntnisse. Ein Bewohner des Flüchtlingshauses schloss unlängst seinen Magister ab.

Für eine Weile den Alltag vergessen

Jungen Flüchtlingen schöne, bleibende Erlebnisse zu schenken ist das Ziel diverser Initiativen, bei denen Einheimische und Flüchtlinge gemeinsam Freizeitaktivitäten unternehmen. So besuchte man etwa einen Hochseilgarten – ein Spaß für alle Beteiligten! Nahegelegene Schulen bewiesen Hilfsbereitschaft, indem sie die Kinder des Flüchtlingshauses zu einem Ausflug in den Wiener Prater mitnahmen. Vonseiten der alpinen Vereine gibt es immer wieder gemeinsame Wanderungen mit Asylbewerbern, und auch Fußballbegeisterte kommen auf ihre Kosten: Rapid lädt in Zusammenarbeit mit der Diakonie immer wieder Flüchtlinge ins Stadion ein.

Wachsende Solidarität

All diese Aktionen machen Hoffnung. Denn trotz der scheinbar ablehnenden Haltung vieler Österreicher gegenüber Flüchtlingen steigt die Solidarität: Menschen bringen Sachspenden aller Art, um zu helfen, sie unterstützen Spendenaktionen wie jene von dm und Diakonie und Caritas oder der Post. Einige werden auch selbst aktiv; geben ehrenamtlich Deutsch-Nachhilfe und unterstützen Flüchtlingskinder in ihrer schulischen Laufbahn. Vereine organisieren günstige Startwohnungen für jene, die den Asylstatus erhalten und somit aus der betreuten Grundversorgung fallen. Einheimische und AsylbewerberInnen treffen sich, um zu reden, gemeinsam zu kochen, zu feiern.

Über diese gelebte Solidarität finden Einheimische und Flüchtlinge zueinander und knüpfen Freundschaften – der Grundstein für gelingende Integration. Nicht nur die Einheimischen lernen fremde Kulturen in einem neuen Licht kennen, auch die Identität der Flüchtlinge wird um eine Facette reicher. Und die Zukunft eine Spur heller …

Kommentieren

Die Emailadresse wird nicht angezeigt