30. Mai 2011

Verbot des kleinen Glücksspiels in Wien?

Manchmal passieren Dinge mit denen niemand gerechnet hätte, so auch beim Landesparteitag der SPÖ Wien. Während die Medien vornehmlich darauf fokussierten, dass Michael Häupl mit „nur“ 89 Prozent als Parteivorsitzender wiedergewählt wurde, passierten die eigentlichen Überraschungen nicht bei den Wahlen. Denn letztlich ist es fast vollkommen egal, ob FunktionärInnen mit 70, 80 oder 90 Prozent gewählt werden.

Weniger egal ist, was der Parteitag der SPÖ Wien beschließt, denn es ist absehbar, dass daraus früher oder später Politik wird, die alle WienerInnen und nicht nur SPÖ Mitglieder betrifft.

Anträge sind für Parteien in Opposition nicht besonders dramatisch. Denn was immer die Basis der Partei da beschließt, es bleibt doch weitgehend bei Forderungen. Für Parteien in der Regierung sieht das anders aus. Wenn es der Basis gelingt für Anträge Mehrheiten zu organisieren, die der Parteispitze nicht passen, wird sie trotzdem gezwungen sein daraus zumindest zum Teil Politik zu machen.

Diese Erfahrung ist auch für die SPÖ Parteispitze nicht völlig neu. Als 2007 auf Forderung der Sozialistischen Jugend (SJ) die Gratis-Öffifahrt für sozial Bedürftige beim SPÖ Landesparteitag beschlossen wurde, hatte die Parteispitze damit wenig Freude.

Völlig ignorieren lässt sich ein derartiger Beschluss aber auch nicht. So kam es, dass zwar die Gratis-Öffis mit Verweis auf die Kosten nicht umgesetzt wurden, aber seither über den Mobilpass / Sozialpass stark vergünstigte Tarife für diese Gruppe angeboten werden.

Kleines Glücksspiel verbieten?

Ähnlich wie bei den gratis Öffis verhielt es sich auch beim kleinen Glücksspiel. Auf Initiative der Sektion 8, beschlossen die Bezirksorganisationen Josefstadt und Alsergrund einen Antrag auf Verbot des kleinen Glücksspiels in Wien, wir haben berichtet.

Die Parteiführung war mäßig amused, nicht zuletzt, da die Stadt jährlich etwa 55 bis 60 Millionen Euro an Steuern über das kleine Glücksspiel einnimmt. In einer bewegenden Rede gelang es dem Vorsitzenden der Sektion 8, Nikolaus Kowall, jedoch eine knappe Mehrheit der SPÖ Wien vom Antrag zu überzeugen. Unter anderem argumentierte er: „Wenn wir über das kleine Glücksspiel sprechen, dann sollten wir uns einmal in Erinnerung rufen, wer davon überhaupt betroffen ist. (…) Das sind vorwiegend Menschen ohne höheren Bildungsabschluss und ohne höhere Einkommen, das sind die Menschen bei denen man früher einmal gesagt hat für die ist die SPÖ da.“ Die Parteiführung hätte den Antrag gerne dem Gemeinderat zur weiteren Beratschlagung übergeben, das wurde abgelehnt. Mit 302 zu 294 setzte sich dann die Fraktion der GlücksspielgegnerInnen gegen den Willen der Parteispitze denkbar knapp durch.

Da die Grünen in Wien seit jeher gegen das kleine Glücksspiel sind, müsste es jetzt eigentlich eine klare Mehrheit im Wiener Landtag für ein Verbot geben. Ganz so einfach sind die Dinge aber nicht, stellte der Bürgermeister, offenbar kein Freund des Antrags, doch klar, dass aus seiner Sicht acht Stimmen nicht über 60 Millionen Euro entscheiden könnten und man das weiter diskutieren müsse. Die Vermutung liegt nahe, dass von Seiten der SPÖ Wien Führung nun versucht werden wird, den Beschluss aufzuweichen. Ganz ohne Maßnahmen, wie eines verstärkten Spielerinnenschutzes oder ausgebauter Spielsuchtbetreuung, wird sich ein derartiger Antrag aber nicht begraben lassen.

Warum wird ein Verbot diskutiert?

„Die Spielsuchtberatung Wien spricht von 50.000 Spielsüchtigen in Wien. Damit wir uns das vorstellen können, das ist wie wenn ganz Hernals vorm Automaten sitzt“, meinte Nikolaus Kowall in seiner Rede vor dem Landesparteitag.

Spätestens seit einer von der ARGE Suchtvorbeugung am 10. Mai 2011 in Wien präsentierten Studie, liegen etliche Daten zum kleinen Glücksspiel schwarz auf weiß am Tisch. In Wien liegt laut dieser Studie der Anteil der AutomatenspielerInnen (außerhalb von Casinos) mit 2,8 Prozent deutlich über dem Schnitt anderer Bundesländer (0,1 bis 1,4 Prozent).
Automatenglücksspiele weisen das höchste Gefährdungspotential aller Glücksspielarten auf, danach folgen Sportwetten und mit deutlichem Abstand klassische Casinospiele. Besonders anfällig für dieses Glücksspiel sind Männer zwischen 18 und 35 Jahren mit niedrigem Bildungsabschluss und niedrigem Einkommen.

Unter den Nutzerinnen von Automatenspielen in Spielhallen weisen 47 Prozent ein pathologisches Spielverhalten auf, bei der nächstprobelamtischsten Kategorie, den Sportwetten, sind es „nur“ 20 Prozent.

Laut Spielsuchthilfe Wien gib es in der Hauptstadt 50.000 Spielgefährdete, die wiederum einen Großteil des Umsatzes, der mit den Automaten erzielt wird, beisteuern. In Deutschland gehen Studien von 40 Prozent der Umsätze aus, die ein Prozent ProblemspielerInnen erzeugen, es könnten aber auch mehr sein.

Die Folgekosten für die Gesellschaft sind erheblich. Wiener Spielsüchtige in Behandlung waren 2008 im Schnitt mit 41.594,- Euro, also dem 31-fachen des durchschnittlichen Nettoeinkommens verschuldet. In der Justizvollzugsanstalt für Jugendliche Gerasdorf, ist bei mehr als 50 Prozent aller Inhaftierten Beschaffungskriminalität auf Grund von Spielsucht, beziehungsweise Spielschulden, Teil des Inhaftierungsgrundes.

Was passiert jetzt?

Noch nicht zu Wort gemeldet hat sich bislang der bekannteste Anbieter des kleinen Glücksspiels in Österreich, der Novomatic Konzern, dessen Unternehmenswert auf drei Milliarden Euro geschätzt wird. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass man dort wenig Freude mit einem etwaigen Verbot des kleinen Glückspiel haben wird und den durchaus nicht kleinen Einfluss des Unternehmens geltend machen wird.

Wirklich gegessen ist das Verbot also bei weitem noch nicht. Wenn man aber die Rede von Nikolaus Kowall beim Landesparteitag der SPÖ als Maßstab dafür nimmt, ob von Seiten der Verbotsbefürworter weiter vehement auf ein Verbot gedrängt wird, dann ist klar, dass das Thema sich nicht mehr so leicht beerdigen wird lassen.

12 Kommentare

  1. Fabian fuchs

    30. Mai 2011

    Zeit wird es,
    dass diese elendsmaschinen endlich aus der Stadt verschwinden.

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  2. Natalie M.

    30. Mai 2011

    Tolle Rede, tolelr Einsatz
    hofetnlich bringt es etwas. denn die Glücksspielkonzerne sind sicher shcon heftig am lobbyieren.

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  3. Mina

    30. Mai 2011

    Das kommt überraschend.
    Aber überraschend muss ja nicht schlecht sein. Ganz tolle Aktion super!

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  4. Felix

    30. Mai 2011

    Ein Anfang,
    aber wie eh auch im Artikel steht, entschieden ist nichts. Ich fress einen Besen wenn Häupl und Co. das kleine Glücksspiel verbieten. Das werden Schlögl und Co. schon zu verhindern wissen.

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  5. Fanti

    30. Mai 2011

    Weg mit dem Dreck!
    Wäre jedenfalls gut.

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  6. Nino L.

    30. Mai 2011

    Gut gebrüllt
    hat er, der Orlando Bloom der SPÖ;-)

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  7. Mutter Theresa

    30. Mai 2011

    Tolle Initiative
    aber bringen wird es letztlich wenig. Umgesetzt wird das nämlich keineswegs.

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  8. Fabian L.

    30. Mai 2011

    @Mutter Theresa
    Sag das nicht, ohne solceh initiativen würde sich nie etwas ändern. Gewonnen ist das Verbot sicher noch nicht, aber einen Schritt näher sind wir ihm allemal.

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  9. Rolf Antirüger

    30. Mai 2011

    Change
    we can believe in! Super Sache, tolle rede. Meine Stimme hätte er, so er denn antreten würde.

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  10. Mutter Theresa

    30. Mai 2011

    @Rolf @Fabian
    Ach in ihrer Jugend waren die doch alle rebellisch. Sogar der Cap hat mal eine kritische Rede gehalten. Aber später….

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  11. Magdalena

    30. Mai 2011

    Verbieten bringt auch nciht viel
    die die spielen wollen spielen eh weiter. Oder fahren halt sonst ins Ausland zum spielen. Vielleicht könnte man die Spiele aj einfach teurer machen?

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  12. Boris Zauner

    1. Juni 2011

    "Deppensteuer" produziert Armut und Kriminalität, ist also selbst kriminell!
    Wie heißt´s doch beim Lotto?!? – Die Bank gewinnt immer!!!
    …und weiters: "Pecunia non olet?!?": …DIE Überlegung sollte der SPÖ die Schamesröte ins Gesicht treiben!!! (eigenwillige Vorstellung davon, "rot zu sein"!)

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