Im fünften Anlauf war es nun endlich soweit: Das Wiener Popfest hat sich in doppelt unterstrichenen und resolut eingekreisten Knallfarben ins Herz meines imaginären Festival-Kalenders geschmuggelt. Als Schauplatz des Gratis-Open-Airs dient auch heuer wieder der ehrwürdige Karlsplatz, der in einen farbenfrohen Reigen aus Bühnen, Bars und Standln verwandelt wurde – österreichischer Popmusik sollte eine würdige Kulisse geboten werden. Unter der Ägide einer überdimensionalen Quietsche-Ente mit FM4-Peckerl begann der Donnerstag in gemächlicher Radlerlaune auf den Stufen der Karlskirche. So manchem vorbei schlendernden Passanten merkte man seine Ratlosigkeit ob des – noch unbeschallten – Menschenauflaufs an: „Wos is do los? Wos wird do gspüt?“
Auftaktjubel
VIECH das Popfest einleiten zu lassen, war zweifelsohne eine gewiefte Slot-Strategie der Festivalleitung: Keine andere österreichische Band wäre im Stande gewesen, eine derart unaufgeregt-wohlige Aufbruchstimmung zu überzeugen wie das schräge Grazer Trio. Nach deftigem Applaus veränderte sich das Durchschnittsalter des Publikums schlagartig: Immerhin hatte der Favoritner Rapper Nazar nebst zweier grimmiger Bodyguards auch seinen eigenen Anhang mitgebracht. Orchestral unterstützt wurde sein kurzer, aber nachdrücklicher Auftritt dabei von der HipHop-Haus-und-Hof-Kapelle SK Invitational, die zuvor auch die britische Rap-Legende Blak Twang sowie danach die eindrucksvolle Slam-Poetin und Rapperin Yasmo auf die Bühne bat. Dennoch schien der Wunsch nach demonstrativer Eintracht an den unterschiedlichen Charakteren der Protagonisten zu scheitern. Dort, wo man sich gemeinsam getextete Songs gewünscht hätte, fand lediglich eine trockene Mikrofon-Übergabe statt – die frenetisch jubelnde Menge wertete das Experiment trotzdem als gelungen.
Schweiß und Spucke
Der Freitag drohte den Vortag an Besucherfrequenz noch zu überbieten, also standen die Zeichen auf Rückzug. Um der Vernunft Willen, versuchte ich mein Glück in den abgelegenen Räumlichkeiten des Festivals – und landete im reanimierten Roxy-Club. Die nach Eigendefinition „dreckigste Boygroup des Landes“ wurde ihrem Namen dort mehr als gerecht: Drk Poet, Fozhowi und Alligatorman lud die quetsch-feste Menge zum kollektiven Schweißbad. Es wurde gespuckt und geschwitzt und geschrien und geschüttet, der Ballermann ein Kinderfasching dagegen. Auch das anschließende Herumgelungere im Park hatte einen erschreckend niedrigen Kurfaktor, weswegen ich am Samstag als benommener Asket antanzte, um mir ein paar Legenden einzuverleiben: Molden, Resetarits, Soyka, Wirth – hochsympathisch dasitzende Eminenzen, die ich mir aber doch lieber in aller Konzentriertheit auf CD anhören werde. Mit 50.
Kleine Namen, großer Andrang
Die PR-Maschine des Popfest ist jedenfalls bestens geölt. Obwohl das Star-Aufgebot des diesjährigen Line-Ups gegen Null ging, trug mich der Donauinsel-artige Besucherzustand ziellos von Bühne zu Club und retour, bis ich mich völlig erschöpft in der U-Bahn am Nachhauseweg wieder fand. Schande über mich. Der wahrscheinlich einzige Wiener, der den Nino aus Wien noch nie live gesehen hat, schafft es auch diesmal nicht. Aber er kommt wieder, keine Frage.