STADTBEKANNT erkundet Hernals
Ein kurzer Winterspaziergang durch Hernalser Park, Friedhöfe, Kirche und Co. lässt den Spaziergänger zur Ruhe kommen.
Die S-Bahn fährt gemächlich ein und entlässt einen Schwall geschäftiger Passagiere auf den Bahnsteig. Niemand zeigt Interesse für den Hernalser Bahnhof – warum auch? Er steht zwar unter Denkmalschutz, schöne Gebäude sind wir in Wien jedoch gewöhnt. Interessant ist vielleicht das: Wer eine imaginäre Linie durch die Mitte des Bahnhofs zieht, markiert damit die Bezirksgrenze zwischen Ottakring und Hernals.
Milchhalle und Türkenritt
Den Schal etwas enger gezogen, die Hände tief in den Manteltaschen versenkt, verlassen wir das Bahnhofsgebäude und begeben uns auf eine kurze Winterrunde durch Hernals. Wir statten dem Kongresspark einen Besuch ab. Dass dieser 1927 auf dem Areal einer Mülldeponie entstand, merkt man glücklicherweise nicht. Einen Blickfang der großen Wiese bildet die unter Denkmalschutz gestellte Milchhalle, die wahrscheinlich zu jeder Jahreszeit ihren Charme versprüht. Sie beherbergt ein Boden-Schachbrett mit Figuren aus Ahornholz und den ein oder anderen herumlungernden Jugendlichen.
Auf der Suche nach einem wärmespendenden Lokal in der Hernalser Hauptstraße passieren wir den Türkenritthof. Seinen Namen verdankt er der das Eingangsportal krönenden Figurenplastik. Hier werden wir Zeuge eines früher jährlich stattfindenden Umzugs, der den Sieg über die Osmanen feierte. Die Plastik zeigt einen türkischen Sultan, der verkehrt auf einem Esel reitet, verspottet von kindlich anmutenden Gesichtern.
Fischgenuss
Nur ein paar Schritte weiter lockt das Fischrestaurant Bodulo mit warmen Räumen. Es erwartet einen qualitativ hochwertige dalmatinische Küche. Der Fisch kann à la carte bestellt oder aus der Vitrine ausgewählt werden. Auch wenn die Einrichtung etwas sparsam anmutet, kommt der Augenschmaus nicht zu kurz: Hier kann es schon mal vorkommen, dass ein kleiner Wagen, beladen mit einem Fisch – umgeben von einer Zentimeter dicken Salzkruste – hereingeschoben, in Flammen gesetzt und vor den Augen der Gäste zerteilt wird. Wir bestellen die Fischplatte „Bodulo“ für zwei Personen und kosten uns einmal quer durch.
Ruhestätten
Das umfangreiche Mahl schreit natürlich bald nach einem Verdauungsspaziergang. Wieder angenehm aufgewärmt betreten wir den sehr stimmungsvollen Dornbacher Friedhof. An einem Berghang gelegen, bietet er einen schönen Anblick und ermöglicht eine kleine Wanderung zum oberen Rand des Areals. Dort wird man dankenswerterweise von Sitzbänken erwartet. Wir blicken den Hang hinunter und schwelgen kurz in die Vergangenheit.
1814 wurde dieser Friedhof geschlossen, da auf Grund der wenigen Todesfälle keine Notwendigkeit mehr für ihn bestand. 1883 begann man die Anlage wieder zu erbauen. Der Dornbacher Tischlermeister Adolf Hörrmann, der am 26. Juli 1883 bei der “Einweihung des Friedhofes zugegen war”, verstarb noch am gleichen Tag. Er wurde als “erste Leiche” in dem neuen Friedhof begraben. Gleich angrenzend ruhen die Seelen des Hernalser Friedhofs. Wir beenden die Runde, indem wir den Hang durch ihn wieder hinunterspazieren und unten angekommen bald auf die Sühnekirche stoßen.
Kirche mit Herz
Auffallend sind die roten, leuchtenden Mosaik-Herzen in den großen Kirchenfenstern. Einleuchtend, dass die Kirche auch Herz-Jesu-Kirche genannt wird. Die „Kirche mit Herz“ soll auf die Barmherzigkeit Gottes hinweisen, der Sühne-Gedanke bezieht sich auf die Wiedergutmachung durch Gebet und gute Werke in Hinblick auf die schrecklichen Ereignisse des ersten Weltkrieges.
STADTBEKANNT meint
Ein winterlicher Spaziergang durch Hernals lässt einen zur Ruhe kommen: Im Park trifft man nur auf wenige Menschen, Friedhöfe und Kirchen verströmen im Winterlicht eine ganz eigene Stimmung. Es fällt leichter, sich in der Stille gedanklich in die Vergangenheit zu versetzen. Zudem lässt einen die Kälte guten Gewissens in warme Lokale einkehren.
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