15. März 2013

Stadtgeräusche

Eine Bewusstseinserweiterung

Vom Geräusch zum Lärm ist es bekanntlich nicht weit, und dass man von diesem in einer Stadt umgeben ist, hören wir jederzeit. Unterscheidung findet der Lärm heute in fünf Kategorien: Verkehrslärm, Gewerbe- und Industrielärm, Nachbarschaftslärm, Freizeitlärm und Baulärm.

Auch wenn Lärm etwas Subjektives ist und im Ohr des Hörers liegt, ist es kaum vorstellbar, dass jemand zum Beispiel Verkehrslärm als hörenswert erachtet.

 

Die Geräuschkulisse der Stadt

Als Kind vom Land und heute an einer vielbefahrenen Straße Wiens wohnend, macht mich der nie ruhende Straßenverkehr immer öfter ziemlich narrisch. Ganz schlimm, wenn genau unterm Fenster ein Einsatzwagen sein Martinshorn einschaltet und der Schall von einer Hauswand zur nächsten geworfen und verstärkt wird. Diese Geräuschkulisse vermittelt eine Unruhe und kann, wenn man vielleicht eh schon angespannt ist, die Nervosität nur steigern. Und das sind nur die Geräusche von der Straße, welche in der Wohnung zu hören sind. Hinzu kommen fallweise brüllende Nachbarn, Kindergeschrei und Musik. Ein Entkommen scheint es nicht zu geben, nur Ohropax verschaffen Dämpfung.


Klingendes Wien

Mit Stadtgeräuschen haben sich Menschen schon vor über 100 Jahren beschäftigt und heute macht das zum Beispiel der Historiker und Stadtforscher Peter Payer. In interessanten Artikeln, abrufbar hier, geht er der Geschichte des Lärms auf den Grund und schildert von Geräuschkulissen Wiens um 1900. Abgesehen vom Verkehrslärm, welchen man schon damals bekrittelte und zur Gründung von Antilärmvereinen führte, galten die Kirchenglocken als akustisches Erkennungsmerkmal der damaligen Reichshauptstadt. Das Glockenläuten von hunderten Glocken bestimmte in zahlreichen Variationen das soziale Verhalten der Bevölkerung, nicht nur im kirchlichen sondern auch im weltlichen Leben und galt als Raum- und Zeitorientierung. Heute würde ich Glockengeläut dem Verkehrslärm allemal vorziehen, ein wenig ländliche Romantik vielleicht. Aber das wonach sich mein Ohr sehnt ist Ruhe, und diese in einer Stadt zu finden, scheint eine Utopie zu sein. Ist urbane Stille ein Mythos? Nach 12 Uhr Mitternacht und an Sonntagen ist sie möglich. Aber bis es soweit ist, lauscht man der Brandung der Großstadt und findet dann und wann ein Juwel unter den Geräuschen, wie etwa das Klappern von Pferdehufen, das Gezwitscher der Vögel des Nachbarn (nie von denen draußen) oder das Gurren von Tauben, die irgendwo im Dach nisten. Das ist wieder nur die Geräuschkulisse meiner Wohnung. Geht man hinaus, hat jeder Ort und jedes Grätzl wohl seine ganz eigene.

 

Die Tonjäger Wiens

Das Team von Soundbar zählt zu jenen, die freiwillig ganz genau hinhören. Als Tonjäger fangen sie die Klänge der Stadt ein und erhalten so ein akustisches Bild und geben eine Identität von Wien wieder. Zu hören gibt’s auf ihrer Webseite etwa wie der Sommer im Museumsquartier klingt oder der Eislaufplatz vor dem Wiener Rathaus. Da Geräusche vergänglich sind, haben sie sich auch zum Ziel gesetzt, ein Archiv an Klängen anzulegen. Leider hat sich auf der Webseite schon länger nichts mehr getan. Wie zum Beispiel Silvester in Wien klingt, hat Johannes Kapeller in einer Audiodatei festgehalten.
Wie fühlt ihr euch in unserer akustisch prallen Stadt? Robert Musil meinte: „Mein Ohr steht auf der Straße wie ein Eingang.“

 

Kaffeehausgeräusche

Das Projekt “Kaffeehausgeräusche” sammelt Geräuschkulissen in Wiener Kaffeehäusern, mehr dazu findet ihr in unserem Webtipp.

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