Der engagierte Lehrer und seine Feinde
Bildungsdebatte statt Emailromanze – genau wie sein Bruder Daniel hat auch Niki Glattauer das Gespür für das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt: „Der engagierte Lehrer und seine Feinde“ nimmt sich eines brandheißen Themas der österreichischen Innenpolitik an und stellt ein Plädoyer für die Verbesserung der Situation österreichischer Lehrer in deren Schulalltag dar. Wer die letzten Jahre keine Zeitung gelesen hat erhält durch die Lektüre des Werkes eine Zusammenfassung davon was bisher geschah: Pisa Studien, Notengebung, Sitzenbleiben, Ganztagsschule und natürlich Migration an Österreichs Schulen sind die Themen Glattauers.
Gemma Lugna
Der ehemalige Journalist wechselt dabei zwischen dem Zitieren von wissenschaftlichen Studien, Interviews mit Politikern, Experten und anderen Betroffenen sowie dem Abdrucken von Szenen direkt aus dem Klassenzimmer. Letztere sind es, die das Buch zum Bestseller gemacht haben: auf Kosten seiner Schüler und deren Eltern druckt Glattauer gnadenlos jeden noch so peinlichen Dialog ab.
„Und wie hast du das Wochenende verbracht, Nena?“
„Ich war Lugna“
„Du meinst, du warst am Wochenende in der Lugner-City“
„Nein“
„Wie nein?“
„Ich war mit alle“
„Aha, du bist mit Freundinnen und Freunden in der Lugner-City gewesen“
„Nein“
„Also was jetzt?“
„Ich war mit Bruder und andere Bruder und Schwester und Mama und Papa und…“
„Familie heißt das“
„Ja“
„Und gab es einen besonderen Anlass für euch, in die Lugner-City zu gehen? Ich meine, wart ihr im Kino? Oder gab es eine Autogrammstunde oder…“
„Welche Stunde?“
„Vergiss es. Warum wart ihr Lugna?“
„Am Samstag gemma imma Lugna“
Lehrer/Journalistenethos Das schwache sprachliche Niveau sowie der geringe Bildungslevel seiner Protagonisten garantieren ihm mittels solcher Passagen die Lacher seiner Leser. Bei den Darstellungen verzogener Bengel, die ihre Dummheit feiern wie einen Oskar Gewinn hält sich das Mitleid noch in Grenzen. Wenn jedoch ein 12jähriger, der bisher in Heimunterricht erzogen wurde und erstmals an eine öffentliche Schule kommt, in einem Dialog zwischen Glattauer und einer Kollegin mit den Kelleropfern von Josef Fritzl verglichen wird, muss sich der Autor die Frage gefallen lassen, ob ein Lehrer, der dazu bereit ist, seine Schüler vor einem Millionenpublikum bloßzustellen, wirklich Lehrer sein sollte?
Bestsellerautoren unter sich
Für Glattauer gibt es übrigens nur eine Berufsgruppe in Österreich, die ähnlich leiden muss wie die Lehrer: die Bestsellerautoren wie sein Bruder Daniel, die von einer Lesung zur nächsten hetzen müssen und dabei „über drei, vier Monate eine echte Arbeitswoche haben: fünf Lesungen, das Wochenende frei“. Ob der Autor das Mitgefühl für die Lehrer bei anderen Berufsgruppen mit solchen Aussagen heben wird ist fraglich.
Bildungsdebatte
Trotz dieser Kritik bleibt „Der engagierte Lehrer und seine Feinde“ ein wichtiges Buch. Österreichs Bildungssystem geht am Krückstock, trotz der höchsten Ausgaben für Schulen in der EU sind die Ergebnisse an Österreichs Schulen (und Universitäten) höchstens durchschnittlich. Das Migrationsproblem und der damit verbundene sprachliche Verfall sowie die Verstärkung sozialer Klassenunterschiede durch ungleichwertige Schultypen ist eines der größten Probleme unseres Landes und verdient größtmögliche Aufmerksamkeit.
21 Forderungen
Glattauer schließt sein Buch mit einundzwanzig, Großteils sehr sinnvollen Forderungen an die Politik: vor allem beim Lehrernachwuchs muss der Hebel angesetzt werden, die unnötige Akademisierung einer praxisorientierten Ausbildung weichen sowie ein einheitliches Gehaltsschema für alle Lehrer und Kindergärtner geschaffen werden.
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Der engagierte Lehrer und seine Feinde ist erhältlich beim Ueberreuter Verlag
Andreas Rainer hat in Wien Germanistik und Kommunikationswissenschaft studiert und drei Jahre in Nordamerika gearbeitet, unter anderem als Unterrichtender an Bard College und der University of Connecticut. Zurück in Wien ist er im Kulturbereich tätig und schreibt für Stadtbekannt hauptsächlich im Resort Literatur. |