11. Januar 2011

Stadtbekannt kontrovers: Plastiksackerl-Verbot warum nicht auch bei uns?

Plastiksackerl, die Deutschen nennen das Ding ja anders, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren papierenen Freunden. Bei Regen werden sie nicht kaputt und für den/die geneigte/n BetrachterIn machen sie einen stabileren Eindruck. Das stimmt zwar nicht, ist aber wohl einer der Hauptgründe für ihre enorme Popularität.

Das 15 Cent Monster

Plastiksackerl kosten ca. 15 Cent, brauchen 400 Jahre bis sie verrotten und pro BürgerIn werden beispielsweise in Italien, das sie gerade verboten hat, 300 Stück pro Jahr „verbraucht“. Wenn wir annehmen, dass die Zahlen in Österreich ähnlich sind (nicht vergessen: Gemüsesackerl sind auch aus Plastik), ist das keine geringe Hypothek auf die Zukunft die jede/ BürgerIn da anhäuft.

Das Plastiksackerl ist ein Umweltverbrecher, darüber besteht Konsens. Bevor man aber bei der Mitmenschlichkeit ansetzt, sollte man – getreu der Maslowschen Bedürfnispyramide – argumentativ einige Stufen weiter unten in eben jener Pyramide beginnen. Denn erst kommt das Geld und dann erst die Moral.

Kostenfalle Plastiksackerl

Was mit 15 Cent an sich recht billig daherkommt ist eine ganz schöne Kostenfalle. Wenn wir annehmen, dass jährlich ca. die Hälfte der Sackerl gekauft werden und man die andere Hälfte „geschenkt“ bekommt. Entstehen allein durch Plastiksackerl jährliche Kosten von 2.250 Cent oder 22,5 Euro. Wenn wir des weiteren annehmen, dass der/die DurchschnittsösterreicherIn ca. 60 Jahre seines/ihres Lebens Plastiksackerl-KäuferIn ist, dann kommen wir auf Lebenssackerlkosten von immerhin 1.350 Euro, ohne Inflation versteht sich.

Der Klassiker der Ökobewegung, das Jutesackerl, kostet ca. 1,5 Euro. Gehen wir davon aus, dass ÖsterreicherInnen zerstreut sind und ca. alle 6 Monate ein neues Jutesackerl brauchen. In einem Einkaufsleben werden sie dennoch nur ca. 180 Euro, ohne Inflation, für diese umweltfreundliche Alternative ausgehen. Ja selbst wer sein Sackerl jeden Monat verlegt, spart insgesamt in einem Leben noch fast 300 Euro, gegenüber den Plastik-JüngerInnen. Würde man die Inflation einberechnen, wäre der Kostenvorteil von Jute noch deutlich höher. Denn das Ölprodukt Plastik wird mit Sicherheit stärkerer Inflation ausgesetzt sein, als Jute. Wer auf Jute setzt spart also bares Geld.

Haushaltsfalle Plastik

Wir alle kennen die Horrorgeschichten von kleinen Kindern, die sich Plastiksackerln über den Kopf stülpen und daran ersticken. Man muss allerdings gar nicht bei tragischen Ausnahmeerscheinungen ansetzen, um die mangelnde Sozialverträglichkeit der Plastikmonster zu kritisieren.

Ein durchschnittlicher Haushalt erstickt nämlich in Plastiksackerln. Da mit fast jedem Einkauf ein neuer Sack dazu kommt, meistens aber nicht daran gedacht wird alte wieder zu verwenden, häufen sich wahre Berge an. Unter der Spüle ist der Ort an dem die meisten ihre Sackerln, häufig selber wieder in einem Sackerl gelagert, verwahren. Dort warten sie auf den Tag, an dem sie entweder wieder verwendet werden, was selten vorkommt, oder weggeschmissen werden, was spätestens dann der Fall ist, wenn der Plastikberg die Küche zu verschlingen droht.

Plastiksackerl sind hässlich

Es gibt Ausnahmen, die Sackerl der begnadeten Banker des Hauses Meinl zählen nicht zu den hässlichsten. Einen gewissen ästhetischen Wert kann man ihnen wohl kaum absprechen. Billa/Spar/Hofer/Zielpunkt usw. Sackerl sind aber ausnehmend hässlich.

Alle SackerlträgerInnen sind außerdem unbezahlte WerbeträgerInnen eines Handelsunternehmens. Im Gegensatz zu ihren papierenen Kollegen sind sie außerdem grell leuchtende ästhetische Zumutungen. Während die Werbung am Papier wenigstens noch dezent ist, schreit das Plastik förmlich nach Aufmerksamkeit.

Wegen der Umwelt warats

Wie alles was aus Plastik besteht, entstehen auch die Sackerl durch die Verwertung von Erdöl. Was an sich schon pfui ist, wird durch die enorme Langlebigkeit noch gesteigert. 400 Jahre Müll für einen Einkauf sind an sich nicht vertretbar.

Kein Wunder, dass viele Staaten, von China über Bangladesch bis Frankreich längst die Plastikmonster verboten haben. Italien ist das jüngste Mitglied in der Gesellschaft der Sackerl-Feinde. Ausgenommen von diesen Verboten sind in aller Regel recyclebare und leicht verrottende Exemplare, die es an sich längst gibt.

Bei uns steht ein Verbot hingegen nicht zur Debatte. Laut diesem Artikel von salzburg.orf.at, wird das beispielsweise von Spar damit argumentiert, dass man bei Obst und Gemüse keine technische Lösung hätte. Die KassiererInnen könnten die durch Papiersackerln nicht mehr sichtbare Ware nicht kontrollieren, was ein Problem sei.

Wäre das der allgemeine Zugang der Menschheit zu technischen Innovationen, wären wir also immer schon mit so viel Optimismus an Neuerungen herangegangen, hätten wir es aus meiner Sicht wohl kaum jemals von Höhlen zu festen Behausungen geschafft. Andere Länder scheinen das Problem jedenfalls gelöst zu haben, von einer Einstellung des Verkaufs von Obst und Gemüse in Bangladesch, Frankreich oder Italien ist mir jedenfalls nichts bekannt. Einmal ganz davon abgesehen, dass wenn Bangladesch das hinbekommt, dass unendlich viel reichere Österreich wohl kaum daran scheitern wird.

Klar ist aber auch, dass die direkt Betroffenen von so einer Maßnahme nie viel halten werden. Auch die Industrie welche die Sackerln produziert, wird gute Gründe für die weitere Verwendung finden. Gesamtgesellschaftlich gilt es dann, wie immer in solchen Situationen, Allgemeininteresse und Partikularinteressen abzuwägen.

Mit etwas Mut könnte ein Verbot rasch umgesetzt werden, gerade auch wegen der Sichtbarkeit der Maßnahme würde es höchst wahrscheinlich generell die Wahrnehmung des Plastikmüllproblems in der Gesellschaft steigern.

Aus finanziellen-, ästhetischen- und Umweltschutzgründen keine derartigen Sackerl mehr zuzulassen, wäre eine einfache, effektive und vernünftige Maßnahme. Oder um es ganz abgelutscht zu formulieren, yes we can.

Wie uns Leserin Sandra aufmerksam gemacht hat, gibt es inzwischen auch eine Online Petition zum Verbot der Plastiksackerl.

Ein Kommentar

Daniel Steinlechner

Mit Fug und Recht: Über Sinn und Unsinn

7 Kommentare

  1. sackerl feind

    10. Januar 2011

    ok
    Die KAssiererInnen könnten die sackerl udn verpackungen ja öffnen, dann können sie auch hineinschauen. Ich beantrage den Nobelpreis für die Lösung dieses unlösbaren Problems!

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  2. Marianne

    10. Januar 2011

    Die, Sackerl, die!
    Unverständlich, dass sich Österreich wiedermal querstellen muss. Im Prinzip spricht alles FÜR Papiersackerl bzw Jutesäcke (die es ja mittlerweile in einer zusammenfaltbaren Version gibt, dh. man kann sie einfach in die Handtasche tun und hat sie stets dabei) aber hierzulande tut man so als ob der Umstieg von Plastik auf Nachhaltigkeit ein Ding der Unmöglichkeit wäre… Ohje…

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  3. daniel steinlechner

    10. Januar 2011

    Ganz deine Meinung
    Die Umstellung auf Papier-, Kartoffelstärke-, oder Jutesäcke ist wie man international sieht durchaus machbar. Das Argument mit den zusammenfaltbaren Versionen der Säcke finde ich sehr gut. Bzw. gibt es eben auch verrotendes, oder recyclebares Plastik. das Minium wäre schon, dass zumindest die Verwendung dieser Plastiksackerln 2.0 Pflicht würde.

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  4. Sandra

    10. Januar 2011

    Petition
    Deshalb habe ich auch diese Petition in die Welt gerufen, in der Hoffnung, viele Unterschriften zu erhalten und das Ziel zu erreichen.
    http://www.petitiononline.at/petition/plastiksackerlverbot-in-oesterreich/53
    Danke schön

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  5. daniel steinlechner

    10. Januar 2011

    @Sandra
    Vielen Dank für den Hinweis.Ich habe mir erlaubt die PEtition auch im Artikel zu verlinken.

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  6. Sandra

    12. Januar 2011

    Danke!
    Danke schön! Hoffe, dass da noch etwas ins Rollen kommt…

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  7. flo

    28. Januar 2011

    aber zuerst…
    …die mindestens so bösen, benzinsaufenden SUVs verbieten bitte!

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