28. November 2010

stadtbekannt Exkursion: KLAGENFURT.

Stooodtbekoont traut si ausse and goes Klagenfurt.

„Einmal nach Klagenfurt, mit Vorteilscard“, sage ich dem imposant schnauzbärtigen Schaffner, der Menschen instinktiv duzt. „Villaha Foosching“ tönt es in einer hinteren Reihe des offenen Abteils, in das ich mich – ob des Mangels an Steckdosen in den meisten geschlossenen Abteilen – begebe. Ja, stadtbekannt traut sich raus, nicht nach Berlin wie Kollegin Felnhofer sondern nach Klagenfurt, und meine gesamte Redaktion pocht auf einen Artikel über „Kärntner Unsitten“, schließlich ist man als Südösterreicher, nicht ganz zu Unrecht, ja immer ein wenig auf der Uhr von allen anderen.

Weniger um das Vokale in die endlose Länge ziehen dreht sich der Nährboden des oft eh berechtigten durch den Kakao-Zieherei. Viel mehr war es selbstredend das durch einen vieldiskutierten und polemisierten Autounfall einer Ikone der falschen Seite recht schnell stark modifizierte „Hondschlog-Freistoot-Patriarchat“ von ungesund orange-braun solariumsgebräunten, die es nicht so schlimm fanden, wenn am Ulrichsberg die geschichtlichen Fakten mal wieder nicht so genau genommen wurden.

Mal subjektiv.

  Es ist für mich mittlerweile schwierig geworden, etwas Aktuelles über Klagenfurt zu sagen, nachdem ich bald das neunte Jahr nicht mehr dort wohne und ungefähr jeden vierten Monat für ein Wochenende da bin, und diese Zeit auch nicht in der Stadt, sondern im Haus meiner Eltern verbringe. Sicher, ich meine schon erkennen zu können, dass die Stadt (subkulturell) ausgestorbener ist als sie es früher war, und ich meine, das auch begründen zu können, andererseits ist das vielleicht auch nostalgische „früher war alles besser“-Scheiße, und ich kenne mittlerweile eben nur noch ein paar Bands aus Klagenfurt und bin zu selten hier um ein fundiertes Urteil abzugeben.

Mitte, Ende der Neunziger gab es jedenfalls durchaus eine Subkultur in Klagenfurt. Für eine Einwohnerzahl von 100.000 gab es eine erstaunlich hohe Anzahl an teilweise ziemlich guten Bands, sehr viel Punkrock, Hardcore, Metal, ein bisschen Crossover.
Das „Ballhaus“, ein Verein aus dem Naked Lunch-Umfeld, war damals noch aktiv und brachte internationale Bands dazu, Klagenfurt als Teil ihrer Tourplanung zu betrachten. Da gab’s durchaus Sympathie und Besuche seitens der damaligen Hamburger Schule. Die Sterne im pumpvollen Ballhaus zum Beispiel, eine gute Erinnerung. Ein Freund hat sich damals nach dem Konzert auf eine kaputte Bierflasche gesetzt und musste blutenden Arsches ins Krankenhaus, während mir (damals 14) Polizisten meine Zigaretten wegnahmen und mir drohten, dass sie mich mit ins Revier nehmen würden. Teenage kicks, halt.
Plattenläden, Lokale, Auftrittsmöglichkeiten

Mittlerweile gibt es vieles von damals nicht mehr, kleine Plattenläden (wie der Metal-Afficionado-Schuppen „Heavy Records“) haben seit einem guten Jahrzehnt zugemacht, viele Lokale und Auftrittsmöglichkeiten sind weg, ein paar neue Auftrittsmöglichkeiten kamen dazu (der Stereoclub und das nicht unbedingt geglückte Quadrat). Immer die Stellung gehalten hat das Kamot, der wunderbare Jazzkeller, in dem schon Jaco Pastorius zu Gast war und in dem immer wieder Konzerte aller Art stattfinden. Dazugekommen ist auch das „Young City Recording“, das Studio im alten Fuzzroom (dem Studio von Naked Lunch-Basser und Soundtüftler Herwig Zamernik), in dem Bands zu günstigen Konditionen aufnehmen können. Es gibt auch das Lendhafen Café gleich beim Lendkanal, wo man in sehr schöner Atmosphäre trinken und manchmal auch Bands zuhören kann. Den Mozarthof, wo ich damals mit einer Metal Band mein erstes Konzert gespielt habe, das Jugendzentrum Point, in dem ich Zivildienst gemacht habe, ein paar Pubs.

 
Die andere Seite
Und klar, da gibt es die andere Seite, über die es zu reden gilt: sowohl Bürgermeister als auch Landeshauptmann sind mittlerweile freiheitlich, es wird noch immer mit Toten geworben, kein Land hat mehr Wahlplakate pro Quadratzentimeter und das Allerlächerlichste und Traurigste ist, dass man auch 2010 die unfassbar debile Ortstafelfrage nicht lösen konnte und sich ein paar Deutschtümler noch immer dagegen sträuben, den Ortsnamen in einer zweiten, zulässigen Sprache aufs Schild zu schreiben. Es gibt die Hoffnung, dass LH Dörfler, sonst nicht der größte aller Philosophen, da einen Schritt nach vorne machen wird, es bleibt aber abzuwarten.
Auch das restliche, von offizieller Seite gezeichnete Bild nach außen hin kann einem übel aufstoßen: Kulturförderung? Bullshit: Eventkultur! Wir sind halt die sportlichen, körperbetonten Sunnyboys, und wir sind sogar so gemütlich dass wir gar nichts gegen Ausländer haben. Solange sie brav sind und sich nicht einbilden, dass sie sich hier wie zuhause aufführen. Willkommen beim Beachvolleyball, have a nice day. Lieber ein paar Musicals auf der sündteuren Seebühne als mal ein wirkliches Kulturprogramm (das „Music Without Borders“-Festival, dessen Teil Klagenfurt einmal war, bringt Acts wie Moby, George Benson, Jovanotti und mehr dieser Kaliber ins winzige Tarvis, in Klagenfurt wurde das Festival eingestellt).
Derweil würde eine Menge gehen: Naked Lunch auf der Seebühne (und da gäbe es eine große Anzahl von Bands, heimisch und nicht heimisch, die perfekt passen würden) war zum Beispiel ein Hinweis darauf. Und Naked Lunch ist für Klagenfurt ein sehr gutes Stichwort und Welter hat das alles auch des öfteren sehr treffend beschrieben. So sei dieser Kommentar auch mit dem perfekten Fazit aus Naked Lunch „Military Of The Heart“ abgeschlossen:

„We don’t need entertainment. We entertain ourselves“.

 
 
 
 
 

Markus Brandstetter

Geschichten rund um den Song Noir. Von strauchelnden Protagonisten, Mythen und Mixtapes.

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