Urlaub von der Stadt in der Wiener Vorstadt

In der Stadt Urlaub von der Stadt machen. Das ist in Wien kein Widerspruch.
Wer urbanes Treiben mit regional/internationalem Flair liebt und zwischendurch in dörfliche Ruhe eintauchen will, ist zwischen Josefstadt und Neubau mehr als gut aufgehoben.

Stimmungsvolle Plätze, idyllische Höfe, atmosphärische Durchhäuser

Bergauf und bergab geht unsere Entdeckungsreise zwischen zwei Bezirken, die Vorstadt und Innenstadt gleichsam sind, in denen Lebenskultur in jeder Hinsicht großgeschrieben wird. Josefstadt und Neubau gelten nicht gerade als grüne Oasen, und doch entkommen wir dem bunten Treiben, sobald wir durch ein Tor in einen barocken Innenhof oder eines der mehrhöfigen Durchhäuser treten. Dazwischen breiten sich Plätze in italienisch anmutendem Barock und sezessionistischem Stil aus.

Palais Schönborn Garten (c) STADTBEKANNT
Palais Schönborn Garten (c) STADTBEKANNT

Zwischen Rosenduft und wildem Wein

Beim Volkskundemuseum in der Josefstädter Laudongasse, dem ehemaligen Gartenpalais der Familie Schönborn, treten wir durch ein Tor in eine grüne Oase. Diese ist zu durchschreiten, auch ohne etwas im dazugehörigen, nach dem Architekten benannten „Café Hildebrandt“ zu konsumieren (der befürchtete grantige Kellnerblick bleibt aus!). Durch ein Tor aus Rosen geht es weiter durch den Schönbornpark in die Florianigasse, deren Namensgeber uns daran erinnert, wie wichtig Wasser und Schatten in einer immer heißer werdenden Stadt sind. Deshalb nichts wie durch das Rundbogenportal der Lederergasse 23 hinein in den Melker Hof, einst vom Stift Melk erworben, mit sieben Trakten, vier Höfen und viel wildem Wein an den Mauern zwischen Laudon- und Florianigasse, wobei der Hof zur Florianigasse hin als Ort des Verweilens gestaltet ist.

Melker Hof (c) Elke Papp
Melker Hof (c) Elke Papp

Wo Sozialistinnen und Piaristen ihre Plätze haben

Der Platz in der Florianigasse hatte schon viele Namen gehabt, bis er 2006 schließlich nach der sozialistischen Frauenrechtskämpferin und Schriftstellerin Therese Schlesinger benannt wurde.
Hier können während der Woche im palaisartigen Amtshaus die amtlichen Angelegenheiten des Lebens geregelt werden. Vom Alltag Urlaub machend, wenden wir uns aber lieber dem Brunnen mit der die Wachsamkeit verkörpernden Metallfigur aus der Hand des bedeutenden Bildhauers Johann Martin Fischer zu. Hier lassen wir die Zeit so kunstsinnig wie die schmiedeeiserne Uhr am Amtshaus vergehen, bevor wir weiter zum nächsten Platz, oder sagen wir zur nächsten Piazza wandern. Denn hier am Maria Treu-Platz bei der Piaristenkirche angekommen, wird es plötzlich mediterran, nicht nur weil es hier am Platz auch Pizza gibt.

Josefstadt Piaristenkirche (c) STADTBEKANNT
Josefstadt Piaristenkirche (c) STADTBEKANNT

Kurzweilige Begegnungen in der Lange Gasse

Von der Lange Gasse ließe sich lange schwärmen: sie ist die älteste Straße in der Josefstadt, in der sich auf Nummer 34 auch das älteste Haus des Bezirks befindet: das „Dreifaltigkeitshaus“, in dessem barocken Pawlatschenhof uns ein wahrlich heiliges Wohlsein überkommt, vor allem, wenn wir uns die jahrhundertelange Backtradition hierorts vorstellen. In ihrem Mittelteil ist die Lange Gasse zur verkehrs- und auch sonst sehr beruhigten Begegnungszone geworden, die einem Dorfplatz gleicht, inklusive Marktflair, dem auch jeden Samstag Rechnung getragen wird. Hier begegnen wir aber auch heimischen Schauspielgrößen von Welt wie Klaus Maria Brandauer, den LiebhaberInnen der Josefstadt sicher auch schon vor dem Café Eiles ohne jede Eile Zeitung lesen gesehen haben. Guten Morgen, Herr Brandauer. Nach freundlich überraschtem Gegengruß geht es am Hugo Bettauerplatz samt Baum und Sitzbank vorbei, benannt nach dem skandalumwitterten Romanschriftsteller der 20er Jahre und Herausgeber der Zeitschrift „Er und Sie. Wochenschrift für Lebenskultur und Erotik“ mit tragischem Lebensende über die auslaufende Lerchenfelder Straße durch ein Tor, das uns mit den Worten „Freiwilliger Durchgang“ begrüßt.

Hugo Bettauerplatz (c) STADTBEKANNT
Hugo Bettauerplatz (c) STADTBEKANNT

Durch Raum und Zeit zwischen Lerchenfeld und Neubau

Wir lassen uns hinuntertreiben durch das biedermeierliche Schottendurchhaus, durch dessen Vorgängerbau einst der Ottakringer Bach floss, hinunter zur Neustiftgasse, schlendern den kleinen Ulrichsberg hinauf, wo rund um die Kirche, von derem Ostturm der osmanische Befehlshaber Kara Mustafa auf Wien geblickt haben soll, barocke Häuser stehen und viele lebenslustige Leute sitzen. In unmittelbarer Nachbarschaft betreten wir ein Haus, das eine fast geheime Verbindung zwischen Burggasse und Siebensterngasse bildet: den Adlerhof.
Während uns im ersten Hof noch mußevolle KaffeehausbesucherInnen entgegenblicken, sehen wir danach nur noch eine fulminante Flucht von Höfen vor uns, die seinesgleichen sucht, bis wir, kurz aus Raum und Zeit gefallen, in das städtische Treiben am Siebensternplatz zurückkehren.

Adlerhof (c) Elke Papp
Adlerhof (c) Elke Papp

Von Gasse zu Gasse schöner

Der Spittelberg, den wir aus Wintertagen menschengefüllt und voller Glühweingeruch kennen, empfängt uns jetzt mit südlich sanfter Stille. In welche der vielen kleinen Gassen wir auch treten: Häuser wie aus Zuckerguss, Pawlatschenhöfe mit Alternativszene-flair wie das Amerlinghaus – das Montmartre von Wien sei hier, heißt es oft zu Recht: hier am Spittelberg schießen wir im Abendlicht unsere schönsten Wien-Urlaubsfotos.

Spittelberg Brunnen (c) STADTBEKANNT
Spittelberg (c) STADTBEKANNT

Wenn uns dann noch nach Höfen mit Platzcharakter ist, steigen wir hinunter ins bunt lebendige Museumsquartier und lassen den Abend auf den geliebten Enzis ausklingen.

 

Elke Papp

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Wo wir waren

Volkskundemuseum Wien
Laudongasse 15–19, 1080 Wien

Melker Hof
Lederergasse 23, 1080 Wien

Amtshaus
Schlesingerplatz 4, 1080 Wien

Dreifaltigkeitshaus
Lange Gasse 34, 1080 Wien

Schottendurchhaus
Neustiftgasse 16, 1070 Wien

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