Bummeln im Bezirk Landstraße

Unsere Weltreise geht heuer nach Wien. Im Bezirk Landstraße wird es besonders international: 24 der insgesamt 150 internationalen Konsulate und Botschaften Wiens befinden sich hier, darunter zwei von den Befreiern und Besatzern Wiens: die russische in der Reisnergasse und die britische in der nach dem französischen Sozialisten Jean Jaurès benannten Jaurèsgasse. Im Botschaftsviertel kommen sich die Gärten ehemaliger Verbündeter aber auch Gegner nahe. So liegt auch die deutsche Botschaft samt Garten in Fußweite.

Die vielen Sprachen der Blumen

Einige der schönsten Parks und Bundesgärten, die Wien zu bieten hat, liegen im dritten Bezirk. Dorthin bummeln wir jetzt und lassen dabei die vielen Blumen und anderen Gewächse als BotschafterInnen der Welt sprechen.
Auch zwei der ältesten Bäume von Wien, die zu Naturdenkmälern erklärt wurden, treffen wir am Weg. Einer davon steht im Innenhof der „Liesln“ besser als Elisabethinen bekannt, auf der Landstraße Hauptstraße 4a: ein weißer Maulbeerbaum asiatischer Herkunft, zu Zeiten Maria Theresias sehr beliebt, weil der Seidenraupe als Futter dienend.

Der Stadtpark – bezirksübergreifender Park am Wienfluss

Hier, wo einst das die Stadtmauer umgebende Glacis, eine zu militärischen Zwecken unverbaute Zone war, entstand in den 1860ern statt weiteren Ringstraßenpalästen der Stadtpark. Folgte man bei der Ringstraßengestaltung dem Pariser Boulevards, so finden wir hier englischen Landschaftsstil: Blumeninseln, Liegewiesen, ein Teich, exotische Bäume wie Ginko und Kaukasische Flügelnuss und nicht zu vergessen, eines der wenigen heute noch in Wien zumindest als Kulturdenkmal erhaltenen Wetterhäuschen.

Stadtpark Wetterhäuschen (c) STADTBEKANNT
Stadtpark Wetterhäuschen (c) STADTBEKANNT

Lemurenköpfe und Künstlerfiguren

Während jährlich Millionen von Menschen aus aller Welt in einem der vielen Busse am Ring vorbeirauschen und versuchen, den goldenen (Donau)walzerstar Johann Strauss Sohn zu erblicken, können wir lokale Wien-UrlauberInnen den Park von vielen Seiten betreten. An den Lemurenköpfen von Franz West vorbei zum Beispiel, die wunderbare Jugendstileinwölbung des Wienflusses samt Otto Wagner – Station am anderen Ende schon erblickend. Dazwischen der heitere Malerfürst Hans Makart und der ewig unglückliche Schubert, aber auch ein Donauweibchen oder vier Pinguine zur Vogeltränke gestaltet. Wir überqueren den Wienfluss über einen Steg und sind im Teil des Stadtparks, der zum dritten Bezirk gehört und Kinderpark heißt, wo man Milch in der ehemaligen Milchtrinkhalle (jetzt Steirereck) trank und jetzt noch dazu passend ein Labebrunnen steht mit einer Mutter, die ihrem Kind die Brust reicht.

Stadtpark Pinguine (c) STADTBEKANNT
Stadtpark Pinguine (c) STADTBEKANNT

Mit der Morgenländischen Platane und Mozart ins Belvedere

Über den Heumarkt, wo einst die großen Heulieferungen aus Ungarn kamen, geht es Richtung Belevedere, am Haus der Industrie vorbei, wo die Allierten täglich zusammen kamen und die Briten viele Jahre lang auf das Heldendenkmal der Roten Armee schauen mussten. Wir aber blicken über die Bezirksgrenze hinweg zur franzöischen Botschaft im Jugendstil und schlendern dann erfrischt vom Hochstrahlbrunnen den Rennweg entlang, wo vor Jahrhunderten „Scharlachrennen“ stattfanden: Pferderennen zwischen St. Marx und dem Wienfluss, bei denen der Sieger ein Stück kostbares, scharlachrotes Tuch gewann. Kurz vor der polnischen Kirche passieren wir die kroatische Botschaft – am Rennweg begann laut Staatskanzler Metternich bereits der Balkan und bald stehen wir auch schon gegenüber seines Palais – der heutigen italienschen Botschaft – vor dem zweiten Naturdenkmal auf unserer Route: der Morgenländische Platane, auch Mozart-Platane genannt, weil Mozart hier am Weg in die Wohnung des Direktors des Botanischen Gartens, Nikolaus Joseph von Jacquin, vorbeikam, dessen Familienmitgliedern er Klavierunterricht gab und wo er auch sonst gern gesehener Gast war.

Hochstrahlbrunnen (c) STADTBEKANNT
Hochstrahlbrunnen (c) STADTBEKANNT

Von Azaleen bis Schwertlilien

Jacquin, ursprünglich aus Leiden stammend, war bis Westindien gereist, um Pflanzen für die Kaiserlichen Gärten zu sammeln. Die Pflanzenforschung schien den Professor für Chemie und Botanik jung zu halten, denn er erreichte das damals sensationelle Alter von 90 Jahren. Und so begeben auch wir uns ins verjüngende Gartenreich. 1754 unter Maria Theresia gegründet ist der Botanische Garten heute eine eigenständige Organisationseinheit der Universität Wien. Artenschutz und Forschung stehen hier an oberster Stelle, Inmitten reger Forschung lustwandeln wir im englischen Landschaftsgarten mit Freiluft- und Gewächshäusern, hypnotisiet vom Duft eines Storaxbaumes, fasziniert von der Vielzahl an Salbeiarten, überwältigt von der Farbenpracht der Azaleen. Auf unserem Weg begleiten uns die Gartenerzählungen von Barbara Frischmuth, zum Beispiel „Iris elegantissima“, die in einem botanischen Garten spielt, in der der Hauptprotangonist einer Schwertlilie verfällt. Seit ihrer Kindheit im Ausseerland entwickelte die weltgereiste Autorin eine wachsende Gartenleidenschaft, die in ihr Schreiben immer mehr hineinwuchs.

Botanischer Garten (c) STADTBEKANNT
Botanischer Garten (c) STADTBEKANNT

Barocke Symmetrie und Byzanz

An Wiesen, wo heimische und von den Beeten „eingewanderte“ Arten nebeneinander wachsen, Feuchtgebieten, Teichen und dem kleinsten Weingarten Wiens vorbei geht es durch die ehemalige Menagerie des „Befreiers des Abendlands“ von den Osmanen, Prinz Eugen von Savoyen in den Park seines Sommerschlosses Belvedere. Hier wird es ganz und gar französisch symmetrisch, wenngleich die Arabesken der Blumenbeete Byzanz anklingen lassen und uns daran erinnern, dass die Kulturen sich schon immer vermischten. Über den berühmten Canaletto-Blick von hier oben auf die Stadt (auch hier waren früher Weinberge!) wurde in den letzten Jahren vermehrt diskutiert, der durch das sogenannte „Heumarkt-Projekt“ neu in den Blick kam. Das die historische Sichtachse stören würdende Hochhaus verstellt uns zum Glueck (noch) nicht die Sicht, während wir die Terrassen entlang der Bosquetten und Brunnen hinunterwandern.

Belvedere Garten (c) STADTBEKANNT
Belvedere Garten (c) STADTBEKANNT

Baum-Menschen im Modenapark

Unser letzter Park, der Modena Park führt uns wieder zurück ins Land der vielen Botschaften. „Mein Ungarland“ nannte die zu früh verstorbene Autorin Ingeborg Bachmann die Gegend rund um die Ungargasse, wo nicht unweit davon die eingangs erwähnte russische Botschaft, aber vorallem die einzigartige russische Kirche bewundert werden will. Mit a capella-Gesängen im Ohr betreten wir den Modena-Park, um 1700 angelegt, ein Jahrhundert später im Besitz der Erzherzogin Beaxtrix d’Este von Modena, deren Palais leider kurz vor dem Ende der Monarchie abgerissen wurde. Aus dem ehemals weitläufigen Park ist ein kleinerer aber nach wie vor atmosphärischer Park geworden.

Eine Anrainerin trauert dort gerade um einen im letzten Jahr gefällten 100jährigen japanischen Schnurbaum – zu Unrecht gefällt, meint nicht nur sie, sondern auch ein ehemaliger Gärtner des Botanischen Gartens. Eine starke Botschaft zum Abschluss unserer Tour, wie sehr den in Wien Lebenden die Stadtbäume ans Herz wachsen.

 

Elke Papp

Die Stadtverführerin begleitet euch gern zwischen Blumen und Botschaften mit Literatur, lokalem Wissen und vielen Anregungen zu dem, was Wien so liebens- und bereisenswert macht. Ihr wollt in ihren Verteiler aufgenommen werden? Email an: mail@stadtverführerin.at

 

Wo wir waren

Stadtpark
zwischen Parkring im 1. Bezirk und Heumarkt im 3. Bezirk

Hochstrahlbrunnen
Schwarzenbergplatz, 1030 Wien

Botanischer Garten
Rennweg 14, 1030 Wien

Schloss Belvedere
Prinz Eugen-Straße 27, 1030 Wien

Modenapark
Am Modenapark 13, 1030 Wien

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