Das feinste Eck der Josefstadt

Heute begeben wir uns auf einen Stadtspaziergang im nordöstlichsten Zipfel des Achten. Der Ausgangspunkt: Die Justizvollzugsanstalt Josefstadt. Vor ihren schweren Häfen-Pforten nimmt der Weg seinen Anfang, und hier wird er auch wieder enden.

Ein Fleckerl Alt-Wien

Wir wandeln die geschäftig-laute Landesgerichtsstraße abwärts, bis wir zu unserer Rechten die unscheinbare Tulpengasse erblicken. Hier biegen wir ein und staunen bald schon sehr – die Schnittstelle Tulpengasse / Wickenburggasse gehört nämlich zu den wahrhaft idyllischen Biedermeier-Plätzchen des Bezirks. Ein kleiner eisener Brunnen, liebevolle Grünflächen, das Gebäude der Schlosserinnung und ein “Stock im Eisen” sind hier auf dem Schlosserplatzl zu finden.

Josefstadt Schlosserplatzl (c) STADTBEKANNT Zohmann
Josefstadt Schlosserplatzl (c) STADTBEKANNT Zohmann

Zur Erklärung: Der “Stock im Eisen” ist ein in Metall gefesselter toter Baumstamm. Traditionstreue Schlosser, die ihre Meisterprüfung geschafft haben, schlagen hier einen Nagel hinein. Kaum verwunderlich, dass der Stamm heute aussieht wie ein hölzerner Igel. Der wesentlich ältere “Original – Stock im Eisen” steht in der Wiener Innenstadt.

Die malerische Lenaugasse

Nach Süden zweigt die Lenaugasse vom Schlosserplatzl ab. Neugierige statten dem Oskar-Werner-Hof auf Nummer 19 einen Besuch ab. Die schlichte Fassade des stattlichen Biedermeierhauses prahlt nicht damit, dass es einst sowohl den Schriftsteller Franz Grillparzer als auch den Lyriker Anton Wildgans beherbergte. Letzterer setzte dem Hof gar ein literarisches Denkmal, indem er ihn im „Nachtstück in der Lenaugasse“ (1898) erwähnte. Sehenswert am Oskar-Werner-Hof ist aber nicht nur die Architektur: Im Garten des großen Gebäudes befindet sich eine alte Esche, die unter Naturschutz steht.

Oskar-Werner-Hof (c) STADTBEKANNT Dominik Binder
Oskar-Werner-Hof (c) STADTBEKANNT Dominik Binder

Wildschweinbücher, Antiquitäten und Bauchtanz

Vom Schlosserplatzl aus folgen wir der Wickenburggasse Richtung Norden, bis wir auf die Kreuzung mit der Florianigasse stoßen. Hier – genauer gesagt in der Wickenburggasse 3 – befindet sich die Niederlassung des Österreichischen Jagd- und Fischereiverlages. Im Shop erhältlich sind Bücher, DVDs und Bilder zu den Themen Jagd, Wildleben, Natur und Kulinarik. Vom Bildband über das Leben der Wildschweine über das Kochbuch mit den besten Wildrezepten bis zur Abhandlung über Jagdethik finden Jäger und naturbegeisterte Hobby-Waldläufer so gut wie alles.

Wir biegen in die Florianigasse ein. Auf Nummer 13 entdecken wir die wundervoll nostalgische Stöberstube Christian Amend, einen Antiquitätenladen der Extraklasse. Vor allem Papierwerk wie Postkarten und kleine Dekorgegenstände gibt es hier in rauen Mengen.

Nur einen Katzensprung weiter, auf Nummer 16, finden wir einen Ort, an dem Leib und Seele in Einklang schwingen: Das kleine, liebenswerte Atelier für orientalischen Bauchtanz ist im Souterrain untergebracht und wird von Tanzlehrerin und Choreographin Nefer betrieben. Sie bietet Kurse für alle Zielgruppen an. Wer also schon immer einmal in Haremshose und orientalischem Top seinen Bauch kreisen lassen wollte, ist bei Nefer richtig!

Frühstücken wie im Himmel

Es wird Zeit für eine Mahlzeit, immerhin dauert unser Ausgang schon eine gute Weile. Wie praktisch, dass wir uns ganz nah vom Café Restaurant Merkur und Tunnel sind. Hungrig schleppen wir uns die letzten Meter zu dem einladenden Ecklokal und nehmen entweder im straßenseitigen Schanigarten oder im lässig-unpretentiösen Innenraum Platz.

Tunnel Vienna Live Schanigarten (c) STADTBEKANNT
Tunnel Vienna Live Schanigarten (c) STADTBEKANNT

Das Lokal ist zu jeder Tageszeit eine gute Wahl. Egal ob das günstig-gute Frühstück, die internationalen Mittagsgerichte, die Snacks oder der Kaffee, hier kommt man immer auf seine Kosten. Frühstück gibt es wochentags von 09:00 bis 12:00 Uhr, am Wochenende sogar bis 17:00 Uhr – perfekt also auch für Spätaufsteher. Satt und zufrieden geht es weiter.

Zum Grunzen kreativ

Ein Museum der ganz besonderen Art betreiben die beiden Künstler Ilse Kilic und Fritz Widhalm in der Florianigasse 54. Denn hier, im “Fröhlichen Wohnzimmer”, ist saumäßig viel los. Glücksschweine aller Art – groß, klein, rund, schmal, plüschig und kahl – tummeln sich hier in kreativ-unkonventionellem Ambiente. Verkäuflich sind die schweinischen Figuren nicht, wohl aber die schrägen Bilder und Bücher. Unbedingt hinschauen!

Glücksschweinmuseum Josefstadt (c) STADTBEKANNT Zohmann
Glücksschweinmuseum Josefstadt (c) STADTBEKANNT Zohmann

Historische Höfe in der Josefstadt

Gemütlich und mit behaglich gefülltem Magen schlendern wir die Florianigasse stadtauswärts, vorbei am Schönbornpark, bis wir nach rechts in die Kochgasse einbiegen und gleich darauf in die Mölkergasse. In dieser kurzen Gasse befindet sich ein Prachtstück der Jugendstilarchitektur: Weiß und trutzig ragt das Gebäude in den Himmel, grün-rote florale Ornamente zieren die Fassade im oberen Bereich. Die eigentliche Besonderheit ist aber der merkwürdige, spitz zulaufende Dornfortsatz am Dach des Hauses.

Jugendstilhaus Mölkergasse (c) STADTBEKANNT Dominik Binder
Jugendstilhaus Mölkergasse (c) STADTBEKANNT Dominik Binder

Wir erreichen die Lederergasse und biegen rechts ein. Eine langgezoge Häuserfront blickt uns entgegen – der Melker Hof. Aus vier Höfen und sieben Trakten besteht der riesige Bau aus dem 19. Jahrhundert, dem man von außen nicht ansieht, dass es sich lediglich um ein Gebäude handelt. Der Grund: Eine gegliederte Fassade vermittelt den Eindruck mehrerer Häuser! Weiter geht unserer Runde über die Laudongasse stadteinwärts. Das Bimmeln der Straßenbahnen sowie das Knattern und Brummen diverser motorisierter Vehikel lassen uns erkennen, dass wir uns wieder zentraleren Gefilden nähern.

Melker Hof Josefstadt (c) STADTBEKANNT Binder
Melker Hof Josefstadt (c) STADTBEKANNT Binder

Der will doch nur spielen …

Es ist eines jener Lokale in der Josefstadt, die auch dem durchschnittlichen Nicht-Josefstädter ein Begriff sind – das Brot und Spiele. Für alle, die es nicht kennen: Hier treffen sich Spielkultur, Bierkultur und Geselligkeit. Je nach Wochentag oder Anlass werden Bingo-Abende, Trivial-Pursuit-Challenges oder freies Wuzzeln angeboten. Zusätzlich gibt es über 100 Brettspiele, bei denen sich Spiele-Freaks austoben können. Fad wird es da bestimmt nicht!

Brot und Spiele Würfel (c) STADTBEKANNT
Brot und Spiele (c) STADTBEKANNT

Kleine und große Kugeln

Wir wandern weiter, bis wir die Kreuzung Laudongasse / Lange Gasse erreichen. Und da, jenseits der Straßenbahnschienen, stehen sie – drei riesenhafte, schräg aufeinander getürmte silbrig-metallene Kugeln, die zusammen die Skulptur N.I.C. (steht für “Nature is cool”) bilden. Etwa drei Meter hoch ist das schlichte wie originelle Kunstwerk.

Kugeln (c) STADTBEKANNT
Kugeln (c) STADTBEKANNT

Gleich neben den großen Metallkugeln befindet sich ein Shop, in dem sich viele kleine weiße Kugeln käuflich erwerben lassen – das Golf House, ein Fachgeschäft für Golfsport und Zubehör. Ob Golfschläger, Bälle, schickes Schuhwerk, Trainingslektüre oder Gewand, mit dem Ladies und Gentlemen nicht nur auf dem Green eine gute Figur machen – Freunde des noblen Rasensports werden hier gewiss etwas finden.

Pizza, Pita und böhmische Genüsse

Der Appetit ruft uns – ins nachBar in der Laudongasse 8. Gemütlich und heimelig, mit runden Gewölben und viel Rot präsentiert sich das Lokal. Im Sommer steht den Gästen auch ein Schanigarten zur Verfügung. Zu Essen gibt es köstliches Gebackenes aus dem hauseigenen Holzofen. Praktisch: Sämtliche Pizzen und Pitas können per Bestellformular zum Ankreuzen selbst zusammengestellt werden!

Für alle, die eher Lust auf etwas so richtig Bodenständiges haben, müssen noch ein kleines Stück weiter gehen und der Laudongasse bis ans bittere Ende folgen. Die Böhmische Kuchl steht für hochwertige, authentische Hausmannskost mit Hang zum Deftigen – perfekt also für einen ausgedehnten Schlemmer-Aufenthalt. Ein Auszug aus den Hauptspeisen: Selchfleisch im Pufferteig mit Sauerkraut, Rindsgulasch mit Knödeln, oder Svičkova, das böhmische Hochzeitsgericht. Dazu: Budweiser, Pilsner Urquell, Kozel. G’schmackig und fein!

Zurück zum Ursprung

Vollgegessen und in bester Laune verlassen wir die Böhmische Kuchl und rollen hinunter zur Alser Straße. Einmal rechts abgebogen, und schon stehen wir wieder vor den Toren eines netten Lokals – dem Edison. Ob in seiner Funktion als Café, Restaurant oder Bar, Leckereien für jede Tageszeit stehen in der Karte. Die Einrichtung ist modern, die Gerichte einfallsreich und zeitgemäß interpretiert, das Publikum bunt – vorbeischauen lohnt sich!

Edison
Edison Foto: STADTBEKANNT

Langsam aber sicher neigt sich unsere Runde dem Ende zu, und wir nähern uns unaufhaltsam unserem Ursprungsort, der Häfentür. Wir werfen einen Blick auf die andere Straßenseite. Dort, hofiert vom Ostarrichipark, liegt sie, die Österreichische Nationalbank. Das trutzige, umfangreiche Gebäude wurde 1925 errichtet und beherbergt bis heute den Hauptsitz des Geldes. Der Ausblick auf die monetäre Trutzburg begleitet uns, ebenso wie der sehnsüchtige Gedanke an goldglänzende Barren hinter verschlossenen Türen.

Irgendwann ist es geschehen und wir stehen vor dem Häfen. Aber allzu schwer ist uns das Herz nicht – der nächste Josefstadt-Ausgang kommt bestimmt!

Stadtspaziergang Josefstadt – Von Häfentür zu Häfentür

Route – Das feinste Eck der Josefstadt

Ausgangspunkt: Landesgerichtsstraße Häfentür
Endpunkt: Landesgerichtsstraße Häfentür
Start: Landesgerichtsstraße rechts entlang bis rechterhand zur Tulpengasse Schlosserplatzl rechts in die Wickenburggasse links in die Florianigasse Florianigasse geradeaus bis zur Kochgasse die Kochgasse rechts rechts in die Laudongasse die Laudongasse entlang bis zur Schlösselgasse inks in die Schlösselgasse rechts in die Alser Straße rechts in die Landesgerichtsstraße

 

Josefstädter Hotspots

Häfen Josefstadt – Landesgerichtsstraße 11
Schlosserplatzl – Tulpengasse / Wickenburggasse
Oskar-Werner-Hof – Lenaugasse 19
Österreichischer Jagd- und Fischerei-Verlag – Wickenburggasse 3
Stöberstube Christian Amend – Florianigasse 13
Nefer Tanzatelier – Florianigasse 16
Café Restaurant Merkur – Lammgasse 1
Glücksschweinmuseum – Florianigasse 54
Melker Hof – Laudongasse / Lederergasse / Florianigasse
Brot und Spiele – Laudongasse 22
Skulptur N.I.C. – Lange Gasse / Laudongasse
Golf House – Lange Gasse 68
nachBar – Laudongasse 8
Zur böhmischen Kuchl – Schlösselgasse 18
Edison – Alser Straße 9

Fotos

Keine Bewertungen

Bewertung “Von Häfentür zu Häfentür”

Bewertung
Bewerten