Ausflug: Frauen in Wien

Wien ist nicht nur eine von Männern erbaute und ehemals von Kaisern regierte Metropole, sondern auch eine Stadt der Frauen, damals wie heute.
Das weibliche Wien ist, mit und gegen Freud gesprochen noch immer „ein dunkler Kontinent“ und mehr als eine Entdeckungsreise wert.

Hier ein paar Reisetipps in Form von örtlichen Erkundungen rund um das Leben und Schaffen von Frauen in Wien, die in unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären wirkten, mutig und oft ihr Leben riskierend. Die Wege sind entweder zu Fuß oder mit dem Rad machbar, teilweise muss aber kreuz und quer gereist werden.

Adelheid Popp und Grete Rehor – Berufspolitikerinnen zwischen Ringstraße und Ottakring

Einer unserer Frauenwege beginnt beim Parlament. Dort endete 1934 mit dem Dollfuss-Schuschnigg-Regime die politische Karriere einer Frau, die als 17jährige die erste weibliche Rede in der Sozialistischen Arbeiterpartei gehalten hatte und die viele Jahre später die erste Frau im Parlament war, die ihre Stimme – für die Aufhebung des Adels – erhob. Adelheid Popp hieß sie, in Inzersdorf geboren, am Wiener Zentralfriedhof begraben (ohne Ehrengrab!) – dazwischen lag ein Leben, das in größter Armut begann, den Arbeiterinnen gewidmet war und das 1939 in Krankheit endete. Von früh an zur Heim- und Fabriksarbeit gezwungen erlebte sie die Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse, die sie anfangs als Schicksal erduldete, bald aber als etwas verstand, was es zu bekämpfen galt. Durch ihre Brüder kam sie in Kontakt mit der sozialistischen Arbeiterbewegung und der noch jungen Sozialdemokratie. Die Liste der Vereine, die sie mit den anderen frühen Sozialdemokratinnen gründete bzw. denen sie vorstand, ist schier endlos, so ihre Verdienste um die Rechte der Arbeiterinnen und Frauen im allgemeinen. Einer dieser Vereine ist jener der Heimarbeiterinnen in Ottakring, dem sie vorstand.

Adelheid Popp-Hof (c) STADTBEKANNT
Adelheid Popp-Hof (c) STADTBEKANNT

Fehlende Denkmäler für Frauen

In Richtung Ottakring geht unsere Reise jetzt wo einer der Urzellen der Wiener Sozialdemokratie zu finden ist, die fest in den Händen von Männern wie Franz Schuhmeier war, der im Raucherklub Apollo in der Grundsteingasse einen verbotenen Arbeiterverein gründete.
Bevor wir uns, falls wir uns nicht aufs Rad schwingen (die Hasnerstraße im 16. als eine der wunderbarsten Radstraßen Wiens ist verlockend!), in den 46iger begeben, schauen wir einmal hinter die drei männlichen Begründer der ersten Republik und sind überrascht, dass der Grete Rehor-Park dahinter nach der ersten Bundesministerin benannt ist und doch mit keinem Denkmal an sie erinnert: Grete Rehor ist eine heute völlig zu Unrecht wenig erinnerte Politikerin der frühen Stunde, den späten 1960er Jahren, die so früh nicht war, bedenkt man, dass Frauen schon seit 1848 öffentlich um ihre Rechte kämpften. Die ÖVP – Sozialministerin, verabschiedete in nur 4 Jahren über 100 Sozialgesetze, – was ihr den Namen „schwarze Kommunistin“ einbrachte – in denen die Gleichstellung von Mann und Frau ganz zentral war, ihr verdanken wir aber auch den 8. Dezember als Feiertag.
Zur Volksschule ging sie in der Josefstadt, an der wir jetzt vorbeifahren und die uns nicht gerade an Sozialismus und Arbeiterinnenschaft denken lässt, in Richtung Possingergasse, wo kein Denkmal aber zumindest ein seit 1949 als Adelheid-Popp-Hof benannter Gemeindebau an die unbeirrbare Frauenrechtlerin Popp erinnert.

Wo Grabsteine Frauengeschichte erzählen – der Ottakringer Friedhof

Ein Stück weiter hinauf ins grüne Alt-Ottakring geht die Reise zum letzten Ruheort von Grete Rehor am Ottakringer Friedhof, wo der mitunter propagandistische Sozialist Schuhmeier in Stein gemeißelt weiter seine großen Reden hält, während feines Schmiedeeisen und zarte Rosen das Grab der viele Jahre lang in der Gallitzinstraße 59, einem bescheidenen Haus am Weg hinauf Richtung Steinhof und Wilhelminenberg (ohne Gedenktafel!) lebenden und immer überparteilich denkenden Bundesministerin zieren. Auf einer der vielen Bänke zwischen den duftenden Lindenbäumen mit Blick auf die Stadt hinunter oder hinauf zum Wilhelminenberg lassen wir uns nieder, bevor wir eine weitere Sozialistin wie die früh verstorbene Nationalratsabgeordnete Hilde Krones oder die Schriftstellerin Christine Busta besuchen.

Friedhof Ottakring (c) STADTBEKANNT
Friedhof Ottakring (c) STADTBEKANNT

Die letzte große Salonière Wiens – Berta Zuckerkandl-Szeps zwischen Leopoldstadt und Döbling

Das Haus, in dem Berta Zuckerkandl-Szeps wohnte und von 1917 bis zu ihrer Emigration nach Algerien und Paris den letzten großen Salon von Wien führte, ist bestens bekannt: es beherbergt eines der letzten traditionellen Ringstraßencafés, das Café Landtmann.
Aus der wohlhabenden und hochgebildeten jüdischen Verlegerfamilie Szeps stammend verbrachte Bertha, bald das h in ihrem Namen auslassend, ihre ersten Lebensjahre in der Großen Stadtgutgasse 44 in der Leopoldstadt, bevor die Familie an den Franziskanerplatz übersiedelte.
Später wohnte die Familie, die einerseits in Wien einen sehr guten Ruf genoss, andererseits aber als jüdisch-liberale Presse angefeindet wurde, im Palais Szeps in der Liechtensteinstraße 59, der heutigen schwedischen Botschaft, nahe des Gartenpalais Liechtenstein im Alsergrund, wo es gesellschaftlich und intellektuell rund ging. Im Alsergrund wohnte die schon früh zur Fürsprecherin der Moderne und Kommunikatorin ersten Ranges Gewordene später an anderer Adresse mit ihrem Ehemann dem Anatomieprofessor Emil Zuckerkandl: am Rooseveltplatz 11.

Mit der Salonlöwin vom Alsergrund nach Döbling und wieder zurück an den Ring

Am Bertha – Zuckerkandlweg am Donaukanal entlang spazieren oder radeln wir Richtung Döbling, wo das Ehepaar in der Nußwaldgasse eine Villa erstand, in der ihr legendärer Salon seinen Anfang nahm, bevor Berta und ihr Salon nach dem Tod ihrer Ehemannes in die Oppolzergasse übersiedelten. Dort kamen Menschen verschiedener Herkunft und Denkrichtung zusammen, was sie selbst in beinahe berühmt gewordene Worte fasste: „Auf meinem Diwan wird Österreich lebendig“. Was Freud seine Couch, war Berta ihr Diwan, nur dass darauf nicht monologisert, sondern miteinander geredet und angedacht wurde, zum Beispiel die Salzburger Festspiele, die die große Kunstliebhaberin und Friedensförderin im Ersten Weltkrieg gemeinsam mit dem Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal und dem Regisseur Max Reinhardt 1920 aus der Taufe hob. Was es alles dank dieser Salonlöwin gab, die sich wohl als eine der ersten Menschen als telefonsüchtig bezeichnete, und was es alles ohne sie – vom ewigen Schmäher Karl Kraus als „Kulturschwätzerin“ herabgesetzt – und ihre Fürsprache (oft an den Kaiser selbst gerichtet!) nicht gegeben hätte: die Sezession und die Wiener Werkstätte, wie wir sie kennen und vieles mehr, was zu Wien gehört wie der Stephansdom und das Riesenrad.

Secession (c) STADTBEKANNT
Secession (c) STADTBEKANNT

Raus aus dem Korsett! Die Modemacherin Emilie Flöge zwischen Landstraße und Josefstadt

Emilie Flöge, allzu gern auf die Rolle der Geliebten und Muse Gustav Klimts reduziert, hat viele Korsetts gesprengt: das ihrer kleinbürgerlichen Herkunft, jenes der weiblichen Rollenbilder und das die Bewegungsfreiheit hemmende Kleidungsstück selbst, das bis zur Jahrhundertwende zum fixen Bestandteil weiblicher Garderobe gehörte. Anstelle einengender Frauenkleidung entwickelte Flöge ganz im Geiste der aus Amerika und England auf den Kontinent drängenden Reformbewegung das Reformkleid in Wiener Ausprägung: weit schwingend und oft aus ornamental-volkstümlichen Stoffen hergestellt.
Sie und ihre zwei Schwestern Helene und Pauline, Töchter eines Drechslers und Meerschaumpfeifenfabrikanten, durften immerhin den Beruf der Kleidermacherin lernen. Wer hätte gedacht, dass sie 30 Jahre lang Wiens berühmtesten Modesalon führen sollten… – mit Emilie als dessen kreativer Kopf mit ihren zahlreichen Reisen in die Modemetropolen der Zeit London und Paris (ohne einen Monsieur Flöge, wie sie nicht müde wurde zu betonen) und ihrer Liebe zu volkstümlichen Motiven und Mustern.

Emilie Flöge - Lina Loos Schilder (c) STADTBEKANNT
Emilie Flöge – Lina Loos Schilder (c) STADTBEKANNT

Eine Gedenktafel ist nicht genug

Des vom Meister der Wiener Werkstätte Josef Hoffmann ausgestatteten Modesalons in der Casa Piccola in der Mariahilfer Straße 1b, in dem zu guten Zeiten bis zu 80 Schneiderinnen angestellt waren, wird heute nur noch in Form einer Gedenktafel zwischen Schaufensterauslagen der Schuhfirma Humanic gedacht, die, erinnert man sich an ihre kreativ-subversiven Werbespots der 80er Jahre durchaus einen Aufmerksamkeit erregenden Beitrag zur Erinnungskultur an Frauen leisten könnte.
Privat verbrachte Emilie ihr Leben, wenn sie nicht gerade als einzige weibliche Schwimmerin im Kreise der SommerfrischlerInnen am Attersee weilte, in der Ungargasse 39 im 3. Bezirk, dort verbrannte leider auch zu Kriegsbeginn ein Großteil ihres Nachlasses.
Was von dieser frühen Unternehmerin noch für die Nachwelt erhalten ist, befindet sich größtenteils im Volkskundemuseum in der Laudongasse in der Josefstadt und in der Klimt-Villa in der Felmühlgasse in Hietzing.

Soziales Bauen als Lebenshaltung – die erste Architektin in Österreich Margarete Schütte-Lihotzky zwischen Hietzing und Brigittenau

In Hietzing befindet sich die Werkbundsiedlung, im in Österreich seltenen Stile des Bauhaus. Dort stehen zwei Wohnhäuser der ersten offiziellen Architektin Österreichs aus den 1930er Jahren: die 2000 kurz vor ihrem 103. Geburtstag verstorbene Margarete Schütte-Lihotzky. Als sie zwischen 1915 und 1919 an der Kunstgewerbeschule bei Oskar Strnad Architektur studierte, hielt es jeder, einschließlich sie selbst für unmöglich, dass je eine Frau mit dem Entwurf eines Hauses beauftragt werden würde. Die Architektin wurde der lebende Gegenbeweis, wenngleich nicht viele Gebäude auf sie zurückgehen, was auch auf den Umstand zurückzuführen ist, dass Schütte-Lihotzky Widerstandskämpferin und Zeit ihres Lebens überzeugte Kommunistin war.

Margarete Schütte-Lihotzky Raum (c) STADTBEANNT
Margarete Schütte-Lihotzky Raum (c) STADTBEANNT

Kinder und Kommunismus – eine unkonventionelle Frau

Die Gebäude, die sie selbst entwarf oder an denen sie gemeinsam mit männlichen Architekten, darunter Adolf Loos tätig war, liegen nicht in Wiens Zentrum und entgehen deshalb oft der öffentlichen Aufmerksamkeit.: sie befinden sich vorwiegend in der Brigittenau: in der Winarskystraße 16–20 (der mit Adolf Loos gebaute Gemeindebau Otto-Haas Hof aus den 1920ern), am Hochstädtplatz (das Globus-Verlagshaus), am Kapaunplatz (ein Kindergarten aus den 1950ern). Eines ihrer Bauprojekte liegt sogar in der damaligen Sowietunion. Es ist ein Kindergarten aus dem Jahre 1930, als sie gemeinsam mit ihrem Mann Kindergarten- und Schulprojekte im Rahmen des Stalinischen 5Jahres-Plans verwirklichte.

Die berühmte Küche einer Frau, die nicht kochte

Wofür sie wirklich bekannt wurde ist kein Haus, sondern nur ein paar Quadratmeter groß aber mit größtmöglicher Präzision geplant: die sogenannte “Frankfurter Küche” von 1926, für die sie vom Hochbauamt Frankfurt beauftragt worden war: die Einbauküche für die moderne Frau, die arbeitet und den Haushalt erledigt. Die Architektin selbst hatte zuvor noch niemals selbst gekocht, betont diese in Interviews, und die Küche als Architektin und nicht als Hausfrau geplant. Diese trotzdem oder gerade deshalb bis in unsere Tage als Vorbild dienende hocheffiziente Küche befindet sich als nachgebautes Modell im Zentrum Wiens: im Museum für Angewandte Kunst. Kaum zu glauben, dass sie fast 100 Jahre alt ist!

Architektin im Widerstand

1938 mit ihrem Mann nach Istanbul übersiedelt, um an der dortigen Akademie zu unterrichten, kam sie mitten im Krieg nach Wien zurück und war im Widerstand aktiv. Zum Tode verurteilt, entging sie wie durch ein Wunder der Hinrichtung. Vieles wird über sie, die in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof begraben ist, berichtet, so zum Beispiel, dass sie in der Haft ihren Genossinnen das Bauchreden beibrachte und dass sie als Hochbetagte bei einem Walzer mit dem damaligen Bürgermeister Michael Häupl gesagt haben soll, dass es doch auch ganz schön gewesen wäre, einmal für jemand zu bauen, der Geld hat.

 

Elke Papp

Über diese und viele andere Frauen hat euch die Stadtverführerin noch viel mehr zu erzählen! Begleitet sie durch die Stadt auf den Wegen der Frauen Wiens. Interesse an den ganz bald wieder stattfindenden Spaziergängen? Schreibt an: mail@stadtverführerin.at

 

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