Sieben Sterne für den Spittelberg
Wer das Siebensternviertel kennenlernen will, der muss einmal den Spittelberg durchquert haben. Und das haben wir. Von Durchhäusern, kulinarischen Welten, Kunst und Prostituierten erzählt uns dieser Stadtspaziergang.
Route:
– Ausgangspunkt: Durchhaus Lerchenfelder Straße 13 – Neustiftgasse – Faßziehergasse – Gardegasse – Burggasse – Breitegasse – Siebensterngasse – Kirchengasse – Mariahilfer Straße
– Endpunkt: Mariahilfer Straße 52, Ecke Kirchengasse
Durch den Eingang
Wir befinden uns an der Grenze vom achten und siebten Bezirk. Beim Durchhaus zwischen Lerchenfelder Straße 13 und Neustiftgasse 16 – und es ist fast so, als hätte einer diesen „Freiwilligen Durchgang”, wie er ja heißt, ganz für sich beansprucht, denn sowohl am Anfang als auch am Ende findet man Restaurants von Christian Gansterer: das La Mia in der Lerchenfelder Straße und das Kristians Monastiri in der Neustiftgasse. Die Schwesternlokale tischen beide vorzügliche Küche auf; ersteres ganz italienisch, letzteres sogar mit Haube.
Der Durchgang wurde 1848 erbaut und 1856 wurde der Öffentlichkeit das Betreten erlaubt, obwohl das Gebiet eigentlich in Privatbesitz war. Der Besitzer hat sich also freiwillig dazu entschlossen, auch anderen Menschen Zutritt zu gewähren. Daher der Name Freiwilliger Durchgang.
Nebst den besagten Restaurants, einigen Büros und Appartements, finden wir auch ein nettes Café in diesem Durchgang. Das Café Kandinsky ist sowohl Galerie als auch Café und beheimatet in regelmäßigen Abständen neue Ausstellungen. Wer auf zwei Rädern unterwegs ist, wird sich freuen außerdem das citybiker dort anzufinden – hier gibt’s alles rund ums Rad!
Kulinarische Achterbahn
Nun in der Neustiftgasse angelangt, werfen wir rechts einen Blick auf das verführerisch anmutende Veganista mit den vielen verschiedenen und leckeren veganen Eissorten, drehen uns dann aber nach links und wandern dem Café Volkstheater entgegen. Wir gehen aber gar nicht hinein, sondern biegen gleich wieder rechts ab, um die Faßziehergasse entlang zu flanieren. Diese führt uns nämlich schnurstracks in Richtung Burggasse und dort gibt’s Kulinarisches aus allen Ecken der Welt! Die Faßziehergasse wurde 1770 nach den „Faßziehern” benannt, die einer schweren und gefährlichen Arbeit nachgingen – nämlich mit purer Manneskraft die schweren Fässer in und aus den Weinkellern zu transportieren. Die Genossenschaft der Faßzieher hatte ihren Sitz hier. Vorher hieß diese Gasse „Hintere Gasse”.
Wir kommen an die Ecke, wo Gardegasse (die uns an die ungarische Garde aus dem Palais Trautson erinnert), Faßziehergasse und Burggasse zusammenlaufen und haben sie alle auf einen Blick: das möbel, ein Café und Möbelladen zugleich; den Inder Zum Moghulhof, die sagenhaften Burgermacher daneben und ein gerader Blick in die Spittelberggasse lassen uns ein Schild mit der Aufschrift Bohème erkennen. Würden wir geradeaus weitergehen, befänden wir uns bereits im geschichtsträchtigen Spittelberg, der durch die engen Gassen und niedrigen Biedermeierhäuschen wie ein kleines Dorf zu sein scheint. Wir können uns gar nicht entscheiden und gehen einfach links noch ein bisschen weiter, die Burggasse entlang stadteinwärts.
Weiter geht’s mit Pizza! Wir kehren entweder im La Gondola oder im I Ragazzi ein – die befinden sich schließlich gegenüber voneinander, denn auf Hausmannskost im Zu ebener Erde und Erster Stock haben wir gerade keine Lust.
Klein, fein und breit
Wir gehen weiter bis wir rechts die Breite Gasse erkennen und bleiben kurz stehen. Hier am Eck befindet sich nämlich eine Sehenswürdigkeit, die fast zu klein ist, um in einem Reiseführer zu stehen: Die Rede ist vom kleinsten Haus Wiens. Es hat gerade mal 14 Quadratmeter im Grundriss und beheimatet schon seit jeher den Uhrmachermeister Schmollgruber.
An uns zieht die 49er Straßenbahn vorüber und wir folgen den Gleisen in die Breite Gasse. Sie wurde so benannt, weil sie einst viel breiter angelegt war als andere Straßen zur damaligen Zeit. Deswegen ist die Fortführung dieser Straße auch als „Karl-Schweighofer-Gasse” abgegrenzt. Auf der linken Seite der Breite Gasse gibt es einen kleinen Treppenaufgang, der zum MuseumsQuartier führt und darunter befindet sich der Eingang zum Glacis Beisl (das im Sommer einen unschlagbaren Gastgarten versteckt hält). Rechts befindet sich das Hotel ViennART und kündigt schon an, in welches Gebiet wir uns hineinbegeben. Genau, das Künstlerviertel Wiens.
Kunst, Kultur und Genuss
Nach rechts also, in die Siebensterngasse. Gemütlich sieht es gleich aus – so zwischen kleinen Geschäften, Bars und Galerien. Jetzt fällt uns erst auf, wie sehr wir uns gestresst haben bis hierher – mitten im Stadttrubel. Da ergibt es sich perfekt, dass uns auf der rechten Seite eine Oase namens Stressdeponie auffällt. Dort gehen wir rein, lassen uns massieren und unseren Stress dort.
Entspannt ziehen wir weiter, an der Gutenberggasse und wieder an der Spittelberggasse vorbei, wo wir von weitem erkennen können, dass sich eine Galerie an die andere reiht. Außerdem könnte man doch schnell im Theater am Spittelberg vorbeischauen und sich Karten fürs Abendprogramm besorgen, oder?
Aber auch allerlei spannende Lokale befinden sich am Weg. Da sehen wir zum Beispiel das Sneak In, wo Drinks und stylisch-urbane Mode verkauft werden, oder das Casa Mexico, wo von Tortillas bis zum Tequila alle südamerikanischen Wünsche erfüllt werden. Oder man möchte sich lieber mexikanisch bekochen lassen? Na, dann reservieren wir uns eben gleich einen Tisch im Kulin, das nicht nur mit Burritos, sondern auch mit besonders guten Cocktails punkten kann.
Kleiner Gedankensprung in die Geschichte
Wir tauchen noch viel tiefer ein ins Siebensternviertel und erinnern uns daran, dass diese Gegend einst als Rotlichtviertel Wiens bekannt war. Die kleinen Biedermeierhäuschen und die engen Gassen versprühten nicht immer den heutigen Charme. Bevor die Stadt Wien die meisten Häuser renovierte und das Viertel aufpeppte, gab es hier lange Zeit keinerlei Kanalisation. Die Wohnungen glichen Sauställen und die Lebensqualität war alles andere als gut. Weil es aber billig zu wohnen war, leisteten sich hier vorrangig Personen ohne festen oder angesehenen Berufsstand eine Wohnung. So war der „Spitalberg” schon immer auch die Heimat von Künstlern und Gauklern und auch heute befindet sich das Epizentrum der Kunst und Kultur hier.
Wir werden aus unseren Gedanken gerissen, weil schon wieder eine 49er vorbeizieht (die auf dieser Strecke wirklich sehr kleine Stationsabstände hat) und gehen jetzt einfach an ihren Gleisen entlang.
In der vorweihnachtlichen Winterzeit kämen wir nicht so schnell voran, denn da werden die Gassen von kleinen Ständen und noch viel mehr Weihnachtsmarkt-Besuchern geschmückt. Da gibt’s dann Punsch und Glühwein an jeder Ecke und jede Menge Selbstgemachtes. Der Spittelberg-Weihnachtsmarkt wird seinem Ruf gerecht: Hier werden selten unbrauchbare Touristen-Wien-Mitbringsel verkauft, sondern eben Kunsthandwerk der hier ansässigen Geschäfte und Galerien. Einfach schön!
Was uns als nächstes auffällt, ist ein kleiner Schokoladen auf der rechten Seite mit dem Namen Schokov. Auf Schokolade konnten wir noch nie verzichten – und hier gibt es alle möglichen Sorten. Unter der Woche finden sogar abendliche Schokoladen-Verkostungen statt, wo man von der Bohne bis zur Tafel alles über Schokolade lernt.
Was uns aber auch beeindruckt, ist ein kleiner Mauervorsprung direkt an der Ecke zu diesem Geschäft. Er dient als Leinwand für Street-Art Künstler, die dort in regelmäßigen Abständen neue Kunstwerke anbringen. Wirklich beeindruckend!
Zu den sieben Sternen
Gegenüber des Schokov, bei der Hausnummer 13, befindet sich übrigens das Haus, das der Siebensterngasse ihren Namen gab. Es war mit dem Hausschild „Zu den sieben Sternen” ausgestattet und so wurde 1862 die ganze Straße danach benannt. Über die Jahre setzten sich aber zeitweise auch andere Namen durch. Von 1938 bis 1945 hieß sie zum Beispiel „Straße der Julikämpfer”, weil hier die Vorbereitungen zum nationalsozialistischen Juliputsch 1934 begannen – der damalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß wurde im Zuge dieses Putschversuches ermordet. Aber auch „Schwabengasse”, „Am Holzplatzl” und „Kleine Stiftgasse” waren ehemalige Namen der heutigen Siebensterngasse. Wo früher „Zu den sieben Sternen” war, befindet sich momentan in der Siebensterngasse 13 das griechisch, türkische Restaurant Epos.
Noch immer sind wir also in der Siebensterngasse und noch immer entdecken wir neue, spannende Geschäfte und Lokale. Ein paar Schritte nach dem Restaurant Epos sehen wir eine kleine Auslage und es blitzen bunte Designs von marimekko hervor. Erinnert uns an nordische Länder, denken wir, und schauen hinein. Es handelt sich um den finnshop, der von innen viel größer ist als er von außen scheint.
Nach langem Schlendern, Gustieren und Shoppen haben wir endlich den Siebensternplatz erreicht. Früher war dieser Platz ein grausamer Verkehrsknotenpunkt, wo die Buslinie 13A (damals noch von der Mondscheingasse kommend) und die 49er Straßenbahn den ganzen Bereich einnahmen. Erst durch die neue Route des 13A wurde eine bessere Nutzung des Platzes möglich.
Die Akkumulation an Lokalen und Geschäften, die sich hier befinden, beginnen wir erst gar nicht zu erklären – wir biegen schnell nach links ab in die Kirchengasse, wo wir ein letztes Mal shoppen wollen. Vorne sehen wir schon auf die stressige Mariahilfer Straße, aber hier geht’s noch ruhiger zu.
Glücklich kaufen und Bier saufen!
Zuerst zu sontech – da wollten wir uns eigentlich nur bezüglich eines neuen Handyvertrags informieren, bis wir herausfinden, dass hier auch Koch-Workshops angeboten werden! Dann weiter zu Schuhe für Frauen auf der anderen Straßenseite, um neues Schuhwerk zu besorgen (nach solch einem langen Spaziergang sind unsere ja eh schon ganz ausgelatscht). Und wer sich jetzt ob seines Geschlechts benachteiligt fühlt – in der Zapateria gibt es sowohl Frauen- als auch Männerschuhe. Es bleibt trendig, denn in der Kirchengasse befindet sich außerdem der Shop des Labels Göttin des Glücks. Die Kleidungsstücke sind auch aus den Weltläden bekannt und werden nachhaltig hergestellt.
Als nächstes wollen wir uns eine neue Küchenausstattung besorgen (weil ja gerade spontan der Koch-Workshop gebucht wurde) – also besuchen wir auch noch Geschirr Niessner.
An der Kreuzung zur Lindengasse werden wir von großen Schaufenstern mit Kleidung überrascht und als wir um die Ecke biegen, sehen wir die Aufschrift Kauf dich glücklich über der Tür. Das spricht uns aus der Seele und deswegen schauen wir da auch gleich noch hinein. Nebenan befindet sich der Fachhandel für Berufsbekleidung Schnepf. Neben der Freizeitmode braucht man immerhin auch in der Arbeitszeit das passende Outfit.
Gleich gegenüber besuchen wir Herr und Frau Klein, ein Kindermoden-Paradies. Jetzt haben wir aber wirklich das passende Gewand für jede Lebenslage gefunden. Und außerdem kommen wir der Mariahilfer Straße schon verdächtig nahe. Bevor wir unsere Geldbörse also noch mehr belasten, setzen wir uns ins Shamrock Irish Pub, sagen: „A pint, please!” und lassen den Abend verdienter Weise gemütlich ausklingen.
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