Grätzloasen in Wien

Vielerlei sprießt in letzter Zeit und, wie es scheint, in diesem Sommer besonders artenreich aus dem Wiener Beton. Die Grätzloase ist eine dieser neuen Arten, die uns kleine Aufenthaltsräume in der großen Stadt bieten. In welchem Bezirk wir auch unterwegs sind, laden sie uns ein, im Eilen innezuhalten und kurz oder auch länger zwischen Salbei und Lavendel auf Holzbänken zu verweilen.
Parklet heißt die Grätzloase auch, sie wurde als solche zum ersten Mal 2013 in San Francisco aufgestellt und hat sich seither rasch in allen Großstädten verbreitet, aber bleiben wir doch bei dem wunderbaren Wort Grätzloase, bringt es doch Wien und die Wüste in einem Wort zusammen. Bevor wir ein paar von diesen Vegetationsörtchen in der Betonwüste besuchen noch eine kleine Unterscheidung:

Die Grätzloase ist ein Stadtmöbel aber kein Schanigarten

Von fern sind wir uns manchmal nicht ganz sicher: ist das ein Schanigarten oder eine Grätzloase? Beides ist reizvoll, zweitere birgt aber etwas im städtischen Leben nicht immer Verfügbares in sich: einen gepflegten Sitzplatz inmitten von Blumen und brummenden Hummeln, der uns nichts kostet. Hier heißt es nicht: Was darf es sein? Hier darf man auch wunschlos verweilen auf einem Stadtmöbel nahezu immer aus Holz, kann die Straße und die Vorübergehenden betrachten, Selbstmitgebrachtes trinken und speisen und vielleicht sogar in ein Gespräch mit jemandem kommen, der oder die sich auch fürs Verweilen im Eilen entschieden hat.
Initiativen wie “Grätzloase” und LA 21 (Lokale Agenda 21) machen es möglich, immer wieder schenkt aber auch eine Institution den Menschen ein Stück begrünte Gemütlichkeit mitten in der Stadt. Das Beste: wir alle können uns mit einer Idee für mehr Grünraum im Grätzl bewerben!

Centar Oaza in Wieden – eine kroatische Oase mit argentinischer Musik

Auf der Wieden, nicht unweit vom meist sehr belebten Karlsplatz und auch ganz in der Nähe unseres fulminanten Funkhauses steht in der Schwindgasse die erste Grätzloase auf unserer Route vor dem Kroatischen Kulturinstitut und von diesem gesponsert. Auf ihr hätte sich der spätromantische Maler Moritz von Schwind, nach dem diese Gasse benannt ist, bestimmt gern niedergelassen. Er war aber gerade am Starnberger See verstorben, als man erst begann, diese gründerzeitliche Straße anzulegen, deren Eleganz mehrgeschössiger Mietpalais bis heute erhalten ist. Schwind, der sich malend in eine alte Märchenwelt träumte und der Wiener Oper unter anderem einen ganzen Zauberflöten-Zyklus schenkte, hätte sich vielleicht auch von der argentinischen Tangomusik zu neuen Bilderzyklen inspirieren lassen, die zu uns in der Grätzloase Verweilenden aus dem naheliegenden Tanzstudio “Ayres de Tango” in der Argentinierstraße 17 dringt. Grätzloasen sind einfach länderübergreifend, auch wenn sich das Grätzl nicht immer gut übersetzen lässt.

Grätzloase Schwindgasse (c) Elke Papp
Grätzloase Schwindgasse (c) Elke Papp

Eine Kulturoase zwischen Wildem Wein und Street Art in Mariahilf

Die Sandwirtgasse hat leider kein Wirtshaus (auch wenn sie an das Gasthaus Sandwirt erinnert, in dem einst Andreas Hofer abstieg), sie ist aber alles andere als am Sand. Street Art lädt auf einem neugotischen Haus im Tudor-Stil auf Nummer 6 (die Hausnummernschilder sind auf Greifen über dem Portal angebracht!) zum Stehenbleiben ein und zwei durch wilden Wein zusammengewachsene Gründerzeithäuser mit steinernen Hirschkäfern über der Eingangstür lösen wahre Entzückungschreie aus. In so einer Straße wird die Grätzloase zum wahren Kulturgenuss. Von ihr aus kann auch Richtung Richard-Waldemar-Platz geblickt werden, wo uns ein mehrere Stockwerke hohes Mural entgegenblickt von niemand Geringerem als Stinkfish, der für das Street Art-Festival „Calle libre“ ein Kind auf den Schultern eines Mannes auf die Mauer des Familienzentrums der MA 11 gezaubert hat.

Pausierstation für MarktbesucherInnen und Zwischenstopp für RadlerInnen in Ottakring

Ob nach einem ausgiebigen Besuch am Brunnenmarkt oder auf der Fahrt am Rad von der inneren Stadt ins grüne Altottakring sind kleine Momente des Rastens willkommen. Den Einkauf abstellen, vom Rad absteigen und sich niederlassen: in der Gaullachergasse sogar unter einem roten Sonnensegel und umringt von duftenden Betunien. Sollte es stören, wenn jemand schon dort sitzt und raucht, so gibt es dort genug Platz, um einander nicht zu vergraulen in der Grätzloase, die sich „Daollacher“ nennt und klar und deutlich ausschildert, was auf einer Grätzloase nicht erlaubt ist: lautes Musizieren zum Beispiel.
Ein Stück stadtauswärts in einer der längsten und lauschigsten Radfahrstraßen in Wien, der Hasnerstraße wartet gleich oberhalb der Possingergasse eine lustige, etwas schräge Sitzlandschaft mit Blumen und Kräutern aller Art. Ein kleiner Tauschmarkt ist auch dabei. Und gegenüber bietet sich eine wahre grüne Idylle: ein Kürbisbeet, ein Baum und ein modernes Leiterwagerl.

Grätzloase Gaullachergasse (c) Elke Papp
Grätzloase Gaullachergasse (c) Elke Papp

Eine grüne Insel in gelb in Hernals

Ein wenig unterhalb des charmanten Traditionsetablissements Metropol, in dem heimische Größen und ehemalige Blumenkinder von Welt wie Marianne Faithful auftreten sind die Grünen von Hernals zuhause. Sie laden alle Vorübergehenden ein, auf gelben Sitzmöbeln zwischen hohem Grün Platz zu nehmen und die Landkarte von Hernals zu studieren, die von den Grünen neu geschrieben wurde. Darauf befinden sich unter anderem das Wichtelland, die Dorner-Au oder auch die Parhamas. Wer dabei Stärkung braucht, hole sich gleich von nebenan etwas kleines Feines aus dem “Backhaus”, einer alteingesessenen Bäckerei und Konditorei.
Und wer nach sovielen Oasen in den unterschiedlichsten Grätzln noch mehr Abkühlung braucht, findet das Jörger-Freibad gleich um die Ecke.

 

Elke Papp

Die Stadtverführerin spaziert mit euch an warmen und kühlen Tagen durch die Bezirke Wiens. Das aktuelle Programm ist auf der Website ersichtlich oder schreibt ihr einfach: mail@stadtverführerin.at
Seit Neuem bietet sie auch gemeinsam mit den Austria Guides For Future kulturelle Umweltschutz-Touren an: www.austriaguidesforfuture.at

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Bewertung “Gratis Genuss im Grätzl – eine Reise von Oase zu Oase”

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