Architekturjuwelen des Roten Wien

Stadtbekannt hat sich wieder einmal auf die Spurensuche nach den Architekturjuwelen aus der Zeit des Roten Wien begeben und seinen Stadtspaziergang durch die Ringstraße des Proletariats fortgesetzt. Diesmal ein Streifzug durch den Reumannhof.

Manchmal entsteht der Eindruck, dass viele WienerInnen unbemerkt an der beeindruckenden Architektur aus der Ära des Roten Wiens einfach vorbei gehen. Doch ein genauer Blick auf die Bauten aus jener Zeit lohnen sich, denn es sind Architekturjuwele und in Stein gehauene Zeitzeugen. Mehr über die Ringstraße des Proletariats findet ihr in dem Artikel Stadtsafari im 5.Bezirk.

Ehrenhof
Ehrenhof

Der Reumannhof

Der Entwurf von Hubert Gessner wurde in der Amtszeit des Bürgermeisters Karl Seitz in den Jahren 1924 bis 1926 erbaut. Er ist einer der zentralen Bauten des Roten Wiens und wurde nach dem ersten sozialdemokratischen Wiener Bürgermeister benannt. Die Architektur erinnert an sozialistische Palastbauten und die Anordnung der Gebäude hat eine wehrhafte Wirkung, was nicht von ungefähr kommt, denn im Jahr 1934 war der Reumannhof der Stützpunkt des Schutzbundes. Der sozialistische Gemeindebau wird deshalb als Herzstück der Ringstraße des Proletariats als Volkswohnpalast bezeichnet. Damals kämpfte der Republikanische Schutzbund (der Sozialistischen Partei nahe) gegen die Heimwehr (der Christlich Sozialen Partei nahe).

Stiegenhaus Stiege 2
Stiegenhaus Stiege 2

Das besondere an der Architektur des Roten Wiens sind die vielen kleinen Details, wie die kunstvoll verzierten Nummerierungen der Stiegen oder das Dekor der Hofeingänge. Selbst die Beleuchtungskörper sind Kunstobjekte, welche im Falle des Reumannhofs im Jugendstil gestaltet wurden.
Die großzügig angelegten Höfe laden zum Verweilen ein. Die hohen, alten Bäume in den Seitenhöfen spenden an heißen Sommertagen Schatten. Der ausladende Brunnen im Haupthof vergrößert durch seine Wirkung den Ehrenhof. In seiner Mitte direkt vor dem Brunnen befindet sich eine Büste Jacob Reumanns.

Wie alle Bauten aus dieser Zeit sind Gemeinschaftsräume, wie öffentliche Waschküchen und Institutionen wie der Kindergarten wichtige Elemente der Gemeindebauten, welche den sozialen Zusammenhalt stärken sollten. Auch die Geschäfte und Lokale an der Außenfront sind typisch für Gemeindebauten aus dieser Ära.

Reumannhof Fassade
Reumannhof Fassade

Das Rote Wien – Die Ringstraße des Proletariats

Die radikale Besteuerung von Immobilieneigentum Anfang des 20en Jahrhunderts führte in Wien innerhalb kurzer Zeit zur Zerschlagung des privaten Immobilienmarktes. Dadurch konnte die damals noch sehr junge Gemeinde Wien eine Vielzahl von Grundstücken zu erschwinglichen Preisen erwerben und günstigen Wohnraum für einen Großteil der Wiener Bevölkerung schaffen. Bis 1922 verzehnfachte sich der Grundbesitz der Gemeinde Wien und Anfang 1924 verfügte sie bereits über 2,6 Millionen Quadratmeter Bauland. Im 5. und 12. Bezirk entstanden in der Zeit des Roten Wiens die so genannten Superblocks und mit ihnen die Ringstraße des Proletariats. Die Namensgebung kommt daher, dass sie entlang des Gürtels ähnlich wie der Ring, eine repräsentative Wirkung entfaltet und als Symbol der Stärke der Arbeiterschaft gilt. Innerhalb eines Jahrzehntes, in der Ära des Roten Wiens wurden 382 Gemeindebauten erbaut und damit 65.000 neuen Wohnungen geschaffen. Die Miete für eine Gemeindewohnung betrug für eine/n ArbeiterIn ungefähr vier Prozent ihres Lohns. Karl Seitz war von 1923 bis 1934 Bürgermeister von Wien und stand mehr als zehn Jahre lang an der Spitze des großen kommunalen Aufbauwerkes, er war eine der zentralen Persönlichkeiten des roten Wiens.

Leben im Gemeindebau
Leben im Gemeindebau

 

Literaturtipp
Rotes Wien – 5 Routen zu gebauten Experimenten. Von Karl-Marx-Hof bis Werkbundsiedlung
Inge Podbrecky
Falter Verlag

 

Mehr über das Rote Wien
http://www.dasrotewien.at/
http://dasrotewien-waschsalon.at/in/

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