Begräbnisstätte in der Pfarre St. Michael

Wien soll ja die morbideste Stadt der Welt sein, und das bizarre Verhältnis der Wiener zum Tod wird wohl kaum irgendwo so deutlich wie in der Michaelergruft: zwischen Mumien und Knochenstapeln ist man dem Tod und den Toten nirgendwo sonst so nah wie hier.

Der Fluch der Mumie

Um echte Mumien zu sehen muss man nicht nach Ägypten. Mitten in Wien, unter Hofburg und Looshaus, liegen zahlreiche staubtrockene Herren und Damen der damals besten Wiener Gesellschaft – nachdem die Friedhöfe im 16. Jahrhundert vor die Stadtmauer verbannt wurden, waren Plätze in der Gruft für Normalsterbliche (höhö) beinahe unbezahlbar. So liegen mittlerweile 4000 Menschen unter der Michaelerkirche, natürlich nicht alle in Särgen: die meisten Toten sind in Form von Knochenhaufen erhalten (die Oberschenkelknochen stapeln sich an manchen Orten bis unter die Decke) und auch der Boden besteht aus einer meterdicken Schicht aus Knochenmehl und Kerzenwachs, die über die Jahrhunderte immer höher stieg.

Auf Augenhöh(l)e

Die Särge selbst sind in bedauernswertem Zustand: das Holz wurde von einem Käfer zerstört, so kommt es, dass viele der Särge mehr als nur einen Spalt offen liegen. Einige der Kisten liegen sogar ganz ohne Deckel da, so dass man den Mumien wirklich tief in die Augen (respektive Augenhöhlen) blicken kann. Der Mumifizierungsgrad in der Michaelergruft ist wirklich außergewöhnlich – die ständige kalte Zugluft und die Holzspäne auf denen die Leichen gebettet wurden, trugen zur perfekten Erhaltung der Leichen bei. So kommt es, dass sogar das reinweiße Hemd eines Toten aus dem 18.Jahrhundert noch blitzblank und ohne Flecken ist – vom Staub der Jahrhunderte mal abgesehen, und auch das schwarze Rüschenkleid einer “Sleeping Beauty” glänzt noch wie am Tag der Beisetzung.

Dead Celebrities

Besonderes Gustostückerl ist Pietro Metastasio, Librettist von W. A. Mozart, der hier begraben liegt. Dem Brauch nach wurden seine Eingeweide extra bestattet, und so fristen sie ihr Dasein in einem luftdichten Kupferkessel neben Metastasios Sarg – und zwar laut Touristenführer „noch immer flüssig – wie Apfelkompott von vorgestern”. Eine weitere Berühmtheit die dort unten liegt wäre ein direkter Nachfahre von Christoph Kolumbus – immerhin.

Schwache Nerven?

Wem das zu morbid und zu wenig glamourös ist kann ja die „light Variante“ wählen: in der Kaisergruft in der Kapuzinerkirche liegen immerhin Sissi, Franz Joseph, Maria Theresia und Co – aber leider nicht offen sondern in tonnenschweren Zinnsärgen. Wessen Todessehnsucht nach dem Besuch in der Michaelergruft noch immer nicht gestillt ist, dem seien noch die Katakomben von St.Stephan ans Herz gelegt. Dort liegen immerhin 10.000 Leute.

(Betreten der Gruft nur mit Führung. Führungen werden laufend angeboten, Anruf genügt. Ausserdem herrscht in der Gruft absolutes Fotografierverbot)

Fotos

Keine Bewertungen

Bewertung “Die Michaelergruft – der morbideste Ort Wiens”

Bewertung
Bewerten