Von den Wienern liebevoll Guglhupf genannt

Etwas versteckt, im letzten Winkel des Uni Campus, da findet man ihn. Den Gugelhupf. Da, wo sie früher die Irren, Tobenden und Verrückten eingesperrt haben.

Man erzählt sich die wildesten Geschichten. Gegründet im Jahre 1784 vom Reform – Kaiser Josef II wurden dort bis ins 19.Jahrhundert hinein bis zu 139 „geistig abnorme“ Menschen auf jeweils 13m² festgehalten.

Natürlich birgt ein Ort wie der Narrenturm, der mit einer dermaßen außerordentlich bedrückenden Geschichte und Aura aufgeladen ist, auch besondere Mythen und Legenden. So erzählte man sich hinter vorgehaltener Hand, dass sich  Josef II im sogenannten Oktogon (einem Aufbau des Narrenturmes, welcher auf alten Stichen noch zu sehen ist, aber, so glauben die Verschwörungstheoretiker zu wissen, im Zuge der Umbauarbeiten abgetragen wurde), mit Freimaurern getroffen haben soll.

Der Gugelhupf, wie die Irrenanstalt liebevoll im Wiener Volksmund genannt wird, erhielt seinen Namen durch seine Architektur. Aber auch aus archäologischer Sicht birgt der Bau kleine, zeithistorische Schätze in sich. So findet man dort befestigt etwa die Reste des wahrscheinlich ältesten noch erhaltenen Blitzableiters der Welt.

Narrenschau

Jene gefährlichen Insass*innen, welche man üblichweise als die „Tobenden“ bezeichnete, waren einst in ihren Zellen angekettet. Die anderen, friedlichen und harmlosen Patient*innen hatten das Privileg, sich frei zu bewegen. Die Behandlungsmethoden von anno dazumal scheinen wie einem Horrorfilm entsprungen: Neben Stromschlag-„Therapien“ und Kettenhaft wurden mit den Insass*innen des berüchtigten Hauses oftmals Opfer medizinischer Experimente.

Für die Bevölkerung war der Narrenturm aber vor allem eines: eine riesige Attraktion. Immer wieder gab es neugierige Spatzen, die versuchten einen Blick auf die „Irren“ zu erhaschen. Dem Voyeurismus der Gesellschaft schob man schlussendlich aber einen Riegel vor, indem man eine Mauer rund um den Gugelhupf errichtete.

Bis heute steht er da, wie ein Mahnmal aus einer vergangenen Epoche, in der man gerade erst anfing, sich mit der Seele, dem Geist, der Psyche des Menschen losgelöst von Mystik und Religion zu beschäftigen. Transferiert ins Hier und Jetzt. Ein Mahnmal, das Unbehagen auslöst, verstört und einen  vor Ehrfurcht erstarren lässt. Bis heute ist der Narrenturm ein Ort mit einer besonderen Aura, einer Aura welche selbst den hartgesottensten unter uns schon einmal einen Schauer über den Rücken laufen lässt.

Was ist denn eigentlich schon normal

Wer sich davon selbst überzeugen möchte, für den gibt es die Möglichkeit dazu. Heute beherbergen die Wände des Narrenturmes die Pathologisch-anatomische Sammlung. Nach wie vor können sich hier die Besucher*innen selbst ein Bild machen davon, was denn eigentlich normal ist, und sich im Selbstversuch dem Diskurs stellen, welche Vorstellungen einer Norm wir eigentlich besitzen. Was gilt in einer Gesellschaft denn schon als Norm und was als Abnorm, was ist schon „krankhaft“ und was vielleicht gerade noch „normal“? Den Besucher*innen werden diese Fragen nicht aufgezwängt, sondern man kommt selbst irgendwann an den Punkt, an dem einem diese Frage bewusst wird.

Jedoch: Menschen, die zur spontanen Entleerung ihres Mageninhalts neigen, sollten sich die Tour noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Denn die Führung ist nichts für schwache Gemüter. Neben historischen Artefakten wie medizinischem Werkzeug lassen sich nämlich auch in Formaldehyd eingelegte Körperteile begutachten. Von Ausschlag-zerfressenen Leichenteilen bis hin zum deformierten Baby.

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    Narrenturm | Stadtbekannt Wien | Das Wiener Online Magazin

    […] Narrenturm im Wiener AKH war das erstes Irrenhaus […]

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