25. März 2019

Die Ära Kreisky Teil 2

Plakat Weib du bist frei - Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch (c) STADTBEKANNT

Die Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbrüchen

In Österreich ist es seit 1975 erlaubt eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden. Der Kampf bis zur Einführung der Fristenregelung war ein langer und harter, der auch heute noch nicht endgültig gewonnen ist.

Früher war alles besser? Nein!

Wählen dürfen, eine Universität besuchen, einen Beruf ausüben – Aktivitäten, die für Frauen mittlerweile so selbstverständlich sind, dass nicht einmal mehr ein Gedanke an sie verschwendet werden muss. Früheren Generationen sei Dank, denn es sind Rechte, die im Laufe des letzten Jahrhunderts hart erkämpft wurden. Wählen dürfen Österreichs Frauen seit 1918, studieren erstmals 1897, einen Beruf ohne das Einverständnis ihres Mannes ausüben seit 1975. Vergewaltigung in der Ehe? Die war bis 1989 legal. Früher war also alles besser? Für Frauen sicherlich nicht.

Paragraph 97

Mehr Rechte zur Selbstimmung der Frau ist auch das Recht auf Abtreibung, das durch den §97 (Fristenregelung) seit 1975 im Strafgesetzbuch verankert ist. Darin heißt es, dass ein Schwangerschaftsabbruch dann nicht strafbar ist, wenn er innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate in ärztlicher Behandlung durchgeführt wird. Ein legaler Schwangerschaftsabbruch darf außerdem durchgeführt werden, wenn medizinische Indikationen vorliegen oder die Schwangere zur Zeit der Schwängerung das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

„Mein Bauch gehört mir“

Bis die SPÖ-Regierung unter Bruno Kreisky 1971 einen Gesetzesentwurf für die Fristenlösung vorlegte und diese mit dem 1. Jänner 1975 unter Justizminister Christian Broda in Kraft trat, war es ein weiter Weg. Während nämlich in der NS-Zeit Abtreibung unter Todesstrafe gestellt wurde, führte man in Österreich zu Beginn der Zweiten Republik den veralteten Paragraphen 144 wieder ein. Dieser stammt aus der Zeit Maria Theresias und stellte Schwangerschaftsabbruch unter Haftstrafe. Durch die Zweite Frauenbewegung gestärkt, forderten Frauen und Österreichs erste Frauenministerin Johanna Dohnal (SPÖ) schon bald öffentlich mit dem Spruch „Mein Bauch gehört mir“ die Abschaffung ebendieses Paragraphen. Am 29. November kam es schließlich zur Verabschiedung der Fristenlösung – die SPÖ votete mit 93 Stimmen dafür, die ÖVP und die FPÖ hingegen mit 88 Stimmen dagegen. Es dauerte gerade einmal eine Woche bis die ÖVP Einspruch erhob und die Fristenlösung am 23. Jänner 1974 endgültig alleinig durch die 92 Stimmen der SPÖ im Nationalrat durchgesetzt wurde. Progressive Kräfte konnten sich zum Vorteil aller Frauen gegenüber den Konservativen durchsetzen.

Schwangerschaftsabbrüche weltweit

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden jährlich weltweit rund 56 Millionen Abtreibungen vorgenommen. Zwischen Ländern, in denen Schwangerschaftsabbrüche legal und jenen, in denen sie illegal ist, hält sich die Abtreibungsrate dabei die Waage. Einziger Unterschied – ist Abtreibung illegal, setzen sich Frauen einem gewaltigem Gesundheitsrisiko aus. Denn illegal durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche kosten jährlich mehr als 22.000 Frauen auf der ganzen Welt das Leben. Zu denken, dass Schwangerschaftsabbrüche nur in fernen Ländern nicht legal sind, ist falsch. Auch im nahen Liechtenstein und in San Marino sind sie bis heute unter Strafe gestellt. In Irland wurde die Abschaffung des Abtreibungsverbotes erst letztes Jahr erwirkt.

Konservative Fronten

Auch nachdem der §97 am 1. Jänner 1975 offiziell in Kraft trat, gab es weiterhin Gegenwind, der bis heute anhält. Vor allem die immer noch aktive Organisation „Aktion leben“ sprach sich damals gegen die Fristenregelung aus. 1975 initiierte sie sogar ein Volksbegehren gegen den Paragraphen, das jedoch erfolglos blieb. Auch die katholische Kirche ist bekanntermaßen gegen Schwangerschaftsabbrüche. Während Papst Franziskus Abtreibung als „Auftragsmord“ bezeichnet, sprachen sich ÖVP und FPÖ PolitikerInnen erst vor kurzem mit einer Unterschriftensammlung (teil)prominenter UnterstützerInnen bei der Bürgerinitiative #fairändern für eine Erschwerung von Schwangerschaftsabbrüchen aus. Frauen zum Austragen ungewollter Kinder zu zwingen, ist zwar nicht fair, das scheinen die UnterstützerInnen dieser Initiative zwar übersehen zu haben, aber Hauptsache etwas ändern, scheint die Devise zu sein.

Lichtblicke

Klar ist, dass Schwangerschaftsabbrüche in Österreich unter den Voraussetzungen von §97 in Österreich zwar straffrei sind, aber aufgeführt im Strafgesetzbuch immer noch in einem kriminalisierten Kontext dargestellt werden. Den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft muss frau sich dabei erst einmal leisten können, denn Österreich ist das einzige westeuropäische Land, in dem Abtreibungen nicht als Krankenkassenleistung geführt werden.
Trotz allem gibt es Lichtblicke. Einer davon ist das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch im 15. Wiener Gemeindebezirk und dass es ein solches, in einem konservativen Land wie Österreich überhaupt gibt, grenzt fast schon an ein Wunder.

Genau wie wählen, studieren und arbeiten zu können und dürfen, ist Abtreibung ein Recht. Eines, dessen selbstbestimmte und autonome Ausübung hart erkämpft werden musste. Was viele AbtreibungsgegnerInnen in ihrer Hysterie zu vergessen scheinen ist, dass Abtreibung eben nur ein Recht bleibt. Keine Pflicht, keine Norm, keine Freizeitaktivität, die beim 5. Mal mit Stempel im Sammelpass gratis ist, sondern eben nur ein Recht. Ein Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und den weiteren Verlauf des eigenen Lebens, nicht mehr und nicht weniger. Im Anbetracht der Geschichte der Frauenrechte hierzulande ist das aber schon sehr viel. Und etwas, für das es sich einzustehen lohnt.

Die Ära Kreisky

Die Ära Kreisky Teil 1: Gleichberechtigung
Die Ära Kreisky Teil 2: Fristenlösung
Die Ära Kreisky Teil 3: Bildung

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