31. Januar 2019

Rotes Wien: Die Geschichte einer Ära – Teil 3

Das Rote Wien (c) STADTBEKANNT

Knowledge is power! (Francis Bacon)

Österreich war bekanntermaßen ein spätaufgeklärtes Land, dessen Schulwesen so wie in vielen anderen Ländern auch noch sehr elitär war. Eine Schulreform musste her und sollte einen neuen Zugang und eine andere Sicht auf Bildung schaffen.

Pädagogik vom Kind aus

Der spätere Unterrichtsminister Otto Glöckel, damals Unterstaatssekretär für das Bildungswesen, setzte sich für ein pädagogisches Konzept ein, welches Kindern das Lesen, Schreiben und Rechnen spielerisch beibringen sollte. So entstanden in den Jahren 1923/1924 auch 98 Lesebändchen, später 120, die zur „Wiener Klassenlektüre“ gehörten. Parallel dazu entstanden überarbeitete Lehrbücher für den Heimatkundeunterricht, die sich mit der Geschichte der Wiener Bezirke befassten. Das Prinzip zielte darauf ab einen lehrenden und keinen belehrenden Unterricht zu gestalten und eine weltlichere Sicht auf inhaltlicher Ebene einzuführen.

Rotes Wien und seine Schulpolitik

Nicht nur auf der inhaltlichen, sondern auch auf Ebene der Aus- und Weiterbildung des Lehrpersonals, wurde die neue Schulpolitik umgesetzt. Da Wien 1921 ein eigenes Bundesland wurde und durch die Einrichtung des Wiener Stadtschulrates nicht mehr dem niederösterreichischen Landesschulrat unterstellt war, gestalteten sich manche Reformen nun autonomer und einfacher. Dass die konservative Seite Österreichs sich mit Ideen einer demokratisch-amillitärischen, weltlichen, sozialgerechten, lebens- und arbeitsgerechten und wissenschaftsfundierten Schule nicht recht identifizieren wollte, wundert nicht, da die bürgerlichen Lager ihre Positionen in Gefahr sahen.

Die „Musterschulstadt“ Wien

Das erklärte Ziel Glöckels war die Erlangung höherer Schulbildung vor allem für die Arbeiterschaft. Von 1922 bis 1927 wurden Allgemeine Mittelschulen eingeführt. Diese stellten eine Art Gesamtschule dar, die in den Hauptfächern in zwei Klassenzügen geführt wurden. Zu diesem Zweck richtete die Stadt Wien den Verlag Jugend&Volk ein, der die Schulen mit Schulbüchern versorgte. Für die Ausbildung der Lehrer wurde das Pädagogische Institut der Stadt Wien eingerichtet. Dort wurden Lehramtsstudierende in vier Semestern pädagogisch und schulpraktisch ausgebildet. Die traditionelle Bürgerschule wurde im Jahr 1927 durch den Bildungskompromiss auf Bundesebene abgeschafft und die zweistufige Hauptschule somit eingeführt.

Die Schulreform des Roten Wien war zu damaliger Zeit sicherlich sehr progressiv und modern und ermöglichte Kindern ohne Unterschied der sozialen Lage und des Geschlechts den Schulbesuch. Heutzutage sieht man das in vielen Bereichen anders, da die Hauptschule, mittlerweile Neue Mittelschule, und das Gymnasium wieder für eine Zweiklassengesellschaft stehen.

Das Rote Wien

Teil 1: Die soziale Fürsorge
Teil 2: Der kommunale Wohnbau
Teil 3: Die Schulreform
Teil 4: Die Frauenbewegung
Teil 5: Eine Gesellschaft, die fair werden wollte
Teil 6: Vorhang auf für das Arbeitertheater!

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