19. November 2010

Railjet – eine Hommage

Was wird nicht alles geschimpft über den alten Esel ÖBB. Alles was sich an Staatskritik formulieren lässt, ergießt sich über den Konzern. Zu teuer, zu unpünktlich, zu verschuldet, zu privilegiert, zu wenig marktwirtschaftlich und was sie nicht alles angeblich ist. Und wer denkt an die kleinen armen Lokomotiven, die traurig in ihren Remisen stehen und sich fragen, was sie denn wieder einmal falsch gemacht haben? Niemand, darum stehen wir auf und wagen den ersten Schritt.

Rette die Lokomotiven

Ja über die ÖBB kann man viel Schlechtes sagen. Viel davon ist die Portion Grant die ohnehin jedes Beförderungsunternehmen abbekommt, weil halt nicht immer alles so funktioniert wie es sein sollte. Vieles an Kritik ist auch berechtigt und manches ist eben doch komplexer als sich mit hohlen Phrasen wie „überdimensionierter Staatskonzern“, „Privilegienparadies“ und ähnlichem ausdrücken lässt. Diesmal soll aber vor allem die traurige Lokomotive und ihre Freunde die Wagone Unterstützung erhalten.

Der Railjet

Der heißeste Scheiß im Fuhrpark der ÖBB ist aktuell der Railjet. Zu ihm sind die Positionen höchst kontrovers, die einen hassen ihn, die anderen lieben ihn. Im Folgenden möchte ich ein Plädoyer für den Railjet halten, das Beste was die ÖBB je für mich getan hat.

Der Wilde Westen und die Bahn

Wenn man aus Österreichs wildem Westen in die Hauptstadt gezogen ist, ziemt es sich diese gelegentlich zu verlassen um Freunde/Bekannte und Familie, die zurückgeblieben sind, zu besuchen. Als solcherart Pendelnder kann man viele Geschichten über die ÖBB erzählen. Von Verspätungen, Unfällen, Defekten und sonstigen Ärgernissen. Aber diesmal soll’s ja ums Positive gehen.

Trotzdem ein wenig Nostalgie muss ein. Die besten Zugwagone aller Zeiten, waren die alten, längst nur mehr auf defizitären Nebenstrecken im Pendlerverkehr verkehrenden mit Ledersitzen ausgestattet (was waren die bequem), mit Sechserabteilen und Vorhängen zum Zuziehen. In der intimen Atmosphäre dieser durch Vorhänge verhangenen Abteile, was da alles möglich war (sehnsüchtiges Seufzen).

Der Railjet hat, wie es überhaupt schon lange Usus ist, keine Ledersitze mehr. Er kennt auch das Sechserabteil nicht mehr, stattdessen gibt es nur noch Großraumabteile. Das ist für viele zugleich auch der Hauptkritikpunkt am Railjet.

Kritik, immer nur Kritik

Diese Vorbehalte kann ich nicht nachvollziehen, denn Sechserabteile können mit der Abschaffung der Vorhänge und der Einführung des Rauchverbots ohnehin kaum mehr für irgendjemand Vorteile verschaffen. Sicher, in größeren Gruppen mag ein Sechserabteil immer noch irgendwie lustiger sein, aber im Regelfall ist der/ die Reisende ja allein und allein kann man sich während der Reise im Großraumabteil ebenso beschäftigen wie im Sechserabteil.

Die Vorteile:

Endlich Platz fürs Gepäck, stöhnt der Schwerbeladene, der sich einmal mehr durch einen chronisch überfüllten Zug auf der Westbahn kämpft, verzweifelt auf der Suche nach einem freien Platz. Der Railjet hilft! Er kennt nämlich den Komfort der Gepäckablage. Neben der herkömmlichen, über den Sitzen verlaufenden Gepäckablage, gibt es jetzt endlich auch „Hängematten“ für das schwere Gepäck – was für ein Luxus!

Endlich up to date: Der Railjet weiß wenn er verspätet ist, wann man wo ankommt und einige weitere technische Daten und all das teilt er uns auch mit. Was wir sonst nur aus dem Flugzeug und vielleicht aus Phantasien über eine bessere Verkehrswelt kennen, ist im Railjet endlich wahr geworden. Rund um die Uhr Informationen über den Verlauf der Reise visualisiert auf zahlreichen Monitoren.

Endlich Strom: Railjet Sitze haben eine Steckdose. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für die ÖBB und ein bislang unbekannter Luxus.

Der Railjet hat einen Klapptisch zu jedem Sitz: Ein Klapptisch hat was praktisches, weil man ihn einklappen kann – simple as that.

Der Railjet besticht mit funktionaler Innenarchitektur: Schön anzusehen, bequem und angenehm.

Fazit: Der Railjet ist wundervoll, wenn die Züge jetzt noch etwas (Euphemismus) schneller wären, etwas pünktlicher und ausreichend viele Wagone bereitgestellt würden dann wäre die Welt fast schon zu perfekt um sie noch aushalten zu können.

Foto: ÖBB

Daniel Steinlechner

Mit Fug und Recht: Über Sinn und Unsinn

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