23. Dezember 2014

Pro/Contra Weihnachten

Weihnachtsdorf am Campus der Universität Wien (c) STADTBEKANNT

Pro/Contra Weihnachten

Weihnachten ist da – mit all seinen Vor- und Nachteilen: Konsumrausch, Geschenkepanik, Familienfeiern, Völlerei.

STADTBEKANNT stellt sich dem Alle-Jahre-wieder-Dilemma: Pro oder Contra Weihnachten?

Pro Weihnachten

Gut, dem klassisch ideologiekritischem Ansatz mit seiner immer wieder gern eingesetzten Kapitalismus-Keule kann man nur schwer etwas Substantielles entgegensetzen – wir wissen ja, die Kassen klingeln nie süßer als zu Weihnachtszeit – als Hedonistin die ich bin, möchte ich aber doch eine Hymne auf die leiblichen Freuden an Weihnachten anstimmen.

Weihnachtsbraten, Weinexzess und Wunderkerzen

Wann, außer an Weihnachten, schafft man es an einem EINZIGEN Abend 2-3 Kilo zuzunehmen? Nie meint es die eigene Familie besser als am heiligen Abend, man kriegt unendlich viel zu essen und fühlt sich spätestens nach der zweiten Vorspeise wie eine ungarische Stopflebergans. Auch erspart man sich zu Weihnachten die Studenten-üblichen 2-€-Weine, den dionysischen Freuden wird im Familienkreis normalerweise mit teuren Weinen und Spirituosen gefrönt. Außerdem muss man sich auch in den nächsten Tagen bis Wochen dank fürsorglich in Tupperware verpackten Leftovers keine Sorgen um das leibliche Wohl machen – zumindest bis zum Dreikönigstag reichen die Keks- und Lebkuchenvorräte von Tante Hedwig und Co meistens aus.

Nur Bares ist Wahres

Auch abseits von leiblichen Freuden hat Weihnachten seine Vorteile: auch die strapazierten Finanzen atmen auf: Weihnachtsgeld vom Chef, finanzielle Zuwendungen von Tanten und Onkels von denen man gar nichts wusste – und selbst die schlimmsten und unpassendsten Geschenke können noch nützlich sein. Das quietscherosa verpackte Geschenk der Urgroßtante väterlicherseits dritten Grades mit dem klassischen Inhalt wird man schnell wieder los: „Nein, Tante Irmgard, der Strickpulli mit Babykatzen drauf ist wunderschön – aber er passt mir halt leider nicht, ich tausche ihn einfach um gegen die richtige Größe“. Und er ward nicht mehr gesehen – denn unliebsame Weihnachtsgeschenke mit Kassenbeleg gegen Bargeld zu tauschen ist der beste Weg, den in der Adventszeit stark ausgereizten Kreditrahmen wieder zu besänftigen oder gar zu begleichen.

 

Und mal ehrlich …

Der Stress zur Weihnachtszeit ist großteils einfach selbst auferlegt: Wer Schenken als lästige Pflicht empfindet kann kein guter Mensch sein: Schenken macht Freude! Und auch Geschenke zu bekommen kann etwas sehr schönes sein. Themenverfehlungen wie der Strickpulli sind doch auch eher ein Grund zum Lächeln als zum Ärgern. Der Stress auf den Straßen ist ebenso selbst verschuldet: genau wie beim alljährlichen Verkehrschaos zum ersten Schnee – als ob es in Wien noch nie geschneit hätte – sind die Leute immer völlig überrascht dass zur Weihnachtszeit doch etwas mehr in den Geschäftsstraßen los ist als unterm Jahr – und bekommen Stress. Einkäufe entweder stressfrei online oder schon im November erledigen und alles wird gut.

 

Contra Weihnachten

Kritik an Weihnachten zu üben ist nicht schwer. Die Kritik an Weihnachten ist ja vielmehr so alt wie Weihnachten selbst. Schwierig ist es zwischen der üblichen Suada „ es ist so kommerziell geworden“, „“der Sinn ist abhanden gekommen“, „Kommerzfest“ irgend etwas neues herauszuarbeiten.

Basics

Zur Kritik müssen zunächst die Basic Facts geklärt werden. Klar ist, wir leben in säkularen Zeiten. Das Weihnachtsfest mit seinem christlichen Kern ist längst sinnentleert. Dass das Weihnachtsfest in seiner heutigen Form selbst nicht alt und ein Kind der Moderne ist, verstärkt diesen Umstand noch. Wer also den kommerziellen Charakter und den angeblichen Sinnverlust von Weihnachten beklagt, leistet selbst Arbeit an der Imagination einer erfundenen Historie zu der zurückzukehren als Ziel definiert wird.
Wer den Pfad der Kritik an Weihnachten beschreitet läuft stets Gefahr abzustürzen ins tiefe Tal hochideologischer Annahmen darüber, wie die Welt angeblich auszusehen hat. Diesen Umstand muss sich der/die KritikerIn an Weihnachten bewusst machen.

Weihnachten mir graut vor dir

Weihnachten hat eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion. Ohne den kollektiven Konsumrausch zum Jahresende wären Europas Länder wohl sehr viel ärmer als sie es sind. Kaum eine Einzelhandelsbranche die nicht existentiell abhängig ist von diesem Fest. Viele Jobs gäbe es schlicht nicht, wenn es Weihnachten nicht gäbe. Oder um es anders zu sagen, der Einzelhandel konnte Weihnachten nur deshalb nicht erfinden, weil er selbst nicht die ideologische Kraft entfachen kann, um ein Fest zu einem kollektiven Bezugspunkt im Denken aller Gesellschaftsmitglieder zu machen. Man könnte also froh sein um Weihnachten. Denn geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut (oder so).

Weihnachten ist das Fest, das all diejenigen, die unser Wirtschaftssystem auf Grund seiner Verfasstheit zu nichts außer zum konsumieren mehr benötigt (Maschinen können sich bekanntlich nicht selbst kaufen), ihrer Funktion zuführt. Mehr als das ist Weihnachten einfach nicht.

Ach könnte man nur all die salbungsvollen Reden der kirchlichen und weltlichen Eliten, die Feier der heiligen Familie, all die Moral einfach wegräumen. Idealerweise benennen wir das Fest auch um in „Jahresend – Konjunkturfördermaßnahme“, wir würden nichts verlieren, mehr war da nie.

Aber das können wir natürlich nicht, denn ohne all die Ideologie die sich längst selbst nicht mehr glaubt, wäre der Druck zum Konsum schlicht nicht aufrechterhaltbar. Deshalb ja, Weihnachten ist wichtig und in der einen oder anderen Form feiert es eh jede/r. Natürlich sehr individuell, schließlich sind wir ja nicht von Gestern! Erbaulich muss man dieses Fest des Warenfetischs aber nicht finden, wirklich nicht.

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