13. April 2019

Otto Felix Kanitz

Otto Felix Kanitz (c) STADTBEKANNT

Als Schönbrunn rot wurde

Vor 90 Jahren galt das Wien als Vorzeigemodell für eine bessere Gesellschaft, in der ein neuer Mensch heranwächst. Eine neue Ausstellung widmet sich Otto Felix Kanitz, der die sozialistische Erziehung im Roten Wien wie kein anderer prägte.

Sommer 1919. Das Schloss Schönbrunn, wo einst die kaiserliche Familie die Sommermonate verbrachte, stand nun einsam und verlassen da. Der Kaiser hatte unter dem Druck der Straße abgedankt und hatte das Land verlassen. Der Prachtbau hatte keine Funktion mehr, der Prunk vergangener Tage war verblasst. Doch das sollte bald schon anders werden.

Kinderrepublik

„Du hast drei Tage Zeit, um das Schloss zu beziehen“, diese Nachricht ließ sich Otto Felix Kanitz nicht zweimal sagen. Vizebürgermeister Max Winter, der mit seinen Sozialreportagen die dunkelsten Seiten Wiens beleuchtet und das Elend in der Stadt genau studiert hatte, war es gelungen das leerstehende Schloss für eine Nutzung durch die Kinderfreunde zu bekommen. Eine tolle Sache, nur Kanitz befand sich gerade in Gmünd, wo in einer Barackenstadt 1400 Arbeiterkinder im Rahmen einer großen Hilfsaktion betreut wurden.

Die Republik war erst einige Monate alt, und Hunger und Elend regierten nach den Jahren des Krieges in Wien. Es mangelte an Lebensmitteln und Wohnraum. Tausende Kinder waren verwahrlost. Soweit die Mittel reichten, wollte man zumindest die ärgste Not lindern. Aber mehr als das: In Gmünd wurde die erste Kinderrepublik gegründet, wo die Kinder unter der Anleitung fortschrittlicher Pädagogen ihr Camp selbstverwalteten. Jetzt brauchte es eine schnelle Entscheidung, und Kanitz fuhr mit 100 Kindern nach Wien und zog ins Schloss Schönbrunn ein.

Erzieherschule

Hier entstand nun unter seiner Leitung die Schönbrunner Erzieherschule, eine Ausbildungsstätte für Reformpädagogik, mit der man im Roten Wien die Basis für eine moderne Erziehung legen wollte. Daniela Gruber-Pruner, die heute bei den Kinderfreunden die Pädagogische Leitung innehat: „Was mich an Otto Felix Kanitz so begeistert, ist sein hoher pädagogischer Anspruch an seine Arbeit. Er wollte den Kindern Zugang zu Kunst und Kultur verschaffen und sie mit Demokratie konfrontieren. Heute würde man sagen, er hat sich um alle Bereiche der Kinderrechte gekümmert (Schutz, Fürsorge und Beteiligung) und war damit seiner Zeit weit voraus!“

Jugendfestival

Zehn Jahre später organisierte Kanitz das riesige Internationale Sozialistische Jugendtreffen im Roten Wien, zu dem 50.000 Jugendliche aus ganz Europa pilgerten. Es ist das erste große Festival der Geschichte, ein gewaltiges Zeichen der internationalen Solidarität und der Freundschaft. Neben Konzerten, Aufführungen und Debatten erlebte Wien eine Massenkundgebung am Heldenplatz, der in ein rotes Fahnenmeer verwandelt wurde.

Doch schon kurz darauf erschütterte der „Schwarze Freitag“ die Weltwirtschaft und speziell auch Österreich. Die Krise ging einher mit dem Sieg des Faschismus. Die Hoffnungen des Wiener Jugendtreffens und des Roten Wiens wurden unter den Trümmern des nächsten Weltkriegs begraben. Otto Felix Kanitz wurde ins KZ Buchenwald verschleppt, wo er ums Leben kam. Vor kurzem wurde in Floridsdorf ein Gemeindebau nach ihm benannt, nun wird im Roten Waschsalon seine Arbeit im Roten Wien mit zwei Sonderausstellungen geehrt.

Infos zu den Sonderausstellungen
Otto Felix Kanitz und HELDENPLATZ ’29. DAS ROTE WIEN ZWISCHEN FEIER UND FASCHISMUS

Buchtipp
Otto Felix Kanitz – Vom jüdischen Klosterschüler zum Top-Roten der Zwischenkriegszeit
Heinz Weiss
Echomedia
ISBN 978-3-903113-14-5
Preis: 24,90 Euro

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