5. Juni 2019

Mit Greta für das Klima streiken

Klimaschutz (c) STADTBEKANNT

Globale Klimastreikbewegung

Der Wienbesuch von Greta Thunberg hat der Bewegung gegen den Klimawandel neuen Schwung verliehen. STADTBEKANNT war live dabei und hat mit KlimaaktivistInnen gesprochen.

Der Klimawandel ist mittlerweile ein Fakt und kann nicht mehr vom Tisch gewischt werden. Die Folgen sind schon jetzt in vielen Fällen katastrophal. Die Artenvielfalt ist bedroht, eine Million Tierarten könnten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gänzlich verschwinden. Durch das Abholzen von tropischen Wäldern, die industrielle Landwirtschaft, den Fischfang und generell die vom Menschen verursachte Erderwärmung wird die Lebensgrundlage von unzähligen Tierarten zerstört, was auch für den Menschen selbst verheerende Folgen hat.

Alle seriösen, wissenschaftlichen Prognosen zeigen, dass Feuer am Dach ist. Und wenn der heurige Mai auch verregnet war und wir uns derzeit auf sommerliche Temperaturen freuen, sollte eins klar sein: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass 2019 weltweit betrachtet eines der heißtesten Jahre sein wird, seit es Aufzeichnungen gibt. Das Auftauen des Permafrosts, das Schmelzen der Gletscher und Pole, Hitzewellen und die Dürre in vielen Teilen der Erde werden eine weitere Schockwelle auslösen.

Politik der Symbole

Unter dem Druck der Fakten gibt es immer mehr Konferenzen und Gipfeltreffen zum Thema Klimawandel. In Wien fand nun der „R20 Austrian World Summit“ statt, der von Arnold „The Terminator“ Schwarzenegger gehostet wird. Es gehört mittlerweile fast schon dazu, die 16 jährige Schülerin Greta Thunberg, die längst zur Ikone der globalen Klimastreikbewegung „Fridays for Future“ geworden ist, zu diesen Gipfeltreffen einzuladen. Dort hängen ihr PolitikerInnen und Promis gespannt an den Lippen, lassen sich von ihr die Leviten lesen und sich mit ihr ablichten, doch der Output dieser Veranstaltungen ist meist nicht mehr als eine erneute Absichtserklärung. Den Worten folgen in der Regel nicht die Taten, die es in dieser Extremsituation brauchen würde.

Die „Action“, die Schwarzenegger symbolisieren sollte, blieb auch diesmal in Wien aus. Einmal mehr wurde nur versucht, mit ökologischen Vorzeigeprojekten aufzuzeigen, wie im Kleinen Unternehmen oder Gemeinden etwas verändern können. Das große Ganze der Weltwirtschaft traut sich niemand anzugreifen. Deshalb ist es längst …

5 vor 12!

Als wir knapp vor der Mittagsstunde am Freitag, wie schon so oft in den vergangenen Wochen, am Heldenplatz eintrafen, war diesmal schon volle Action. Den schulfreien Tag nutzten Tausende Kids, um gemeinsam mit Greta Thunberg ein Zeichen zu setzen. Doch was als Schülerbewegung startete, ist längst mehr. Auf den Rasenflächen hatten es sich Familien gemütlich gemacht, erwachsene UmweltaktivistInnen waren in großer Zahl gekommen und lauschten den aufrüttelnden Reden der „Scientists for Future“, der „Artists for Future“ und der „Farmers for Future“.

Den Faktensammlungen zum Klimanotstand folgten erneut Appelle an „die Politik“, endlich aktiv zu werden. Inmitten der Kundgebung trafen wir auch namhafte PolitikerInnen, wie Pamela Rendi-Wagner oder den Nationalratsabgeordneten Andreas Kollross (48), der als Jugendlicher selber das System grundsätzlich infrage stellte. Im STADTBEKANNT-Interview sagte er:

„Es ist mir bewusst, dass es viele gibt, vor allem Männer in meinem Alter und darüber, die nicht viel Gutes zu Greta Thunberg zu sagen haben. Ich jedenfalls finde diese junge Frau großartig, vor allem mit welcher Energie sie selbst und durch sie Hunderttausende Jugendliche weltweit sich in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen. Wir ‚Alten‘ müssen das ernst nehmen. Es ist unsere Aufgabe zu handeln. Klimaschutz ist Jugendschutz, ist Menschenschutz. Wir dürfen diese Jugend nicht enttäuschen.“

Greta Thunberg hat in ihrer Rede beim Klimastreik auch aufgezeigt, was sie sich von den Erwachsenen erwartet: „Streikt in eurer Arbeit! Geht auf die Straße!“ Ihr Ziel ist ein weltweiter Generalstreik. Und sie weiß auch, dass die Bewegung einen langen Atem braucht, weil die politischen Entscheidungsträger nicht oder nur zu langsam handeln, und in vielen Fällen auch offen gegen diese Bewegung auftreten. Ihre MitstreiterInnen bereitet sie darauf vor, dass man noch lange auf die Straße gehen wird müssen, bis sich etwas ändern wird.

Appelle an die Politik

Das hat auch seine Gründe. Der Kampf gegen den Klimanotstand würde sehr radikale Maßnahmen erfordern. In Wirklichkeit geht es um die Errichtung einer völlig neuen Wirtschaftsordnung. Dem stehen aber die Interessen jener entgegen, die davon profitieren, wie heute gewirtschaftet wird. Genau diese Konzerne sind es aber, die für 70 Prozent der gesamten Treibgasemissionen verantwortlich zeichnen. Und diese Unternehmen nutzen ihre Macht dafür, dass die Regierungen bestenfalls Symbolpolitik machen. Florian Keller, von der Jugendzeitschrift „Fightback“, der in den vergangenen Wochen SchülerInnen bei der Organisierung von Protestaktionen unterstützt hat, erklärt, warum dies so ist: „Im jetzigen System ist der Umweltschutz, wie auch die Gesundheit und Löhne der ArbeiterInnen, nur ein Kostenfaktor. Alle Regierungen haben sich auf die eine oder andere Weise die Bewahrung des Profitsystems auf die Fahnen geschrieben – und müssen daher zwangsweise nach seinen Regeln spielen.“

Die unzähligen SchülerInnen mit ihren bunten, selbstgebastelten Schildern wollen weitermachen. Letzten Freitag waren es in Wien 35.000 Menschen, die dem Beispiel von Greta folgten. Auf nicht wenigen Schildern und Transparenten wurde der Verursacher des Klimawandels direkt genannt: „Capitalism kills our future“. Und die Forderung von vielen lautet „System change not climate change“. Die Organisatoren von „Fridays for Future“ vertreten dazu eine andere Sicht: „Bei thematisch unpassenden Schildern bitten wir darum, diese nicht zu dem Demos mitzubringen. (…) Unser vorrangiges Ziel ist es nicht, das kapitalistische Wirtschaftssystem zu überwinden.“ Vielmehr will man weiterhin darauf hinwirken, dass sich eine „neue Art der Politik, eine neue Art der Wirtschaft und eine neue Art des Denkens“ durchsetzt.

Radikalere Aktionsformen

Die Weigerung der Regierungen zu handeln, führt aber dazu, dass immer mehr KlimaaktivistInnen beginnen auf radikalere Aktionsformen zu setzen. Das passierte vergangenen Freitag auch in Wien, als kleinere Gruppen, wie „Ende Geländewagen“ abseits der Großdemo noch wichtige Verkehrsknotenpunkte in der Wiener Innenstadt blockierten. Die Gruppe „Extinction Rebellion“, die für solche Aktionen „zivilen Ungehorsams“ ebenfalls bekannt ist, begründet dies mit den Worten: „Generell sind Straßenblockaden ein Zeichen des Protests gegen ein System, dass unsere Lebensgrundlagen zerstört. Dieser Protest richtet sich nicht gegen die Autofahrenden selbst, sondern gegen eine Politik, die keine Alternativen für ökologisches Handeln bietet.“ Ihr Handeln erklären sie mit folgendem Bild: „Wenn KinobesucherInnen ein Feuer bei einer gut besuchten Kinopremiere bemerken, werden sie laut ‚Feuer!‘ schreien, um andere zu warnen. Natürlich stören sie damit den Kinoabend von unschuldigen BesucherInnen, aber ohne diese Störung des normalen Ablauf sind alle in Lebensgefahr, weil niemand lautstark auf die Gefahr hingewiesen hat.“ Letztlich geht es hier also auch um einen Appell an die Politik, gepaart mit dem Versuch, ein „neues Selbstverständnis von Gesellschaft“ als notwendig zu erklären.

Die Klimabewegung steht nun an einem Scheideweg. Es stellt sich die Frage, welches Programm und welche Aktionsformen zielführend sein können. Florian Keller will dabei an Greta Thunbergs Aufruf nach einer Ausweitung der Proteste anknüpfen: „Unsere Verbündeten in diesem Kampf sind die ArbeiterInnen, die durch das gleiche kapitalistische System ausgebeutet werden, das die Umwelt zerstört. Der Kampf gegen den Klimawandel bedeutet, weltweit eine Wirtschaft durchzusetzen, die die Bedürfnisse der Menschen und die Rettung unseres Planeten zum Zweck der Produktion machen könnte.“

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