12. Februar 2014

Mariahilfer Straße neu – Ein Erfahrungsbericht

Mariahilfer Straße (c) STADTBEKANNT

Mariahilfer Straße – ein heißes Pflaster

Viel wurde debattiert und gestritten über die neue Fußgängerzone auf der Mariahilfer Straße, und wie es aussieht, hat die Debatte auch nicht so schnell ein Ende.

Befürworter freuen sich, endlich ein Stück Stadt von den Autos zurückerobert zu haben und bejubeln die neue Ruhe und Bewegungsfreiheit. Gegner verweisen auf den Ausweichverkehr in die Umgebung und streiten der Fußgängerzone jegliche Zukunftsaussichten ab.

Wem nun glauben? Am besten, man macht sich selbst ein Bild.

Begegnungszone Markierung (c) Mehofer stadtbekannt.at
Begegnungszone Markierung (c) Mehofer stadtbekannt.at

Ungewohnte Leere

Schon am Westbahnhof, wo die Mariahilfer Straße beginnt, sticht die veränderte Lage ins Auge. Etwas ist anders, merkwürdig anders trotz der vielen Menschen, die hier unterwegs sind; beunruhigend und ungewohnt ruhig. Woran das liegt? Wohl am arg zusammengeschrumpften Verkehr. Nur wenige Autos fahren ein in die sogegannte Begegnungszone, also jenen Bereich, der nach wie vor mit Tempo 20 befahrbar ist.

Die Mariahilfer Straße komplett zu durchfahren ist mit der Fußgängerzone zum Ding der Unmöglichkeit geworden. Einzige Ausnahmen: Taxifahrer, Linienbusse und morgendliche Zulieferer. Sie dürfen, in moderatem Tempo, wohlgemerkt, passieren.

Radfahrer Mariahilfer Straße (c) stadtbekannt.at
Radfahrer Mariahilfer Straße (c) stadtbekannt.at

Fahrbahnscheu

Was die Einkaufenden angeht, so sind in der Begegnungszone nur wenige Fußgänger auf der Mitte der Straße anzutreffen. Trotz der mehr oder weniger eindeutigen Markierungen am Boden scheint die Fahrbahnmitte den meisten ein suspektes Terrain zu sein. Und das ist auch kein Wunder. Erstens fahren doch einige wenige Autos durch und zwingen zum Ausweichen. Zweitens sind Radfahrer, Skater und Mopeds, selbst wenn es nicht allzu viele sind, wie entfesselt unterwegs.

Taxi Fußgängerzone (c) Mehofer stadtbekannt.at
Taxi Fußgängerzone (c) Mehofer stadtbekannt.at

Erinnerungen an eine Kampfzone

Ich lasse mir das Vergnügen nicht nehmen und gehe trotzdem auf der Fahrbahn, erlebe die plötzliche Leere an diesem Ort, in Erinnerung an die ungezählten Beinahe-Tode als Radfahrerin zwischen Abgasen, aggressiven Seitenspiegeln und Radlern mit Brems- und Denkhemmung. Es ist vorbei, das Fahren in der Kampfzone auf weniger als einem halben Meter, das vorsichtige Voranschlängeln zwischen parkenden und vor Ampeln wartenden Autos. Insgeheim wünsche ich mir mein Rad herbei. Ich will fahren, jetzt, hier! Was für ein tolles Gefühl wäre es, die Mahü hinunter zu rasen, allein auf weiter Flur…

Ein Radfahrer mit geschätztem Tempo 40 rammt mich fast und unterbricht meinen Gedanken. Dankbar, dass es zu keiner physischen Begegnung mit der beschleunigten Masse kam, setze ich den Weg fort. Das Ende der Begegnungszone und den Beginn der Fußgängerzone erreiche ich gemütlich dahin schlendernd und ohne überfahren zu werden.

Citybikes (c) Mehofer stadtbekannt.at
Citybikes (c) Mehofer stadtbekannt.at

Ein kleiner Abschnitt

Eigentlich ist sie ja verschwindend kurz, die tatsächliche Fußgängerzone. Nur etwa ein Viertel der inneren Mariahilfer Straße ist tatsächlich exklusiv für Fußgänger und Radfahrer. Von der Andreasgasse bis zur Kirchengasse reicht der kurze Abschnitt und umfasst somit die Umgebung der U 3 – Station Neubaugasse. Der Rest der Mahü muss mit anderen Verkehrsteilnehmern geteilt werden.

Er ist rasch durchwandert, der Abschnitt, obwohl ich mir Mühe gebe, langsam zu gehen. Bald schon höre ich wieder Motoren. Oh, schon wieder aus, denke ich mir. Und: Viel zu kurz. Warum keine längere Fußgängerzone, wenn schon eine eingerichtet wurde? Aber man will nicht undankbar sein. Man freut sich ja auch, wenn der Zimmerpflanze ein kleines neues Blättchen wächst.

 

Die Crux mit dem Bus

Dass auch ein großer Teil der Fußgängerzone nicht motorenfrei ist, dafür sorgt die häufig fahrende Buslinie 13 A, die zwischen Neubau- und Kirchengasse unvermeidbarerweise das Spaziervergnügen trübt. Denn gehen darf man auf dem gar nicht so schmalen roten Bus-Fahrstreifen nicht. Nur Queren ist erlaubt. Was bedeutet, dass de facto nur von Andreasgasse bis Neubaugasse gänzlich ungestört flaniert werden kann (von Rowdys auf Rädern, Skateboards und ähnlichen Gefährten einmal abgesehen).

 

Die Busspur ist wie ein Magnet. Viele, vor allem nichts ahnende Touristen, gehen mit Vorliebe auf dem roten Teppich. Bepackt mit Einkaufstaschen und Hand in Hand, bis der Bus kommt. Der Busfahrer ist zu bewundern ob seiner Contenance. Kein einziges Mal hupt er, obwohl ständig Menschen seinen Weg blockieren.

 

Vom Nörgeln und Gaffen

An der Schnittstelle Neubaugasse stehen einige Leute zusammen und beplaudern die neue Lage, manche mit neugierigem Interesse, andere im grantigen „aber-früher-war’s-gscheiter“-Tonfall. Eine Gruppe älterer Damen hat sich zusammengefunden. Sie beschweren sich. „Das mit dem Bus ist deppert“, hört man eine sagen, „Gefährlich. Da hätt’ man gleich alles so lassen können.“ Eine andere kontert: „Geh bitte, da is’ ja eh Platz daneben.“ Viele stehen nur herum und schauen.

Ich persönlich habe nichts zu beanstanden, bis auf eines: die Luft.

Kreuzung Neubaugasse (c) Mehofer stadtbekannt.at
Kreuzung Neubaugasse (c) Mehofer stadtbekannt.at

Mysteriöse Dünste

An der Kreuzung Neubaugasse steigt mir plötzlich ein scharfer wie unguter Geruch in die Nase, von dem ich zunächst nicht weiß, wo er herkommt. Bis zur Erkenntnis: Es muss wohl die rote Farbe der Busspur sein, die da stinkt. Und zwar gehörig. In der aufsteigenden Hitze des Tages ist der penetrante Geruch recht lästig. Ich tröste mich damit, dass dies wohl vergehen wird und versuche, die üblen Dünste zu ignorieren. Nach ein paar Minuten ist mein Geruchsinn bereits angenehm abgestumpft, bzw. meine Riechzellen haben den Geist aufgegeben. Ich vergesse den Gestank.

 

Neue Welt

Immerhin gibt rundherum genug zu beobachten. Skater, die mitten auf der Straße kunstvolle Kurven fahren. Inlineskater, Familien mit Kinderwägen, Kinder auf Mini-Scootern. Und natürlich Fahrräder in allen Variationen. Den Touristen taugt’s ebenfalls. Sie fotografieren sich gegenseitg mitten auf der Straße, posieren, grinsen in die Kamera. Zwei Mädchen mit prall gefüllten Einkaufstaschen – es mussten mindestens drei pro Mädchen gewesen sein –  hüpfen laut kichernd vom Gehsteig auf die Straße. Früher wären sie wohl überfahren worden.

Fußgängerzone (c) Mehofer stadtbekannt.at
Fußgängerzone (c) Mehofer stadtbekannt.at

Ich denke an die vielen Beschwerden, die Welle der Ablehnung, die in den Medien so präsent war. Hier, in der Fußgängerzone selbst, merkt man wenig von der großen Unzufriedenheit. So wie der Verkehr zur Ruhe gekommen ist, scheinen sich auch die Menschen zu entspannen.

Es ist Samstag Mittag, und niemand wird im Gedränge am Gehsteig zerquetscht. Wer hier einfach nur ein bisschen spazieren gehen will, kann das tun. Ohne Stress, ohne Druck der einkaufswütigen Menge. Es ist ja genügend Platz.

Anna Mehofer

9 Kommentare

  1. wen wunderts

    19. August 2013

    tja
    kein wunder, dass die unzufriedenheit nicht merkbar ist, da die menschen ab sofort einfach die strasse und somit auch die geschäfte meiden. Wann wird man es merken? Spätestens im Weihnachtsverkauf, wenn die leute, in die einkaufszentren fahren, wo sie einen parkplatz finden, denn niemand will die einkäufe in der kälte herumspazieren und öffentlich fahren…

    Reply
  2. @tja

    19. August 2013

    Dann such dir halt deinen Parkplatz
    in der komplett überfüllten SCS.
    Ic spazier lieber durch die Kälte und trink auf dem Weg ein paar Punsch, ist gleich viel gemütlicher…

    Reply
  3. 1070wien

    19. August 2013

    no sorry
    liebe Anna Mehofer…..

    ja.. es war Samstag Mittag…. und ausser, sorry militante Radfahrer, hat keiner die Fahrbahn benutzt und Stress gab es deswegen nicht, weil es 34 Grad warm war und ein vernüftiger mensch dann eh net shoppen geht und keiner einkaufswütig war…. denn…. wer wirklich einkaufen will rennt nicht wie eine Kuh in der Mitten auf der Fahrbahn!!!

    Reply
  4. wosie

    20. August 2013

    alternative zur hauptallee
    bisher hab ich die mahü gemieden, hab sie gleichgesetzt mit shopping- und verkehrswahn. aber unter diesen vorzeichen werd ich sicher wieder öfters hingehen oder mit meiner tochter entlangradeln (mal was anderes als die hauptallee) – und auch das eine oder andere einkaufen…

    Reply
  5. Togo

    20. August 2013

    Chaos pur!!
    Auf der Strasse spazieren nur die, die provozieren wollen, was für einen anderen Grund gibt es sonst? Wenn ich einkaufen möchte, gehe ich am Gehsteig, um die Auslagen anzuschauen…Und als Radfahrer möche ich zügig vorankommen, da ist jeder Fußgänger auf der Strasse im Weg. Für genüssliches Radfahren ist die Mariahilferstrasse der falsche Ort.

    Reply
  6. weinspitz

    20. August 2013

    Jaja SCS…
    …wenn die Leut einmal draufkommen würden, wie weit sie in den Einkaufszentren zu ihrem Auto hatschen, da wären sie vermutlich in der Stadt oft schon zu Haus.

    Reply
  7. sisi

    20. August 2013

    und was ist mit dem Rest?
    Fußgängerzone schön und gut, leider ist der Busabschnitt viel zu breit – da hat man gar nichts von der Straße – und dort wo der Bus nicht fährt fahren einem die Radfahrer über die Füße (liebe Anna – die Tempo 40 bleiben hoffentlich ein Wunschgedanke!)
    Außerdem finde ich es toll das alle die Straße begutachten und hier pro und contra geben… was ist denn mit den Nebenstraßen die den ganzen Verkehr jetzt auffangen müssen? Wer macht hier einen Lokalaugenschein?

    Reply
  8. Anrainer

    9. September 2013

    Auf einem Auge blind
    Zitat: "So wie der Verkehr zur Ruhe gekommen ist, scheinen sich auch die Menschen zu entspannen."

    Gehen Sie mal in die Seitengassen und atmen sie tieeeeef ein. Sie werden erkennen müssen: das Problem wurde einfach nur verlagert. Zahlen Sie Miete dafür, dass sie NICHT wohnen können (Abgase, Lärm etc.). Falls Sie gerne Wohnungstausch machen möchten, sind Sie herzlich eingeladen (Arztbesuch garantiert inklusive). Wenn Sie also auch mal das andere Auge zum Sehen benützen würden, wäre Ihre Erkenntnis deutlich vollständiger ausgefallen. Immer wieder interessant, wie Ideologien jeglicher Coleur (egal ob links od. rechts) Wahrnehmunsstörungen verstärken und Fakten zurecht biegen.

    Reply
  9. Neubau

    9. September 2013

    Verdrängungsmechanismen
    In Anlehnung an das Vorposting 🙂 Kommt ein Schwerhöriger zum Arzt. Arzt: Ich habe eine schlechte u. eine gute Nachricht. Zuerst die schlechte: ihr Krebs hat leider im gesamten Körper Metastasen gebildet. Patient: Hä??? Arzt – nun laut schreiend: Und nun die gute Nachricht. Den Tumor im Darm konnten wir chirurgisch entfernen! Patient: Hurra ich bin geheilt!!! Offenbar benötigen einige Verdränger eine besondere Erklärung. Was verlagert ist, ist nicht einfach weg sondern nur anderswo. Daran ändert auch lautstarkes Behaupten von Unwahrheiten nichts, capito? Freuen wirds aber die gut betuchten Mieter der Mariahilferstraße. Die neue Klientel der Grünen???

    Reply

Kommentieren

Die Emailadresse wird nicht angezeigt