10. Juni 2010

“Man muss es thematisieren. Wenn man es nicht thematisiert: es geht durch”.

Florian Scheuba im Gespräch.

Dass Politsatire als Form des Widerstands in einem Land wie Österreich nicht erst essenziell ist, seit sich Wolfgang Schüssel auf den Beifahrersitz von Jörg Haiders Porsche setzte um diesen politisch zu entzaubern ist selbstredend – und wenn es um Politsatire, um politisches Kabarett oder wie auch immer man es nennen will geht, dann kommt man am Namen Florian Scheuba einfach nicht vorbei. Sei es in unzähligen Kabarettprogrammen (unter anderem dem genialen „Zwei Echte Österreicher“ aus dem Jahr 2000, in dem Scheuba den verstorbenen Kärntner Landeshauptmann, sicherlich eine seiner Paraderollen, mimt – von den Hektikern ganz zu schweigen), als Kolumnist, Autor, Schauspieler und nicht zuletzt als ungemein pointierter und bissiger Interviewer/Journalist für diverse Zeitungen: Florian Scheuba ist als Satiriker und als politische (Gegen-)Stimme in der österreichischen Kabarett- und Kunstlandschaft nicht wegzudenken. Umso erfreulicher, dass sich der sympathische 45-jährige die Zeit nahm, stadtbekannt zum Gespräch zu treffen.

Detailliert auf alle Schaffensstationen von Florian Scheuba einzugehen, hätte den Gesprächsrahmen wohl ums Vielfache gesprengt – alleine mit den Hektikern gab es 14 Programme, ganz zu schweigen von anderen Kooperationen, unter anderem mit Thomas Maurer („Zwei Echte Österreicher“), Robert Palfrader („Männer Fürs Grobe“), Rupert Henning („Cordoba“) – daneben noch seine Arbeit im Film („Freundschaft“ oder die „Karl Kraus“-Dokumentation, u.a.), Fernsehen („Die 4 Da“ mit Erwin Steinhauer, Rupert Henning und Thomas Maurer, „Dorfers Donnerstalk“ u.v.m.) oder Scheubas Kolumnen. So entwickelt sich unser Treffen vor allen Dingen zum Gespräch über Politik, Satire und Kabarett – Scheuba plaudert unkompliziert aus dem Nähkästchen, erzählt uns über seine Anfänge bei den Hektikern und wie sich seine künstlerischen Interessen weg von den Themen der Anfangstage, hin zum Politischen entwickelt haben, über seine Begegnungen und Interviews mit Politikern und über seine Meinung zur österreichischen Politlandschaft.
„Growing Up In Public“
Die Hektiker hat Florian Scheuba, gemeinsam mit seinen Schulfreunden Mini Bydlinski, Wolfgang „Fifi“ Pissecker und Werner Sobotka, 1981 gegründet. Zwischen schriftlicher und mündlicher Matura hatte das zweite Programm Premiere. Bevor das Kabarett und die Hektiker zu Scheubas Hauptberuf wurden, gab es noch ein Jahr, in dem Scheuba, neben einem Theaterwissenschafts- und Publizistik-Studium („Ich kenne also euer Schicksal“, wie er sich schmunzelnd mit uns solidarisch zeigt), als Journalist bei der „Presse“ arbeitete , außerdem moderierte er zuvor die ORF-Sendung „OK“. Eine gute und richtungsweisende Erfahrung, wie er sagt: „Das war wertvoll, weil ich wusste, was ich in Zukunft nicht so machen möchte“.
 
Aufgrund des stetig steigenden Erfolges, wurden die Hektiker für Scheuba recht bald zum Hauptberuf.
Scheuba: „Es ist passiert, es war nie der Masterplan da zu sagen, ich mach jetzt das und das. Es war einfach da, es hat funktioniert und ich hab mir gedacht ´na super, ist doch fein! Und die Leute wollen das sehen, es kommen von Mal zu Mal mehr Leute, super, mach ma‘ das weiter!´“
Dass sich, vor allen Dingen nach dem Ausstieg von Bydlinski, die Themen und die Ausrichtung der Hektiker immer mehr in die politische, satirische Richtung bewegt hat, sei ein normaler Prozess gewesen. Gewisse Sachen waren einfach ausreichend thematisiert und mit dem Erwachsenwerden haben sich natürlich auch die Interessen in andere Richtungen entwickelt: „Da gibt´s eine Autobiographie von Lou Reed, die heißt „Growing Up in Public“ und das ist genau was bei uns passiert ist. Das was wir früher gemacht haben ist überhaupt nicht mehr mit dem zu vergleichen, was später passiert ist“.
„Wir sind uns erst langsam bewusst geworden welche Möglichkeiten wir haben. Es war ein gewisser Automatismus drin, von Programm zu Programm(…). Es wurde in der Frühphase relativ wenig hinterfragt ´was machen wir da überhaupt‘. Es ging darum, dass wir selber eine Hetz haben. Und wenn uns Leute dabei zuschauen wollen, wie wir selber eine Hetz haben… (lacht), na großartig“.
Der Mehrwert und die aufklärerische Funktion
Dass Kabarett die Gesellschaft mit erhobenem Zeigefinger belehren soll, hält Scheuba für einen falschen Zugang – eine Resignation und Hinwendung zum Belanglosen aber umso mehr:
„Einerseits soll man sich nicht die Illusion machen, dass die Leute, die dort drinnen sitzen geläutert rausgehen, das ist ganz klar. Andererseits finde ich den umgekehrten Standpunkt, dass es eh völlig sinnlos ist und dass alles nur ein Schmäh ist – das ist mir zu zynisch, und ich glaub da auch nicht dran. Gerade zum Beispiel wenn ich schau, was wir bei „Die 4 Da“ gemacht haben: unabhängig davon, dass ich selber beteiligt war und dass ich es auch lustig fand, finde ich es als Staatsbürger gut, dass das thematisiert wurde.(…) Das hat eine gewisse aufklärerische Funktion. Man darf das nicht unterschätzen: wenn man sich hinstellt wie ein Lehrer auf der Volkshochschule und die Leute belehren will, ist das ein völlig falscher Ansatz – aber gleichzeitig glaube ich schon, dass es möglich ist, gewisse Sachen zu thematisieren und Leute anzuregen in eine Richtung zu denken, in die sie vielleicht noch nicht gedacht haben“.
Barbara Rosenkranz hat der Kabarettist im Laufe der letzten Jahre mehrmals thematisiert, unter anderem in „Die 4 Da“, wo er die unleidige Ex-Präsidentschaftskandidatin auf einer Sonnwend-Feier mimte – auch der Text anlässlich der „Die 100.000 wichtigsten Österreicher Kolumne“ war gerade in letzter Zeit (Scheuba las diesen auch auf dem „Lichtertanz gegen Rosenkranz“) wieder prominent. Gibt es eigentlich irgendwas, das schon nicht mehr thematisierbar ist?
„Für mich besteht die Kunst, etwas daraus zu ziehen, dass einen Mehrwert hat. Und im Falle der Rosenkranz ist es mir mit diesem Text gelungen. Der Text ist vom reinen Phänomen Rosenkranz ein schöner Text, da wird eine Vorlage aus der Wirklichkeit gegeben und eine satirische Erhöhung erzählt mehr darüber. Beim Strache ist es so, dass er selbst wie eine Parodie agiert. Strache nachzumachen widerstrebt sich mir in vielen Punkten, weil er Haider imitiert – schlecht imitiert. Das ist völlig absurd, wenn man sich seine Sprachmelodie ansieht, seinen Duktus: er versucht, Manierismen des Haider zu übernehmen, und übernimmt sie auch. Um Strache nachzumachen, müsste man den Haider schlecht nachmachen (lacht), da überkommt mich dann die Unlust. Natürlich muss man etwas dazu sagen, sonst gibt man ja w.o. – zu sagen, der ist so daneben, über den sag ich nichts, hieße seine Augen vor der Realität verschließen, das fände ich komisch.“
 
Scheuba verbindet man natürlich auch mit der Rolle des Jörg Haider, dessen Darstellung er viel mehr – „wie ein Schauspieler den Hamlet“ – als eine Rolle sah, als eine Parodie, ihn genau studierte, körpersprachlich und stimmlich. Am besten ist dies nachzusehen im Kabarettprogramm „Zwei Echte Österreicher“ aus dem Jahre 2000 gemeinsam mit Thomas Maurer (erhältlich auf DVD). Für die Kleine Zeitung hat Scheuba 2008 mit Haider auch ein bemerkenswertes Interview geführt, nachzulesen auf Scheubas Homepage. Bemerkenswert, weil Haider weitaus weniger souverän erschien, als man dies von ihm gewohnt war und sich vor allem bei unangenehmen Themen (allen voran „der schöne Franz“ Koloini) regelrecht sträubte. Pointiert und bissig auch Scheubas Fragen bezüglich Strache, mit Verlaub hier wortwörtlich zitiert:
Es war doch so, dass Ihre Gegner – und da zähle ich mich dazu – in all den Jahren gedacht haben: Sie seien hoch intelligent, taktisch brillant, rhetorisch hervorragend. Lauter Eigenschaften, die Strache nicht einmal von seinen Freunden zugestanden werden. Kann es nicht sein, dass wir, Sie überschätzt haben? Kann es sein, dass Ihre Gegner jahrelang wie das Kaninchen vor der Schlange gesessen sind und jetzt draufkommen: Das war nur eine Blindschleiche?
(Kleine Zeitung 24.9. 2008, Quelle: www.florianscheuba.at)
Scheuba: „Das war für mich dann doch interessant zu sehen, weil es etwas von einer Entzauberung gehabt hat. Wenn man sich lange Zeit mit ihm beschäftigt, entwickelt man doch einen gewissen Respekt, weil er war ja eine Begabung, ein intelligenter Mensch – und darum war es für ihn demütigend zu sehen, dass Strache – der nicht intelligent ist, der nicht brillant ist, der rhetorisch kein aufgeweckter Kerl ist –genau so funktioniert.“
Andere, nicht minder pointierte und lesenswerte Interviews, führte Scheuba mit Schüssel, dem es merkbar schwer fiel, die Contenance zu bewahren und Josef Pröll („der hat’s viel geschickter gemacht, der war so a bisserl auf ´komm red ma a bissl jovial, simma ja quasi Kollegen, und off record red’ ma dann wies wirklich ist“).
Als Exil-Kärntner Baujahr 1983, der die, um es mit Scheuba in „Die 4 Da“ zu sagen, „Jörgifizierung“ Kärntens (siehe: „Kärnten III“) ja aus erster Hand kennt und mit Scheubas Humor aufgewachsen ist, interessiert mich natürlich auch seine Meinung bezüglich der BZÖ versus Grissemann/Stermann Causa. Nachdem das Kabarettisten-Duo in „Willkommen Österreich“ Haiders Unfall satirisch abhandelte, kam es ja von Diffamierungen und geforderten Auftrittsverboten seitens der Kärntner Landespolitiker bis hin zu Radschraubenlockerungen, zu unschönen Szenen:
„Das ist oft auch eine ganz irrationale Geschichte. Da haben damals Politiker, allen voran der Scheuch, die Chance gesehen, da ist jetzt etwas, da können wir punkten, einen Volkszorn schüren. Da war der Unfall gerade und schon machen sie Witze darüber, die bösen Wiener, die bösen Linken, die bösen Kabarettisten. Im Grunde war das nur ein jämmerlicher Versuch, Haiders Taktik zu imitieren, weil der hat in Kärnten die Linie gefahren, Angriffe auf ihn, die FPÖ oder dann das BZÖ, sind Angriffe auf Kärnten. Und das hat eine Zeit lang gut funktioniert(…) und funktioniert mittlerweile erfreulicherweise nicht mehr so“.
 
„Es ist eine große Gnade, vor so vielen Leuten zu spielen und denen etwas zu sagen, das vielleicht sinnvoll ist“.
Dass es in Österreich jede Menge Ungustln und jede Menge unappetitlicher politischer Vorkommnisse gibt – man muss nur Zeitung lesen und mit offenen Augen durchs Leben gehen: Stichwort Hypo Alpe-Adria, Stichwort Karl Heinz Grasser („die Hoffnung, dass der dort hinkommt, wo er hingehört (…) [es kann sich jeder selbst ausmalen, auf welchen Ort wir uns da geeinigt haben – Anmerkung MB], die möchte ich nicht aufgeben“) – die Reihe lässt sich fortsetzen. Und genau hier sagt Florian Scheuba den Satz, der es am schönsten summiert:
„Man muss es thematisieren. Wenn man es nicht thematisiert: es geht durch“.
 
Nach einem einstündigen Gespräch, in dem viel gelacht und viel diskutiert wurde, verabschieden wir uns von einander. Vielen lieben Dank an Florian Scheuba!(Text: Markus Brandstetter. Gespräch: Markus Brandstetter und Martin Hechenblaickner)

Foto: Udo Leitner
 

 

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