12. Mai 2014

Investoren fahren am Heumarkt die Ernte ein

Ausblick Stephansdom Wien (c) STADTBEKANNT

Die geplante Neugestaltung rund um den Heumarkt lässt die Wogen hoch gehen. Während die Politik Beifall spendet, prangern kritische Stimmen den Ausverkauf öffentlichen Gutes zugunsten privater Investoren an.

Das städtebaulich sensible Areal, welches das Hotel Intercontinental, das Gelände des Wiener Eislaufvereins (WEV) und das Wiener Konzerthaus umfasst, soll durch eine Neugestaltung aufgewertet werden. Massive Kritik an den kürzlich vorgestellten Plänen für die 220 Millionen Euro teuren Um- und Neubauten kommt von Architekten, Bürgern sowie Interessensgruppen aus Denkmalschutz und Stadtplanung.
Vor allem der im Entwurf vorgesehene 73 Meter hohe Turm für Luxuswohnungen steht im Zentrum des Protests. Hauptinvestor Michael Tojner zeigt sich jedoch gelassen und will das Bauvorhaben “ohne faule Kompromisse” durchziehen. Statt von Luxuswohnungen spricht er dann auch lieber von “Serviced Apartments“, Kleinwohnungen für Künstler oder Geschäftsleute, jeweils für einige Wochen vermietbar. Von der Sanierung des Eislaufplatzes, der Gestaltung eines neuen, urbanen Platzes für Freiluftkonzerte vor dem Konzerthaus sowie einer neuen Durchwegung vom dritten in den ersten Bezirk soll vor allem die Öffentlichkeit profitieren. Für die Finanzierung all dessen ist laut Tojner der Turm notwendig.
Diesem Dienst für die Allgemeinheit ist es demnach zu verdanken, dass sich die Stadt Wien mit dem OK für den Bau eines Hochhauses auf diesem Areal revanchiert.

Vorwurf der Bauspekulation

Bis zum jetzigen Stand der Dinge scheint jedoch schon der eine oder andere faule Kompromiss eingegangen worden zu sein. Im Jahr 2008 wurde das Grundstück des WEV vom damaligen Besitzer, dem Wiener Stadterweiterungsfonds, an einen nie aktiv gewordenen Wohnbauträger verkauft. Nach einem aktuellen Rechnungshofbericht hätte die Vergabe aufgrund eines deutlich zu niedrig eingeschätzten Kaufpreises gestoppt werden müssen, von Bauspekulation war die Rede.
Der inaktive Grundstücksbesitzer wechselte Namen sowie Eigentümer, seit 2012 ist die Firma WertInvest Besitzer, deren Eigentümer Michael Tojner ist. Der Investor, der nach eigenen Angaben bereits 2008 erfolglos um das WEV-Gelände mitgeboten hatte, übernahm 2012 auch das Hotel Intercontinental; damit ist das komplette Areal in einer Hand. WertInvest-Partner ist die Immobilienvereinigung Tecto. Um mit ihr in Zusammenhang stehende Firmenkonstrukte und deren Mitglieder gab es immer wieder Spekulationsvorwurfe, auch schon unter dem damaligen Wiener Wohnbaustadtrat Werner Fayman. Dabei ging es um prominente Immobilien wie Schloss Hetzendorf, das Basiliskenhaus oder um Geschäfte der Hypo Alpe-Adria in Kroatien.
Beim Erwerb der Liegenschaften am Heumarkt war der zentrale Motor wohl ein Flächenwidmungs- und Bebauungsplan. Gelingt es nämlich, genügend hochwertige Wohnfläche in dieser Toplage zu schaffen, springt eine mehr als beachtliche Rendite dabei heraus.

Wohnturm innerhalb der Schutzzone

Ohne wirklich auf Vorschläge der beteiligten Architekten eingegangen zu sein, schlussfolgerten die Immobilienentwickler nach einem Projektwettbewerb für sich selbst und die Öffentlichkeit, das historische Areal verdiene ein identitätsstiftendes Gebäude mit Leitfunktion und Signalwirkung, konzipiert als “schlanker Turm”.
Zwischen dem Pathos der Investoren und der Huldigung aus der Lokalpolitik für Wiens neuen architektonischen Meilenstein wird eines vergessen: Das angedachte Projekt befindet sich in einer Hochhausausschlusszone. Dies wird auch durch offizielle Publikationen der Stadt Wien so dargestellt. Der gesamte 1. Bezirk ist gemäß der Wiener Bauordnung eine Schutzzone, in der kein Hochhaus errichtet werden darf. In diese Schutzzone inkludiert ist die Sichtachse vom Belvedere Richtung Innenstadt, der sogenannte “Canaletto-Blick”.
Das zu bebauende Gelände liegt außerdem in der Kernzone des Weltkulturerbes Wien. Die UNESCO mahnt, eine Gebäudehöhe, die jene des Intercontinental überragt, also 45 Meter, kann zum Verlust des Weltkulturerbetitels der Wiener Innenstadt führen.

Architekten gegen Umwidmung

Um auf die vom WEV geforderte Größe seiner Eisfläche zu kommen, soll die Lothringerstrasse versetzt werden. Dafür muss öffentlicher Grund in Besitz der Stadt Wien umgewidmet werden. Im Siegesentwurf des Jury-Wettbewerbes wird bereits fix davon ausgegangen.
Die wichtigsten Architektur-Interessensvertreter des Landes protestierten unlängst im bereits zweiten offenen Brief an Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou entschieden gegen eine Umwidmung öffentlichen Raums zugunsten privater Investoren. Man warnt vor einem möglichen Präzedenzfall, der den Druck auf die Ringzone oder ähnlich sensibler Zonen seitens der Immobilienwirtschaft in empfindlichem Maße erhöhen würde. Auch Fehler im Architekturwettbewerb werden thematisiert. So wurde etwa bei der Ausschreibung die maximale Höhe des geplanten Wohnturms nicht festgelegt.
Überhaupt könne die Schönrederei des plumpen Entwurfs nicht darüber hinwegtäuschen, worum es einzig und alleine ginge, nämlich Luxuswohnungen mit hohem Profit an den Käufer zu bringen.
Bis Ende 2014 soll das Flächenwidmungsverfahren über die Bühne gehen. Nach darauf folgenden weiteren behördlichen Genehmigungen dürfte der früheste Baubeginn im Jahr 2016 stattfinden.

 

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