24. Januar 2011

Im Zentrum gar nicht so neu.

Die Kosten des jahrelang aus dem Haas-Haus gesendeten sonntäglichen ORF Politttalks „Im Zentrum“ waren zu hoch. Die Miete für das Haas-Haus wollte man nicht mehr bezahlen, das Format wurde deshalb auf den Küniglberg verlegt. Einen alternativen Erklärungsansatz für diesen Ortswechsel findet man auf dem Fernseher kaputt Blog.
Den Ortswechsel nutze man für einen Relaunch des in die Jahre gekommenen TV-Formats.

Dieser Relaunch sieht neben einer veränderten Studioarchitektur, ein Publikum vor Ort, fünf Gäste, die sich um die Moderatorin Ingrid Thurnher gruppieren, die Möglichkeit zusätzliche Gäste aus dem Publikum zu interviewen und die Möglichkeit einen redaktionellen Beitrag einzuspielen, vor.

Der Einstand für „Im Zentrum“ neu

Gestern hatte das relaunchte Konzept Premiere mit dem Thema "Um jeden Preis? Stößt die Rekordjagd im Sport an ihre Grenzen?“. Es ging anlässlich des Unfalls von Hans Grugger um die Frage von Risiko und Risikoprävention im Sport. Eingeladen waren durchwegs übliche Verdächtige. Der Heinz Mayer der Philosophie Konrad Paul Liessmann, der seinen Part gewohnt souverän abspulte, Toni Innauer, der einmal mehr durch ein hohes Ausmaß an Reflexionsfähigkeit auffiel, ÖSV Präsident Peter Schröcksnadel, der mindestens so gern redet wie weiland Helmut Zilk, dazu Niki Lauda und Sportminister Norbert Darabos.

Ein Format nach erstmaliger Ausstrahlung bereits zu kritisieren, kann man durchaus unfair finden. Allerdings sind TV-Formate in einer starken Pfadabhängigkeit zu sehen. Dinge, die bereits beim ersten Mal mangelhaft funktionieren, sind nur schwer wieder aus dem Konzept entfernbar, da das Konzept prinzipiell ja fix fertig ausgearbeitet ist und Änderungen das Gesamtkonzept in Frage stellen. Deshalb erscheint uns eine Kritik auch schon nach der ersten Ausgabe sinnvoll.

Im Zentrum ist in die Jahre gekommen und das merkt man. Nichts ist schlimmer, als die immer wieder vorkommenden Talks mit den Klubobleuten, die der sichere Garant für eine angenehme und ungestörte Nachtruhe darstellen. Aber auch ansonsten schafft es das Format nur selten eine spannende, kontroverse Diskussion zu ermöglichen. Das hat viele Gründe und längst nicht für alle ist der ORF allein verantwortlich. Der Einfluss, den beispielsweise die Politik über ihre Stiftungsräte auf den ORF ausüben kann, zeigt sich beim Polit-Talk eben in besonders nervtötender Form.

Die private Konkurrenz

In den letzten Jahren haben aber die Privatsender die Lücke, die der ORF in der zeitgemäßen Politberichterstattung offen lässt entdeckt und begonnen sie zu füllen. Das schon recht lange erfolgreiche Format „Talk of Town“ auf Puls4 wäre ebenso zu nennen, wie das etwas neuere „Am Punkt“ und allen voran der „Talk im Hangar-7“ auf Servus TV, der überraschenderweise oft weit interessanter ist, als „Im Zentrum“ und „Club 2“ zusammengenommen. ATV und Puls4 gelingt es das Tempo zu halten und dadurch PolitikerInnen den antrainierten Reflex des Monologs zu dem ihnen gerade genehmen Thema weitgehend zu unterbinden. Boulevardisierung und Skandalisierung sind speziell bei „Am Punkt“ beliebte Stilmittel, aber Privat-TV Sender dürfen das, keine Frage. „Talk im Hangar- 7“ schafft hingegen das, was dem ORF leider nur höchst selten gelingt, nämlich in aller Regel Gäste einzuladen, die zu einem bestimmten Thema auch tatsächlich Interessantes zu sagen wissen. Dazu kommen Moderatoren, die zu den besten im deutschsprachigen Raum gehören. Frank Schirrmacher, Helmut Brandstätter und in Zukunft auch Helmuth Karasek wären zu nennen. Der Anspruch auch im deutschen TV Markt wahrgenommen zu werden, wird immer offensichtlicher.

Aus dem Privat TV und insbesondere von Servus TV gibt es mittlerweile Konkurrenz, die durchaus ernstzunehmend ist. Kein Wunder, dass der ORF da reagieren musste.

Schwächen in der Umsetzung

Die erste Folge von „Im Zentrum“ zeigte aber, dass die Neukonzeptionierung bislang nicht wirklich gelang. Da wäre zunächst das Publikum, dass bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit klatschte, oder zum Klatschen angehalten war. Das Ziel dadurch die Dramaturgie zu verdichten, gelingt nicht. Vielmehr stört ein immer wieder lautstark klatschendes Publikum einfach enorm.

Dann wären da die Gäste, das mit Sicherheit größte Problem des ORF-Talks. Zunächst wäre mit Peter Schröcksnadel jemand eingeldaden, der die Macht repräsentiert. Mit der Macht, in diesem Fall dem Chefentscheider darüber, ob der ORF auch weiterhin von den Quotenhits des alpinen Sports exklusiv berichten darf, ist es immer schwierig zu diskutieren. Es hat ja auch Gründe warum Nikolaus Pelinka nicht „Im Zentrum“ geladen ist. Mit der Macht zu diskutieren ist wie gesagt schwierig, aber der ORF als öffentlich rechtlicher Sender ist eben auch in diesem Bereich mit größerer Erwartungshaltung konfrontiert, als andere. Wenn die Macht meint, das Redemonopol gepachtet zu haben, würde sie unterbrochen gehören, auch wenn sie die Macht ist.

Neben der Macht gibt es aber ein weiteres Problem, personalisiert durch Niki Lauda. Dass Herr Lauda gerne alles sagt was er sich denkt, hat er gerade erst wieder bewiesen, dass er ohne jeden Zweifel bekannt und dadurch ein Publikumsmagnet ist, steht auch außer Zweifel, aber jemand der gerne spricht und bekannt ist aber kein Experte (wie Toni Innauer) und auch sonst keine zusätzliche Metaebene beisteuern kann, verhaut das beste Talkformat. Das kurzfristige Schielen auf die Quote verhindert die Diskussionen, die so interessant wären, dass sie auf lange Sicht auch häufiger gesehen würden.

Dann wären wir auch schon beim letzten Gästeproblem: Die Politik. Dass wir nicht unbedingt mit einer PolitikerInnengeneration gesegnet sind, die durch die visionäre Kraft ihres Handelns in der Lage wäre, das Publikum für ihre politischen Vorhaben zu begeistern, ist bekannt und nicht die Schuld des ORF. Mitschuld trägt der ORF aber daran, dass man seit Haider jene Unkultur einreißen hat lassen, in der PolitikerInnen mittlerweile nahezu aller Fraktionen sich vor laufender Kamera weigern zu diskutieren, sondern den vorbereiteten Text abspulen komme was wolle. Die ModeratorInnen des ORF, in diesem Fall Ingrid Thurnher, hätte die Aufgabe dieses Verhalten zu unterbinden. Wenn, wie gestern Abend, der zuständige Minister zu einem Thema eigentlich nichts zu sagen hat und neben eines umfangreichen Berichts über seine letzten Aufenthalte bei Schigroßveranstaltungen, nur abwechselnd die Argumente Liessmanns und Schröcksnadels bzw. Laudas unterstützt, dann gehört er aus derReserve gelockt. Die Aufgabe eines Polit Talks, noch dazu eines öffentlich rechtlichen Senders, ist es zur Erhellung und nicht zur Verdunkelung beizutragen.

Wenn also, wie gestern Abend, ein Peter Schröcksnadel von der schlimmen Zeit berichtet, als der ÖSV im Rahmen der FIS wenig zu melden hatte (wegen dieser Doping Geschichte), dann teilt zwar ein Herr Liessmann mit, dass ihm darob die Tränen kämen, die Moderation lässt aber den ÖSV Präsidenten sich in seinem Glanz sonnen und die Politik die bequeme Position des „Verletzungen sind unschön aber der Sport ist schon leiwand“ vertreten. Eine solche Runde wird den demokratischen Diskurs nicht voranbringen und wirkt in ihrer Konzeptionierung ganz so, wie das alte „Im Zentrum“ im Haas-Haus auch war.

Neben Gästen, Publikum und Moderation kann eigentlich nur noch der redaktionelle Beitrag kritisiert werden. Um die Kritik vollständig zu machen, soll auch dieser nicht fehlen. Für öffentlich rechtliche Sender wie den ORF gelten andere Maßstäbe wie für die private Konkurrenz. Der effekthascherische Beitrag zum Thema „Geld und Sport“ würde bei „Am Punkt“ nicht stören, im ORF ist er die Grundlage für jenes peinliche Hinterherhecheln gegenüber der privaten Konkurrenz, das bei „Helden für Morgen“ die exemplarischste Ausdrucksform findet.

So wird das nichts

Neue Möbel und ein neues Studio machen keine neue Sendung. Die erste Ausgabe von „Im Zentrum“ neu hat auf voller Linie enttäuscht und dabei harren die Klubobleute noch ihres ersten Auftritts. Wenn man gegen die private Konkurrenz, insbesondere gegen den „Talk im Hangar-7“ bestehen will, wird es zurück an den Start heißen müssen. Dasselbe gilt wenn man die Kernkompetenz des öffentlich rechtlichen Fernsehens, nämlich dem politischen Diskurs jene Öffentlichkeit zu geben, die zum Funktionieren der Demokratie notwendig ist, jemals wieder ernsthaft ausüben möchte.

Daniel Steinlechner

Mit Fug und Recht: Über Sinn und Unsinn

3 Kommentare

  1. martin

    24. Januar 2011

    im zentrum
    war wirklich grauenhaft. thurnher wird immer mehr zur zumutung…

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  2. Wini

    24. Januar 2011

    @martin
    aber die hat nie moderieren können.

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  3. @all

    24. Januar 2011

    d’accord
    ich fand frau thurnher auch immerschon richtig schlecht.

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