26. März 2019

Grundversorgung und Mindestsicherung

Grundversorgung - Mindestsicherung (c) STADTBEKANNT

Soziale Bedarfshilfe im Notstand zum Ausgleich den Richtsatz … WZF?!

Österreich ist ein Sozialstaat. Darauf sind zurecht die meisten Menschen im Land stolz. Aber was sind eigentlich Notstandshilfe, Richtsatzergänzung, Ausgleichszulage, Beihilfe für Familien und Kinderbetreuung, Grundversorgung und Mindestsicherung?

In Österreich gibt es ein paar Typen von Leistungen, die wir euch vorstellen wollen. Man unterscheidet Sozial- und Versicherungsleistungen.

Sozial- und Versicherungsleistungen

Sozialleistungen sollen Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglich und den Absturz in völlige Armut verhindern. Sie kommen von öffentlichen Stellen wie Bund, Land oder Kommune. In Wien ist das zum Beispiel der Mobilpass, mit dem man kostenlos die Büchereien nutzen oder sehr günstig mit den Öffis fahren kann. Auf manche Sozialleistungen gibt es einen Rechtsanspruch. Das bedeutet, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, muss die Leistung gewährt werden. Andere sind eine freiwillig Leistung und können mehr oder weniger willkürlich vergeben werden.

Versicherungsleistungen sind Unterstützungen aus den österreichischen Sozialversicherungen (die zusammengelegt werden sollen). Man kennt die Gebietskrankenkassen, die Unfallversicherung AUVA, die Arbeitslosenversicherung AMS oder die Pensionsversicherung. Daneben gibt es weitere. Diese Versicherungsleistungen sind keine öffentlichen, also staatlichen, sondern welche, für die man eingezahlt hat und auf die man ein Recht hat. Die Sozialversicherungen werden nämlich demokratisch selbstverwaltet. Die Aufsichtsgremien und Entscheidungsorgane werden von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen beschickt. Das tun Wirtschafts- und Arbeiterkammer auf Basis der Wahlen.

Die jetzt gerade stattfindende Arbeiterkammerwahl entscheidet also auch darüber, wer künftig politisch das Sagen in der Gebietskrankenkasse hat und wie die WGKK zu den Reformplänen der Regierung steht.

Umverteilung

Außerdem kann man Umverteilungsmaßnahmen, Geld- und Sachleistungen unterscheiden. Ein kostenloser, gemeinsamer Kindergarten für alle Kinder, der auch nachmittags und in den Ferien geöffnet hat, ist zum Beispiel nicht nur ein tolles Bildungsangebot, sondern auch eine Arbeitsmarktmaßnahme, fördert die soziale Durchmischung der Gesellschaft und verteilt als Sachleistung kräftig von oben nach unten um.

So, und jetzt ans Eingemachte, also die beiden Institute, von denen in den letzten Monaten so viel die Rede ist!

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

Die BMS ist eine junge Sozialleistungen in Geldform und wurde erst unter der Regierung Gusenbauer I eingeführt. Sie ersetzte die bis dahin geltende Sozialhilfe. Die Mindestsicherung ist Ländersache. Es gibt also neun Ausführungsgesetze und eine Bundesrahmenvereinbarung. Das Armenwesen ist nämlich Länderangelegenheit. Das Aufspannen dieses Fangnetzes war ein herkuläischer Kraftakt, für den man dem damaligen Sozialminister Erwin Buchinger immer noch applaudieren soll.

In den vergangenen Jahren haben ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos die Mindestsicherung in den Ländern gekürzt, weil die Gültigkeit der Bundesrahmenvereinbarung vor einiger Zeit ausgelaufen ist, weil man sich nicht auf neue, für alle gültigen Standards einigen konnte. Als vergleichsweise gut gilt nach wie vor das Wiener Mindestsicherungsmodell. Sie umfasst einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs, darüber hinausgehende Mietbeihilfe und einen Mindeststandard zum Leben. Außerdem gibt es noch eine besondere Mietbeilhilfe für PensionistInnen und die freiwillige Leistung der Hilfe in besonderen Lebenslagen (das ist eine Art Joker! Ich erklär es ein ander Mal).

Als Sozialleistung ist die BMS subsidiär zu anderen Leistungen, das heißt nachrangig. Bevor es Mindestsicherung gibt, muss man alles andere ausschöpfen und auch eigenes Vermögen aufbrauchen, bis zu einer Freibetragsgrenze von 4.427,35 Euro. Ist das Auto mehr wert, muss man es verkaufen. Für die Eigentumswohnung gilt das erst recht. Und natürlich müssen die NutzerInnen der Mindestsicherung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, es sei denn, sie sind fachärztlich begutachtet nicht erwerbsfähig. Nur dann gibt es für Alleinstehende oder AlleinerzieherInnen 885,47 Euro, für Paare pro Person 664,10 Euro und zusätzlich für jedes minderjährige Kind 239,08 Euro monatlich.

Dieses System will die Regierung abschaffen und in eine neue Sozialhilfe überführen in der es keine Mindest-, sondern Höchststandards geben wird, straffällige gewordene Menschen vorübergehend ausgeschlossen werden und die Leistungen für Kinder geringer werden, je mehr man hat.

Diese Sozialpolitik alimentiert und fängt auf. Emanzipatorische Sozialpolitik verteilt um, errichtet Rechtsansprüche und will soziale Mobilität. Paternalistische Sozialpolitik ist erst einmal Gnadenakt. Wer arm ist, hat dankbar zu sein. Und der Arme muss erzogen und gegebenenfalls diszipliniert werden. Dieses Motiv begegnet uns auch vielfach, zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe („Der Ali ist so brav und nimmt echt alles an. Und er ist so gut integriert. Wirklich ein Vorzeigeflüchtling!“). In der „Erziehung der Armen“ steckt nicht nur unverhohlener Klassenhass, sondern auch ein tiefer Antihumanismus.

Die Grundversorgung

Die Grundversorgung geht auf eine Richtlinie der Europäischen Union zurück und legt die Rechtsansprüche von Nicht-EU BürgerInnen auf Versorgung fest. NutzerInnen der GVS sind hauptsächlich AsylwerberInnen, also Flüchtlinge, die auf die Antwort ihres Asylantrags warten. Das kann mehrere Jahre dauern, insbesondere weil die Qualität der Bescheide in erster Instanz hundsmiserabel ist. 42% der Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl werden in der Berufung aufgehoben oder zur neuerlichen Entscheidung der ersten Instanz vorgelegt.

Diese EU-Richtlinie war auch ein Versuch die Asylpolitik in der EU zu vereinheitlichen. Die Grundversorgung ist zwar eine Verbesserung gegenüber der Bundesbetreuung, aber immer noch kein würdiges Versorgungsinstrument, sondern in erster Linie ein Regime.

Auch hier gibt es ein Bundesrahmengesetz und neun Landesausführungsgesetze, also neun unterschiedliche Ausformungen der Grundversorgung. Obwohl als Sozialleistung gedacht, fällt sie in die Zuständigkeit des Innenministeriums und ist eher mit einer polizeilichen Logik zu verstehen.
Wer sich in Grundversorgung begibt muss mittellos und ohne Anspruch auf sonstige Leistungen sein. Dann erhält man Unterkunft in einem Heim oder in mobil betreuten WGs, Krankenversicherung bei der jeweiligen Gebietskrankenkasse und hat eigene Sozialberatungsstellen. Außerdem gibt es 40,- Euro Taschengeld monatlich und bis zu 5,50 Euro Verpflegungsgeld, das davon abhängt, ob man im Heim selber kochen kann oder Mahlzeiten ausgegeben werden. Essen für Menschen aus zig verschiedenen Ländern zu kochen, das allen schmeckt, religiöse, kulturelle und gesundheitliche Speisegebote berücksichtigt, ist gelinde gesprochen schwierig.

In Wien gibt es eine Förderung von 10,- Euro monatlich für Freizeitgestaltung (z.B. Eintritt in Kino) gegen Nachweis der Rechnung. Selbstbehalte für Heilbehandlungen wie beim Zahnarzt oder für Prothesen können unter bestimmten Voraussetzungen vom Land im Rahmen der GVS übernommen werden. Schulpflichtige Kinder bekommen gegen Nachweis der Rechnung Unterstützung für Schulaktivitäten und Material. Und zwei Mal jährlich gibt es Gutscheine für Bekleidung und Schuhe in Höhe von 150,- Euro.

In manchen Bundesländern, zum Beispiel in Wien, ist es auch möglich, sich selbst eine Unterkunft zu suchen und dort zu wohnen. Einzelpersonen bekommen dann maximal 365,- Euro monatlich, die alle Kosten für Wohnen, Verpflegung und Kleidung abdecken sollen. Für Familien ist dieser Betrag gestaffelt.

Und wie ist das jetzt mit diesen 1,50 Euro Jobs? Es ist ein bisserl kompliziert. AsylwerberInnen dürfen nach drei Monaten in Österreich arbeiten. Dieser Arbeitsmarktzugang wurde unter Schwarz-Blau I auf freie Gewerbe und Saisonarbeit eingeschränkt mit der Begründung, dass Flüchtlinge, die hier arbeiten sich sonst integrieren würden und schwerer abzuschieben sein. Wer in Grundversorgung ist, darf maximal 110,- Euro monatlich dazuverdienen und für jedes weitere Mitglied im Familienverband weitere 80,- Euro.

Jedes Einkommen, das darüber hinausgeht, wird 1:1 von der Grundversorgung abgezogen, ab einer gewissen Höhe wird die GVS eingestellt. Für Saisonarbeit gelten meist Kollektivverträge, die den Mindestlohn regeln. Bei Selbstständigen hängen die Honorare von Verhandlungsgeschick und der Marktsituation ab. Außerdem dürfen AsylwerberInnen gemeinnützige Arbeit für Gemeinden und im Rahmen des Heimbetriebs leisten. Das bedeutet Unkraut jäten, Schnee schaufeln, SchülerInnen lotsen, Putz- oder Kochdienste. Und für diese Tätigkeiten will nun Innenminister Kickl in Abstimmung mit Sozialministerin Hartinger-Klein eine Obergrenze von 1,50 Euro pro Stunde einführen, statt der bisher üblichen 4,- bis 8,- Euro.

Zuletzt habe ich ja ausgeführt, dass nicht die Sozialleistungen zu hoch sind, wie die Regierung behauptet, sondern die Löhne und Gehälter zu niedrig. Dass nun allerdings nach Sozialkürzungen auch noch Lohnkürzungen auf der Agenda stehen, zeigt bestenfalls wie falsch diese Regierungs-Logik ist.

Freilich, vorerst geht es keinen ÖsterreicherInnen an den Kragen, sondern nur „den AusländerInnen“, aber dass das immer nur Vorboten sind, zeigt jetzt der Umgang von Bildungsminister Faßmann mit den klimastreikenden SchülerInnen: als die Strafen fürs Schule schwänzen eingeführt wurden, war die Rede von migrantischen Kids, die sonst verwahrlosen würden. Jetzt werden die Strafen gegen die mehrheitsösterreichischen Jugendlichen, die demonstrieren, in Stellung gebracht.

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