23. Juni 2011

Großes Elend, kleines Glück?

Wer kennt keine Grätzl in Wien, in denen es früher noch OptikerInnen, NahversorgerInnen, oder andere EinzelhändlerInnen gab, dann wertete das Grätzel ab, auf den Strukturwandel wurde keine passende Reaktion gefunden oder ein nahes Einkaufszentrum zog Kundenfrequenz ab und schleichend breitete sich der Leerstand aus. Diese Grätzl sind in Wien, wie in den meisten Städten, außerhalb der Einkaufsstraßen eigentlich mehr die Regel als die Ausnahme. Aber eine Dienstleistungsbranche investiert, wo andere schließen.

Wo früher ein Optikbetrieb war, sperrt morgen vielleicht schon das nächste Automatenkasino auf. Denn pro 600 EinwohnerInnen kann in Wien ein Spielautomat zugelassen werden.

Man schätzt, dass rund 1,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Österreich spielsüchtig ist, 3 Prozent gelten als gefährdet. Auf Wien umgerechnet geht die Spielsuchthilfe von 20.000 Spielsüchtigen und weiteren 40 bis 50.000 Gefährdeten aus. Die Spielsuchthilfe schätzt, dass etwa 30 Prozent der ProblemspielerInnen weiblich sind, allerdings fehlt es an Grundlagenstudien über die Geschlechterverteilung bei Spielsucht.

Bei Spielsuchthilfen werden immer mehr Anfragen verzeichnet, ein Umstand, der von vielen WissenschaftlerInnen auf die Liberalisierung des Glücksspiels zurückgeführt wird. Die Spielsuchthilfe verzeichnet beispielsweise eine dreimal so hohe Inanspruchnahme pro Jahr als noch 1989. Zugleich schießen in vielen Wiener Grätzl Automatenkasinos wie Schwammerl aus dem Boden und breiten sich, folgt man der Logik der AnbieterInnen getreu der Nachfrage, oder nach Ansicht vieler KritikerInnen, wie die Geschwüre einer immer weiter wuchernden Krankheit, über die Stadt aus.

Spielsucht und Spielautomaten

Automatenspiele fallen unter das so genannte „kleine Glücksspiel“. Dieses ist in Wien unter bestimmten Auflagen erlaubt. Zum einen fallen für die BetreiberInnen Gebühren an, zum anderen sind von diesen Höchstbeiträge, die SpielerInnen pro Spiel setzen können, einzuhalten (1,- Euro außerhalb von Spielhallen, 10,- Euro in Spielhallen). Bei der Kontrolle dieser Höchstbeiträge gibt es jedoch erhebliche Schwierigkeiten.

Wie der Konsument berichtete, liegt laut Angaben der Justizvollzugsanstalt für Jugendliche Gerasdorf, bei mehr als 50 (!) Prozent aller Fälle der Inhaftierten Beschaffungskriminalität auf Grund von Spielsucht beziehungsweise Spielschulden vor. Laut Tätigkeitsbericht 2008 der Spielsuchthilfe, begannen trotz bestehender Jugendschutzbestimmungen, 40 Prozent aller behandelten SpielerInnen vor dem 18. Lebensjahr zu spielen. Zwei Drittel der behandelten männlichen SpielerInnen begannen vor dem 26. Lebensjahr (Frauen deutlich später). Bei der Spielart (Mehrfachnennungen waren möglich) gaben 82,6 Prozent an, Automaten zu spielen, keine andere Spielart kam über 20 Prozent!

85,5 Prozent der behandelten SpielerInnen waren laut Tätigkeitsbericht 2008 der Spielsuchthilfe in Folge ihrer Spielsucht verschuldet. Im Schnitt betrug die Verschuldung 41.594 Euro, also das 31(!) fache des durchschnittlichen Monats-Nettoeinkommens.

Eine Studie der Universität Bremen kam für Deutschland zum Schluss, dass bei Spielautomaten der Anteil pathologischer SpielerInnen mit 8 Prozent höher ist, als bei jeder anderen Spielart. Acht Prozent, die aber scheinbar sehr viel Geld verbrennen, denn 40 Prozent aller Umsätze bei Automaten kommen laut dieser Studie von Personen, die pathologisches Spielverhalten aufweisen.

Allerdings gibt es nicht nur VerliererInnen des kleinen Glückspiels. Neben den Glücksspielkonzernen, kann auch die Stadt Wien, die jährlich 55 Millionen Euro durch Glücksspiel einnimmt, dazu gezählt werden.

Unter den Konzernen ist die Novomatic Gruppe der größte Anbieter des heimischen kleinen Glückspiels. Über schlechte Vernetzung kann man sich im Konzern zu dem beispielsweise auch die Admiral Sportwetten gehören, nicht beklagen. Sitzt doch im Aufsichtsrat der ehemalige Innenminister Karl Schlögl, der frühere Wissenschaftsminister und jetzige EU-Kommissar Johannes Hahn, war früher Aufsichtsratsvorsitzender des Tochterunternehmens Admiral Sportwetten.

Am kleinen Glücksspiel und an Novomatic wird immer wieder Kritik laut. Der ORF widmete sich dem Thema im Rahmen von drei Folgen von „Am Schauplatz“, auch der Falter berichtete laufend. Auf den Erfolg des Unternehmens wirkt sich das jedoch scheinbar nicht aus, so wird aktuell angeblich über einen Börsegang nachgedacht und der Wert des Unternehmens auf 3 Milliarden Euro geschätzt.

Glücksspiel ist nicht unbedingt von hohem gesellschaftlichen Ansehen, für die eigene Imagepflege nimmt man (wohl auch deshalb) einiges an Geld in die Hand. So gibt es ein eigenes Novomatic Kunstforum in Wien, auch Paulus Mankers Produktion „Alma“ wurde unlängst durch Sponsoring gerettet.

Verbot des kleinen Glücksspiels?

Auch am 1. Mai war das kleine Glücksspiel Thema bei der SPÖ Wien. Einerseits, weil das traditionelle Maifest unter anderem von Novomatic gesponsert wurde, aber auch weil auf Initiative der Sektion 8, die SPÖ Bezirksorganisationen Alsergrund und Josefstadt einen Antrag auf Verbot des kleinen Glückspiels in Wien, beim Landesparteitag am 28. Mai einbringen. Aktuell ist die SPÖ Wien mehrheitlich für das kleine Glücksspiel und auch im Koalitionsvertrag mit den Grünen ist keine Abschaffung vorgesehen, obwohl die Grünen an sich weiterhin gegen das kleine Glücksspiel auftreten.

Anders sieht man das beispielsweise in Salzburg, wo Landeshauptfrau Burgstaller es für unverantwortlich hält, Spielsucht durch Legalisierung (das kleine Glücksspiel ist in Salzburg verboten) noch zusätzlich zu fördern.

2 Kommentare

  1. Charles

    9. Mai 2011

    Kleines Glücksspiel
    verbieten!!!!!

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  2. sadfg

    9. Mai 2011

    Elendserscheinung
    Überall wo die Menschen arm sind, oder armw erden sprießen die wie Schwammerl. In manchen teilen Wiens ist es echt furchtbar mit denen.

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