17. September 2011

Filmkritik: Whore’s Glory

Auf ‘Megacities’ und ‘Workingman’s Death’ hat Michael Glawogger mit seinem neuen Film noch eines draufgesetzt. ‘Whore’s Glory’ zeigt den Alltag und das Geschehen im Leben von Prostituierten in drei Ländern in drei unterschiedlichen Rahmenbedingungen.

In einem ‘Fish Tank’ genannten Bordell in Thailand sitzen Frauen in einem verglasten Raum und warten darauf, auserwählt zu werden. In der ‘Stadt der Freude’ in Bangladesch leben Frauen in einem eigenen Hurendorf in der Stadt, wo sie nicht nur arbeiten, sondern ihr gesamtes Leben verbringen. In der ‘Zone’ in Mexiko passieren Freier in Autos den Schranken zu dem abgeriegelten Etablissement, wo sie Kreise ziehen, bis sie fündig geworden sind.

Gott und Religion sind dabei allgegenwärtig. In Thailand bitten die Frauen vor Beginn der Arbeit um Geld, Glück und alles andere Gute und Schöne. In Bangladesch verweigern die Prostituierten Oralsex; ihr Mund ist heilig, mit ihm werden die Suren des Koran gesprochen. In Mexiko singt eine Gruppe sombrero-tragender Männer in der Bar des Prostituiertendorfs zu Gitarrenmusik Lieder über Jesus, während die Frauen zu einem weiblichen Tod beten.

Zweck und Mittel

Die jungen Frauen hinter der Glasfront in Thailand gehen im Anschluss an die vollbrachte Arbeit selbst in Etablissements, wo sie sich gegen das verdiente Geld Flaschen und Männer kommen lassen. Der Eindruck von Egalität im dortigen Verständnis von Prostitution geht so weit, dass ein Kunde philosophiert, die Männer wären für die Prostituierten nur Mittel zum Zweck. Der Zweck – Geld – scheint jedoch nirgends jemals soweit erfüllt, dass die Arbeit genug zum langfristigen Überleben abwirft. Prostitution ist eine Arbeit auf Zeit, ständig rücken jüngere Frauen nach. Für gealterte Huren zieht sich der Kragen zu, und ihre Identität beziehen sie weiterhin aus Geschichten aus besseren Zeiten, als noch 40 Freier pro Tag vorbei kamen.

Im Hurenghetto in Bangladesch sind Frauen an der Macht. Die von ihren Unterworfenen passenderweise Mutter genannten Zuhälterinnen kaufen Mädchen von Schlepperinnen, klären sie über die Arbeitsbedingungen und Erwartungen auf und sind Herrinnen über die Kondome, die vor jedem Kunden bei ihr geholt werden. Zumindest genug Geld, um Miete und Verpflegung zu decken, müssen sie erwirtschaften. Wer sich nicht genug anstrengt, muss gehen. Die Zone in Mexiko besticht durch den Machismo in den Äußerungen der Kunden und die Allgegenwart von Drogen.

Beziehungsgeflechte abseits des Normalen

Die Männer im Film zeigen das ganze Repertoire an Beziehungen und Einstellungen, die im Kontext entstehen können. In Bangladesh verweisen sie auf das bessere Leben, das für die Nicht-Prostituierten durch die Existenz des Hurendorfes entsteht. Frauen könnten sonst nicht normal durch die Straßen gehen, würde das Dorf seine Ventilfunktion nicht erfüllen. Viele gehen täglich zur selben Frau und führen Beziehungen, in denen Verehrung und sogar Liebe mitspielen. Ein Freier in Mexiko wechselt in seinen Ausführungen über die Zone zwischen Anbetung und Verachtung, die er den Frauen entgegenbringt. Viele verweisen auf die unumstrittene Stellung der eigenen Frau, die trotz allem die persönliche Nummer eins ist, aber gewisse sexuelle Wünsche nicht ausführen will.

Im Gegensatz zu seinen früheren Dokumentationen kommt Musik in Whore’s Glory ein großer Stellenwert zu. Mal besänftigend, mal dramatisierend entstehen dadurch oft Einstellungen, die einem Spielfilm eher gerecht würden. Auf den größeren Kontext der Thematik verweist er dabei nur ansatzweise. Im Ghetto in Bangladesch schweift die Kamera während des Wahnsinns in den engen Gängen des Hurendorfes, wo die Frauen um die Kunden keilen, stillschweigend auf ein am Boden schlafendes Kind. Eine junge Frau fügt der Beschreibung ihres Arbeitsalltags schüchtern hinzu, dass sie sich die Frage stellt, ob es für Frauen keine Alternative gibt zu diesem Leid, dass sie als unumgänglich für ein Frauenleben erlebt hat. Der Film bleibt dabei weitgehend wertfrei, was bleibt, ist die Message, die Glawogger transportieren will: Es ist, was es ist.

(Maxi Lengger)

Übrigens verlosen wir an dieser Stelle 2×2 Kinokarten für "Whore’s Glory".

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