12. Februar 2019

Februar 1934

Karl-Marx-Hof Gemeindebau (c) STADTBEKANNT

Als auf die Gemeindebauten geschossen wurde

„Wenn dies alles aufhörte, hörte das Leben selbst auf.“ (Jura Soyfer)

Es war kein einfaches Leben im Wien zu Beginn der 1930er. Die Massenarbeitslosigkeit war eine drückende Last, die Zukunftsperspektiven waren düster. Doch Wien war noch immer ein Gegenmodell. Die Gemeindebauten waren wie Inseln der Hoffnung in einer Welt der Angst und der Niedergedrücktheit. Auf diesen Inseln entwickelten sich die „Neuen Menschen“, die von der Wiege bis zur Bahre, vom Montessori-Kindergarten über die Arbeiterturner bis zu den Naturfreunden neue Formen des Zusammenlebens erprobten.

Revolutionärer Schutt

Dieses „Rote Wien“ war für die Mächte der alten Ordnung, die Fabrikanten, die ehrwürdigen Honoratioren und Kirchenfürsten, die Ausgeburt einer Revolution, die ihnen eine Demokratie aufgezwungen hatte, die sie nie wollten. In der Wirtschaftskrise wurde diese Demokratie für sie ein unerträgliches Hemmnis bei der Durchsetzung ihres Prinzips, wonach alles profitabel sein müsse. Gemeindebauten, soziale Fürsorge und demokratische Errungenschaften waren für sie nur der „revolutionäre Schutt“, den es endlich wegzuräumen galt.

Gegenwehr

Im Februar 1934 waren sie damit schon weit gekommen, die Herren, die das Rad der Zeit zurückdrehen wollten. Das Parlament existierte nicht mehr, regiert wurde per Notverordnung. Am 12. Februar riss den Arbeitern der Geduldsfaden. Die ständigen Provokationen durch die Heimwehren und die Polizei waren unerträglich geworden. Es begann ein letztes Aufbäumen gegen die Errichtung einer Diktatur.

Ein ungleicher Kampf

In Wien waren es vor allem die großen Gemeindebauten, wie der Goethehof oder der Karl Marx-Hof, wo sich die Arbeiter sammelten, um die Freiheit zu verteidigen. Es war der Mut der Verzweiflung und die Einsicht, dass mit der Diktatur all das verloren geht, was ihr Leben noch lebenswert machte, die sie zu den Waffen greifen ließ. Doch die Übermacht aus Kanonen und Maschinengewehren war zu erdrückend. Nach wenigen Tagen müssten sie aufgeben. Unzählige verloren bei den Kämpfen oder in Folge der unmenschlichen Behandlung in der Haft ihr Leben.

85 Jahre danach

Die Nachfolger der damaligen Hüter über „Recht und Ordnung“ stellen heute die Bundesregierung. Gemeindebauten, Mietrecht und Sozialstaat sind ihnen auch heute noch ein Dorn im Auge. Wenn wir diese verteidigen wollen, heißt es auch heute widerständig zu sein – ganz im Geiste der Februarkämpfer des Jahres 1934.

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