20. Oktober 2010

Ein Pro und Kontra zur Audimaxbesetzung

Gestern haben wir über den Aktionstag zur Bildungsmisere berichtet, was wir nicht ahnen konnten war die massive Beteiligung daran. Nur drei Tage vor dem 1. jährigen Jubiläum der Unibrennt-Proteste am Freitag den 22.Oktober, beteiligten sich österreichweit viele Tausend Studierende und sympathisierende an den Aktionen.

Am späten Abend wurde dann auch das Audimax aufgesucht. Viel Aufmerksamkeit wurde dem Thema gewidmet, ob dabei eine Tür beschädigt wurde, oder nicht, als ob man sonst keine Probleme hätte.

Der Zeitpunkt für den Aktionstag war gut gewählt, steckt doch die Regierung mitten in den Budgetverhandlungen, wenn jetzt Druck erzeugt wird, sind die Rahmenbedingungen für die kommenden Jahre noch gestaltbar, danach wird es schwierig. Gegen andere Lobbys, von AutofahrerInnen über Banken, BeamtInnen bis PensionistInnen, nimmt sich die Schlagkraft des Hochschulsektor eher bescheiden aus.

Obwohl es in ExpertInnenkreisen außer Zweifel steht, dass das österreichische Bildungssystem unterfinanziert ist, dennoch wird es, wie berichtet, bereits ab 2013 zu weiteren Kürzungen kommen.

Erste Reaktionen nach dem Bildungsaktionstag zeigten, dass der Protest bei der Regierung Wirkung zeigt. So sicherte Finanzminister Pröll mehr Mittel bei Erfüllung gewisser Zusagen zu. Ob es sich dabei jedoch um mehr als Brosamen handelt, bleibt abzuwarten und hängt wohl ganz massiv davon ab, ob die an der Universität Interessierten, weiter Druck erzeugen konnten. .

Rein vom PR-Erfolg war die gestrige Aktion ein voller Erfolg, keine österreichische Zeitung die heute nicht ausführlich darüber berichtet. Die Spontanbesetzung des Vorabends ist jedoch schon wieder Geschichte, heute Morgen wurden die letzten Verbliebenen unter großer Begeisterung von JUS Studierenden die ins Audimax wollten um einer Vorlesung beizuwohnen, von der Polizei hinaus „begleitet“.

Für uns ein Anlass über Sinn und Unsinn dieser Besetzung zu reflektieren: .

Dafür spricht neben der erzielten Aufmerksamkeit auch, dass das Audimax sich durch die Aktionen des vergangenen Jahres sehr stark zu einem symbolträchtigen Ort entwickelt hat, es gelingt dadurch eine Fokussierung von Interesse. Dafür spricht auch, dass ein wenn auch minimales Druckmittel vorhanden ist, um Verhandlungen zu begünstigen. Viel mehr jedoch noch, dass man mit dem Thema „Besetzung“ eines hat, dass der Debatte mehr als nur momentane Aufmerksamkeit zukommen lasst, über Sinn und Unsinn, aktuelle Entwicklungen und vieles mehr rund um diese Besetzung lässt sich schließlich nahezu täglich berichten. Die erzielte Aufmerksamkeit ist ungleich höher als bei allen anderen Aktionen.

Dagegen spricht jedoch auch einiges. Zum einen wird das Audimax seiner eigentlichen Nutzung entzogen, was zu permanentem Ärger unter Teilen der Studierendenschaft führt. Über diesen Ärger und die Frage ob die Wahl der Mittel zulässig ist lässt sich trefflich streiten, vor allem aber politisches Kapital ziehen. Wenn dann beispielsweise über die Frage einer beschädigten Tür ausführlichst diskutiert wird, wird die Aufmerksamkeit vom eigentlich wichtigen Thema der Hochschulmisere völlig abgelenkt. Die gesamte Diskussion konzentriert sich dann auf die Legitimität der Besetzung und wird von den Forderungen der Studierenden völlig abgezogen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass eine dauerhafte Besetzung offenbar ohnehin kaum möglich ist. Wie schon letztes Jahr waren auch diesmal in den frühen Morgenstunden nur sehr wenige Personen anwesend, eine Räumung ist leicht möglich und wurde dann ja auch mehr oder weniger durchgeführt. Wenn aber nicht viele Tausend Studierende den Raum zur Ausarbeitung und Koordinierung ihrer Forderungen und Aktionen nutzen, wird einer Besetzung sehr rasch die Legitimation entzogen.

Das sollte eigentlich die wichtigste Lehre der Besetzung des vergangenen Jahres sein. Ohne ausreichende Legitimation keine Besetzung, da sie sonst zum Selbstzweck wird. Eine solche Legitimation über mehrere Wochen scheint nicht gegeben zu sein, insofern ist die Wahl der Mittel wohl zu überdenken.

Warum nicht Generalstreik?

Viel wichtiger noch ist jedoch die Frage ob das Audimax überhaupt der zentrale Ort für Proteste ist. Die Situation an den Hochschulen ist prekär, nicht zuletzt die Beschäftigten der Hochschulen sind davon betroffen. Sie leiden jetzt schon unter massiver Überlastung, kommt es zur angekündigten Budgeteinfrierung ab 2013 werden sich viele Sorgen um ihre Jobs machen müssen. Die Einbindung der Beschäftigten, eventuell auch der RektorInnen, in erster Linie aber der Beschäftigten wäre der Schlüssel zum Erfolg.

Das Audimax ist letztlich nur ein, wenn auch großer, Raum in einer, wenn auch großen, Universität. Wenn tatsächlich substantieller Druck auf die Regierung ausgeübt werden soll, müsste es zum Schulterschluss zwischen Personal und Studierenden kommen. Ein Generalstreik der österreichischen Hochschulen wäre eine Aktion die einerseits auf hohe öffentliche Legitimität bauen könnte, andererseits den Protest dezentralisieren würde. Schließlich lässt sich ein Hörsaal räumen, eine bestreikte Universität hingegen nicht.

Ohne Zweifel ist der Generalstreik eine schwierig zu organisierende Aktion und seine Umsetzung hängt nicht nur an der Motivation der Studierenden sondern auch an der des Personals. Aber wo die Verzweiflung groß ist, sind auch große, beinahe unvorstellbar große Aktionen denkbar. Der Generalstreik der österreichischen Hochschulen wäre eine genau solche Aktion. Er wäre die Aktion die den partikularen Protesten jene Legitimität verleihen könnte, die die Regierung zum Umdenken bewegen könnte.

Wenn das Personal, aus welchen gründen auch immer, den Streik als Mittel nicht in Betracht zieht, bleiben die Proteste notgedrungen auf einen Teil der Studierenden beschränkt. Dieser Teil eines ohnehin kleinen Teils der Österreichischen Bevölkerung (Studierende), kann auf Dauer kaum den notwendigen Druck erzeugen, um die Hochschulpolitik zu verändern. Es gelingen große Aktionen wie die gestrigen Demonstrationen, oder kurzfristige Aktionen wie die gestrige Besetzung, für dauerhafte Veränderung reicht es nicht.

Fazit:

Den Besetzungen fehlt Legitimation und letztlich auch Motivation der Studierenden. Soll sich substanziell etwas ändern, müsste sich das Personal der Universitäten an Aktionen beteiligen.

Bevor weitere Besetzungen angedacht werden, sollte aus unserer Sicht besser an einem Bündnis gearbeitet werden, dass letztlich auch die Bestreikung der Hochschulen in Angriff nimmt. Kurzfristige Aktionen, Besetzungen und sonstige Aktivitäten werden kaum ausreichen, um den notwendigen Druck für gesellschaftliche Veränderungen zu erzeugen.

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