20. August 2015

DVD-Tipp: The Rum Diary

METRO Kinokulturhaus Kinosaal (c) STADTBEKANNT

Von der Entstehung des Gonzojournalismus

Nach „Fear and Loathing in Las Vegas“ verkörpert Johnny Depp in „The Rum Diary“ abermals einen Drogen-affinen Trinker-Journalisten, der in seinem Dauerrausch von der politischen Wirklichkeit seiner Zeit eingeholt wird.

Nicht nur als Oberpirat Sparrow schluckt Johnny Depp den Rum wie Minderalwasser, auch in „The Rum Diary“ fließt gehörig viel Zuckerrohr-Destillat. Den arbeitslosen Journalisten Paul Kemp verschlägt es Ende der 50er Jahre nach Puerto Rico, wo er sich einer heruntergekommenen Zeitungsredaktion aus Trinkern und Verrückten anschließt. Während die Zeitung langsam den Bach hinunter geht, wird Kemp in ein schmutziges Immobiliengeschäft hineingezogen. Unfähig sich dem Alkohol zu versagen, gerät jedoch alles aus den Fugen. Das Geschäft platzt und Kemp verliebt sich in die Freundin des skrupellosen PR-Beraters Sanderson. Dieser schwört Rache, woraufhin Kemp sich seiner journalistischen Ehre besinnt und Sandersons kriminelle Machenschaften aufdecken möchte. Der Plan scheitert jedoch und Kemp flüchtet mit einer Yacht Sandersons nach New York, wo er eine erfolgreiche Karriere als Journalist einschlägt.


Reale Filmvorlage

Die Story von „The Rum Diary“ geht – wie „Fear and Lothing in Las Vegas – auf den Journalisten und Schriftsteller Hunter S. Thompson zurück. Dieser etwickelte Mitte der 60er Jahre den sogenannten Gonzojournalismus, der sich zwischen subjektiver Ich- Erzählung, Sozialreportage und literarischer Fiktion bewegt und Gesellschaftskritik süffisant auf den Punkt bringt. „The Rum Diary“ war Thompsons erster Roman, den er im Alter von 22 Jahren geschrieben hatte. Der befreundete Johnny Depp fand das bis dahin unveröffentlichte Manuskript während der Dreharbeiten zu „Fear and Loathing in Las Vegas“ in Thompsons Keller. Bestrebungen das Buch zu verfilmen scheiterten mehrfach. Sechs Jahre nach Thompsons Tod – dieser nahm sich 2005 das Leben – kam „The Rum Diary“ schließlich doch noch in die US-Kinos. Johnny Depp erfüllte damit Hunter S. Thompsons letzten Wunsch, den dieser in seinem Testament niedergeschrieben hatte.

Kein zweites „Fear and Loathing“

Auch bei Thompsons Erstling ist die unterschwellige Gesellschaftskritik nicht zu übersehen. Gnadenlos nimmt der Film die imperialistisch-rassistische Außenpolitik der USA in den 50er Jahren auf?s Korn, schneidet soziale Unruhen und den sich anbahnenden Ost-West-Konflikt an. Trotz aller Bemühungen dem Film Kultcharakter zu verleihen, kann er „Fear and Loathing in Las Vegas“ in punkto Witz und filmischer Raffinesse nicht das Wasser reichen. Dazu wirkt die Story etwas zu banal und die Anzahl der eingesetzten Drogen hinkt dem Werk aus dem Jahr 1998 um ein Vielfaches hinterher. Dennoch bietet der Film einen weiteren faszinierenden Einblick in die Gedankenwelt des Schriftstellers Hunter S. Thompson. Wer Johnny Depp einmal nicht als torkelnden Seeräuber, sondern als scheiternden Journalisten mit Hang zur Hotel-Minibar erleben möchte, wird mit dem Film seine Freude haben.

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