5. Juli 2015

Die Wiener Jakobiner

Wiens einsame Revolutionäre

Österreich scheint von der Französischen Revolution nicht viel mitbekommen zu haben. Zwar besuchte Napoleon Wien zweimal mit seiner Armee, aber diese Besuche sind den Wienern vor allem wegen ansehnlicher Militärparaden am Schloß Schönbrunn in Erinnerung geblieben und weniger, wegen einer Begeisterung für die „Weltseele zu Pferd“ (Hegel). Nichtsdestotrotz gab es auch im Wien des späten 18. Jahrhunderts einige Freunde des französischen Experiments: die Wiener Jakobiner.

Anders als in Frankreich handelte es sich nicht um eine große Gruppe, die auf Unterstützung einer Wiener Sansculloterie zählen konnte, sondern um vereinzelte Adlige, Militärs und Klerikale. Franz Hebenstreit und Andreas von Riedel, seines Zeichens Berater von Kaiser Leopold II., waren die zentralen Gestalten dieser revolutionären Melange.

 

Hebenstreit von Streitenfeld

Hebenstreit war wie Mozart Mitglied der Freimaurer, die im 18. Jahrhundert intensiv die Ideen der Aufklärung diskutierten und zu ihrer Verbreitung in Österreich beitrugen. Doch anders als bei Mozart, dem die Aufklärung vor allem in die Musik überging, sah Hebenstreit, angespornt von den Erfolgen der Pariser Jakobiner, die Zeit zum Handeln gekommen. Inhaltlich war er dabei um einiges radikaler, als viele seiner österreichischen und französischen Genossen. So forderte Hebenstreit nicht nur ein aktives Bearbeiten von aristokratischen Hälsen, sondern erblickte in den Eigentumsverhältnissen die Wurzel von Herrschaft und Unterdrückung. Eine Erkenntnis, die nicht bloß dem Adel, sondern auch dem jungen Wiener Bürgertum übel aufstieß.

 

Praktisch frankophil

Die Verknüpfung von Theorie und Praxis zeigte sich bei Hebenstreit durch kreative Ideen zur revolutionären Kriegsführung. Unter dem Eindruck der militärischen Bedrohung der Französischen Revolution durch Europas konservative Herrscherhäuser entwarf er einen Streitwagen, dessen sichelbespickten Räder der royalistischen Kavallerie den Todesstoß versetzen sollten. Zwei seiner Weggefährten brachten die Pläne für den Streitwagen und Hebenstreits revolutionäre Schrift Homo hominibus nach Paris, wurden aber zunächst als vermeintliche österreichische Spione interniert. Erst eine Intervention des französischen Kriegsministers rettete sie aus der Kerkerhaft und verhalf Hebenstreit zu französischer Anerkennung.

 

Kaisertreues Totenfest

Am 24. Juli 1794, drei Tage vor dem Sturz Robespierres, holte Kaiser Franz II. zum Schlag gegen die Wiener Jakobiner aus. Hebenstreit wurde verhaftet, nach langem Prozess im Jänner 1795 zum Tode verurteilt und am Schottentor gehängt. Sein Gefährte Andreas Riedel wurde eingekerkert und erst 1809 von Napoleons Truppen befreit. Was es in Wien an klandestiner Organisationsstrukturen gab, wurde zerschlagen. Während der Hinrichtung Hebenstreits 90.000 Wiener beigewohnt haben sollen, blieben die Wiener Jakobiner ohne ernstzunehmenden Rückhalt in der Bevölkerung. Der Wahlwiener Ludwig von Beethoven konstatierte seinerzeit lakonisch wie zeitlos: „So lange der Oesterreicher noch braun’s Bier und Würstel hat, revoltirt er nicht.“

Der Kopf von Hebenstreit war bis 2012 im Wiener Kriminalmuseum ausgestellt. Erst in Folge einer öffentlichkeitswirksamen Wiederaufnahme seines Prozesses 2010 wurde Hebenstreit posthum rehabilitiert und sein Kopf schließlich aus dem Kriminalmuseum entfernt. Heute ist das Restaurant Hebenstreit unweit des Hinrichtungsorts nach ihm benannt.

 

Tipp: Nur für historisch Interessierte

Für historisch Interessierte haben wir einen weiterführenden Weblink mit Hintergrund-Infos über die Französische Revolution.

1 Kommentar

  1. Florian Müller

    6. Juli 2015

    Auch sehr empfehlenswert: http://www.habsburger.net/

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