16. Mai 2013

Die Wiener Hetz

Wieso findet der Wiener eine ,,Hetz“ so lustig?

Es ist schwierig, das Wiener Gemüt zu erklären. Es ist ja sogar schwierig, zu verstehen. Das Gemüt an sich gibt kein klares Bild, es ist vielmehr ein Mosaik, das sich aus Momenten, aus unwesentlichen Details zu einem Werk, zu einem Wesen zusammenfügt. Eine Art Psychopuzzle. Erschwerend kommt hinzu, dass bei einzelnen Teilen des Wiener Gemüts die Ecken ein bisserl rund sind.


Man könnte das Wiener Gemüt auch so definieren: Wiener ist einer, der Spaß meint, wenn er Tiermord sagt. „Eine Hetz haben“ leitet sich von den blutigen Tierhetzen früherer Tage ab und drückt aus, dass Wienerin und Wiener „einen großen Spaß haben“. Auch die Varianten „Riesenhetz“ und „Patzenhetz“ entspringen der Hetz (oder Hatz), die bis in die späte Barockzeit auch das einfache Volk Wiens unterhalten hat. In Adelskreisen kennt man die Jagd in Wald und Wiese bis heute als vergnügliche Freizeitgestaltung. Der gemeine Wiener belustigte sich vor allem im 18. Jahrhundert in sogenannten Hetztheatern. Das erste gab es ab 1708 in der Leopoldstadt, zwei weitere in der Josefstadt und auf dem heutigen Heumarkt (1735–1743). Diese Etablissements waren hoch besteuert, der Hof verdiente gut daran, besonders am Hetzamphitheater in der danach benannten Hetzgasse, im 3. Bezirk (auf dem Grundstück, das sich heute zwischen Hintere Zollamtstraße 13 und Hetzgasse 2 befindet). Es wurde 1755 aus Holz gebaut und 1770 sogar vom Staat erworben.

Dieses dachlose „Theater unter den Weißgerbern“ bot auf drei Rängen dreitausend Gästen Platz, wenn an den Sonn- und Feiertagen der Sommermonate Ochsen, Bären, Hirsche, Luchse, Füchse, Löwen, Stiere, Wildschweine und Wölfe gehetzt wurden. In der Arena mit 42 Metern Durchmesser gab es ein Wasserbecken und einige Kletterbäume, auf die sich die Tierhetzer flüchten konnten. Das Spektakel wurde mit exotischer, meist türkischer Musik untermalt. Die Karten waren nicht billig, aber den Wienern gefiel das Schautöten, wie heute noch die Stierkämpfe den Spaniern und die Hahnenkämpfe den Asiaten. Als bei einem Brand am 1. September 1796 einige der Tiere den Feuertod fanden, wurde das den Wienern aber doch zu grausam. Die „Wiener Zeitung“ vom 3. September 1796 schrieb: „Bloß einige Hunde und der Auerstier wurden gerettet und in Sicherheit gebracht! Alle übrigen zahlreichen und kostbaren Thiere, 2 Löwen, 1 Panther, mehrere Bären, Wildschweine, Ochsen etc. kamen, unter entsetzlichem Gebrülle, in der Flamme um.“

Dem Kaiser Franz II., dem die Tierhetzen angeblich immer widerlich waren, kam der Brand gelegen. Er ließ das Hetztheater nicht wieder aufbauen und unterband die Tierhetzen, die schon lange in der Kritik der Intellektuellen gestanden waren, generell.

Dem Adel blieb die Jagd. Und dem Wiener halt nur mehr die buchstäbliche Hetz

„Darf’s a bisserl mehr sein?“

Weitere Fragen zu Wien und deren interessante Antworten findest du in Wann verlor das Riesenrad seine Waggons? von Axel N. Halbhuber erschienen im Metroverlag.

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