7. Juni 2019

Die fabelhafte Welt der Karoline

Karoline (c) STADTBEKANNT

Gleichstellungsfragen, unsinnig beantwortet

Auf den ersten Blick ist Karoline Edtstadler eine moderne Frau. Demnächst zieht die junge, erfolgreiche Juristin und ehemalige Staatssekretärin des BMI für die ÖVP ins Europaparlament. Ab 2020 wird sie dort die ÖVP-Delegation leiten. Edtstadler gilt als Kurz-Vertraute und bezeichnet sich selbst als “wertkonservativ”.

Wie sehr sich eine “wertkonservative” ergo durch die Zeit bei der katholischen Mädchenverbindung geprägte Ideologie ins eigene Bein beißen kann, zeigen ihre durchwegs interessanten Aussagen.

Das schrägste Konzept von Gleichberechtigung, seit es Anti-Feminismus gibt.

Auf die Interviewfrage des U-Bahn-Blattls Heute, ob sie eine Feministin sei, antwortete Edtstadler einst mit einem heftigen “Nein” und begründete es folgendermaßen: Man müsse doch heutzutage keine Feministin mehr sein, weil es de facto eh eine Gleichstellung gäbe. Gleichstellung sei ihr überhaupt ganz wichtig. Ebenso wichtig sei es, dass sich die Männer auch um die Kinder kümmern und bei der Pflege von alten Angehörigen mithelfen.

Später im selben Interview revidiert sie diese Aussage, indem sie Kinderbetreuung als weibliche Aufgabe definiert: Der legitime Grund, warum Frauen nicht zum Heer oder Zivildienst einberufen werden sollten, sei der “Ausgleich” für die spätere Mehrarbeit mit Kindern und Familie. Was impliziert: Man(n) kauft sich per Wehrdienst frei von 50:50.

Was will sie nun, die Frau Edtstadler? Paare, die gleichberechtigt ihre Kinder großziehen, oder doch lieber brave Frauen, die klaglos jegliche Mehrarbeit schupfen? Und: Wiegen ein paar Monate unterbezahlter Staatsdienst auf der Waage des Lebens tatsächlich dasselbe wie anderthalb Jahrzehnte karenzunterbrochene Teilzeitarbeit?

Oh, nicht gleich viel? Überraschung! Aber um die Frauen geht es Edtstadler ja auch nicht, sie ist schließlich keine linkslinke Emanze.

Die Ausländer waren’s, nicht die patriarchalen Muster!

Es geschah “Im Zentrum” am 21.1.2019. Karoline Edtstadler schaffte einfach so das Patriarchat ab. Und zwar nicht, indem sie es durch einen gleichberechtigten Gesellschaftsentwurf ersetzte – sondern indem sie seine Existenz und seine Auswirkungen auf die immer noch grassierende Gewalt gegen Frauen ganz und gar leugnete. Das Problem sei importiert, die Österreicher unter den Tätern lediglich “Nachahmungstäter”, die es den bösen Flüchtlingen nachmachen. Ein Patriarchat? Hier, im heiligen und guten Westen? Nie gesehen, nie gewesen!

Karoline Edtstadler ist zwar noch jung, aber als Kennerin der österreichischen Gesetzgebung müssten ihr Themen wie Vormundschaft über Ehegattinnen und Nicht-Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe (bis 1989) ein Begriff sein. Ebenso müsste sie wissen, wie viele missbrauchte Mädchen auch heute noch aus Scham und Angst vor mächtigen Männern schweigen, und wie voll Österreichs Frauenhäuser sind. Sie müsste es wissen – sie weiß es – und redet nicht darüber. Problem: inexistent.

Dass es allzu oft die vielgepriesenen “konservative Werte” sind, die Ungleichbehandlung und Gewalt erhalten – auf die Idee kommt sie höchstwahrscheinlich niemals.

 

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