9. Mai 2013

Des Erzherzogs Pferd

Wie kann Erzherzog Karls Pferd auf nur zwei Beinen stehen?

Das Leben kennt viele Helden: glorreiche, traurige, tragische oder strahlende Helden. Der Heldenplatz vereint sie gewissermaßen alle.

Geplant wurde er als Teil des Kaiserforums unter Kaiser Franz Joseph I. Der Leopoldinische Trakt der Hofburg, die Neue Burg, die Habsburgischen Sammlungen (Kunsthistorisches und Naturhistorisches Museum) und die Hofstallungen (MuseumsQuartier) hätten mit einem noch zu bauenden Gebäude an der Stelle des Volksgartens (und einem prunkvollen Ausbau des Leopoldinischen Trakts) einen unglaublich großen Herrschaftsplatz bilden sollen – das Monsterprojekt wurde nie vollendet und so bietet der Platz heute einen großartigen Blick auf Parlament, Rathaus und Burgtheater.

Namensgebend für den Platz in der heutigen Form (etwa 200 mal 230 Meter) sind die beiden Reiterdenkmäler. Das erste wurde 1860 aufgestellt: Es zeigt Erzherzog Karl und gilt als statische Meisterleistung: Das zwanzig Tonnen schwere Bronze-Monument berührt den Sockel an nur zwei Punkten (nämlich an den Hinterbeinen des Pferdes). Der gefeierte Bildhauer Anton Dominik Fernkorn wurde geadelt und stand – wie alle Ringstraßenkünstler damals – noch mehr unter Druck. Beim zweiten Standbild von Prinzen Eugen gelang das Wunder nicht: Es wurde ein dritter Punkt (der Pferdeschwanz) als Stütze verwendet. Die Fertigstellung erlebte Fernkorn als Patient der Psychiatrie. Die Sockel der beiden Reiterdenkmäler planten die Staatsopernarchitekten Eduard van der Nüll und August Sicard von Sicardsburg. Aber auch die Denkmäler selbst spiegeln tragische Geschichten wider: Erzherzog Karls Statue sollte an die Schlacht bei Aspern – bei der Napoleon seine erste Niederlage auf dem Schlachtfeld erlebte – erinnern. Die nur zwei Monate später erfolgte Niederlage gegen Napoleon in der Schlacht bei Wagram wurde bei der Verherrlichung der Militärmacht ignoriert. Schlimmer war jedoch, dass Österreich bei der Schlacht von Solferino dem Königreich Sardinien unterlag, während das Denkmal an seinem Bestimmungsort installiert wurde. Im Jahr nach der Platzierung der zweiten Statue (ebenfalls eine Hommage an die große Militärmacht) erlebte Österreich 1866 in der Schlacht von Königgrätz seine schlimmste Niederlage überhaupt.

Politisch ist der Heldenplatz ein schräges Sinnbild: Einerseits haben hier mit dem Bundeskanzler (am Ballhausplatz) und dem Bundespräsidenten (im Leopoldinischen Trakt) die höchsten Vertreter der Demokratie ihre Amtsräume – vom Blick auf das Parlament ganz zu schweigen. Andererseits wird der Heldenplatz vom Prunk und Glanz der Monarchie umrahmt. Mit dem 15. März 1938 wurde der Heldenplatz zum Symbol der Nazi-Diktatur: An diesem Tag sprach Adolf Hitler vom Balkon der Neuen Burg zu einer euphorischen Masse und verkündete den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich. Auf dem Heldenplatz feierte Papst Johannes Paul II. 1983 eine Messe (woran das Papstkreuz erinnert), am gleichen Platz jubelt das Volk alljährlich am 26. Oktober (Nationalfeiertag) bei der Leistungsschau des Bundesheeres und Eltern lassen ihre Kinder auf Panzern (Geräte zum Töten von Menschen) fotografieren. Rechtspolitiker legen hier Kränze beim Heldentor nieder, daneben demonstrieren die Linken – die einen feiern, die anderen betrauern am 8. Mai das Ende des Nazi-Regimes. Und ein Denkmal für die im Dienst getöteten Polizisten und Gendarmen des Landes gibt es hier auch noch.

Die Skurrilität dieses Ortes, an dem die Affenliebe zu Kaiser und zu militärischem Gerät ebenso präsent ist wie die Gräueltaten der Nazis, wurde in der Literatur und im öffentlichen Diskurs oft thematisiert. Am bedeutendsten und umstrittensten sind das Theaterstück „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard und das Gedicht „wien: heldenplatz“ des Lyrikers Ernst Jandl.


„Darf’s a bisserl mehr sein?“

Weitere Fragen zu Wien und deren interessante Antworten findest du in Wann verlor das Riesenrad seine Waggons? von Axel N. Halbhuber erschienen im Metroverlag.

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